Abstimmung über Hartz-Gesetze:Kanzler rechnet mit eigener Mehrheit

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Nach Zugeständnissen an die Kritiker der so genannten Hartz-Reformen sehen die Spitzen von SPD und Grünen der Bundestagsabstimmung über die Neuregelung des Arbeitsmarktes am Freitag mit Zuversicht entgegen.

Von Nico Fried

Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte, er gehe davon aus, dass die Koalition den Erfolg der Reformen "geschlossen und gemeinsam sicherstellen" werde. Allerdings wollten die Kritiker sich am Montag noch nicht endgültig auf ihr Abstimmungsverhalten festlegen. Die Koalition hatte zuvor die Hartz-Reform in drei Punkten verändert, beziehungsweise Regelungen klargestellt.

In einer Koalitionsrunde am Montag verständigten sich die Spitzen von SPD und Grünen darauf, den Forderungen einzelner Reformkritiker aus beiden Parteien entgegen zu kommen. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz sagte anschließend, er gehe davon aus, dass die Gesetze nun eine eigene Mehrheit der Koalition finden würden.

Laut Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer handelt es sich bei den Änderungen um "Justierungen, die den grundsätzlichen Kurs nicht in Zweifel ziehen." Die Situation, in der innerhalb der Koalition "zwei Züge aufeinander zurasten", sei überwunden, sagte Bütikofer.

Die Vereinbarungen sollten am frühen Abend den beiden Fraktionen in Sondersitzungen erläutert werden. Ob die Kritiker damit zu einer Zustimmung bewegt werden können, war zunächst allerdings noch unklar.

Der SPD-Abgeordnete Klaus Barthel sagte der Süddeutschen Zeitung, er werde sich auch in der Fraktionssitzung noch nicht festlegen. "Die Materie ist sehr kompliziert." Er brauche noch Zeit zur Prüfung der Details. Barthel stellte aber fest, es habe "Bewegung in die richtige Richtung gegeben".

Unter Zeitdruck

Auch die SPD-Abgeordnete Sigrid Skarpelis-Sperk hatte bereits zuvor angekündigt, sich noch nicht festzulegen. "Ich erwarte mir hier vernünftige Angebote. Ich glaube, eine Regierung muss auch wissen, dass sie im Parlament nicht mit einem Friss-Vogel-oder-stirb-Angebot antreten kann."

Es sei fraglich, ob im Hinblick auf die für Freitag anstehende Abstimmung im Bundestag überhaupt noch ausreichend Zeit bleibe, die Angebote der Bundesregierung eingehend zu prüfen.

Es wurde erwartet, dass sich die Kritiker der Reform für den Fall einer Probeabstimmung in der SPD-Fraktionssitzung mit Verweis auf diesen zusätzlichen Prüfungsbedarf enthalten würden. Bei den Grünen ist keine Probeabstimmung geplant.

Die Koalitionsspitzen kamen den Kritikern vor allem bei der Anrechnung des Vermögens von Arbeitslosen entgegen. Bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II sollen Ersparnisse zur Altersvorsorge bei der Prüfung des Unterstützungsanspruches demnach stärker geschont werden als bisher geplant.

So soll bei der Anrechnung von Privatvermögen der Freibetrag pro Lebensjahr um 200 auf insgesamt 400 Euro pro Lebensjahr erhöht werden.

Ein 45 Jahre alter Arbeitsloser hätte demnach beispielsweise einen Freibetrag in Höhe von 18.000 Euro, allerdings nur auf Vermögen, das er zur Altersvorsorge angespart hat.

Der Generalsekretär der SPD, Olaf Scholz, wies darauf hin, dass bereits nach bisheriger Regelung außerdem Betriebs- sowie Riester-Renten und Wohneigentum nicht angerechnet werden.

Scholz beschrieb die Regelung als "zusätzliche Möglichkeit zur privaten Vorsorge, die zurecht von vielen verlangt worden ist".

Scholz: Würde Würste braten

Lediglich als Klarstellung wertete Scholz die Festlegung, dass Verwandte ersten Grades, zum Beispiel Kinder, nicht für den Unterhalt von Arbeitslosen herangezogen werden sollen. Dies sei nie anders vorgesehen gewesen, sagte Scholz.

Es habe nun lediglich eine Klarstellung im Gesetzestext gegeben. In der Frage der Zumutbarkeit von Jobs im Niedriglohnbereich einigte sich die Koalitionsrunde darauf, dass das ortsübliche Lohnniveau nicht unterschritten werden darf. Damit sollen Beschäftigungsverhältnisse zu Dumping-Löhnen vermieden werden.

Scholz verteidigte aber die grundsätzliche Regelung, von Arbeitslosen auch die Aufnahme von Jobs mit niedriger Qualifikation zu fordern. Auf die Frage, ob er im Falle der Arbeitslosigkeit nach einem Ausscheiden aus seinem Amt selbst bereit sei, Würstchen zu verkaufen, antwortete Scholz: "Ich fände das in Ordnung."

Scholz und Bütikofer waren bemüht, die positiven Auswirkungen der Reform herauszustellen. Der SPD-Generalsekretär nannte die Hartz-Gesetze "die größte Reform der Arbeitsvermittlung seit langem".

Keine Anstalt für öffentlichen Sadismus

Dadurch könne eine "enorme Trendwende" ausgelöst werden. Vor allem erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger würden "strukturell besser gestellt". Bütikofer betonte, Kern der Gesetze sei es, Arbeitslose schneller in neue Jobs zu vermitteln.

Die Bundesanstalt für Arbeit, die künftig Bundesagentur heißen soll, sei "keine Anstalt für öffentlichen Sadismus".

© SZ vom 14.10.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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