Abstimmung:Schweiz verschärft Abschiebe-Praxis

Die "Durchsetzungsinitiative" ist gescheitert, doch die "Ausschaffungsinitiative" kommt trotzdem: Kriminelle Ausländer müssen die Schweiz verlassen. Das gilt auch für EU-Bürger. Und auch bei kleineren Delikten.

Von charlotte theile, Zürich

Die Abstimmung über die "Durchsetzungsinitiative" hat die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) verloren. Nur 41 Prozent der Schweizer stimmten am Sonntag für den Vorstoß, der kriminelle Ausländer nach einem detaillierten Katalog und schon wegen Bagatelldelikten abschieben lassen wollte. Nur in sechs Kantonen bekam die SVP eine Mehrheit.

Dennoch kommt jetzt eine Gesetzesänderung auf die Schweiz zu, die zu einer härteren Abschiebepraxis führen wird. Es handelt sich dabei um die Umsetzung der "Ausschaffungsinitiative", für die sich 2010 eine Mehrheit der Schweizer ausgesprochen hatte. Ausländer, die wegen schwerer Gewalttaten, sexueller Handlungen mit Kindern, Menschenhandel, Zwangsheirat oder Brandstiftung verurteilt werden, müssen das Land für fünf bis 15 Jahre verlassen. Es führen aber auch weniger schwere Delikte zur Abschiebung, zum Beispiel Sozialhilfebetrug oder Hehlerei. Das gilt auch für EU-Bürger. Nur bei "schweren persönlichen Härtefällen" oder öffentlichem Interesse können die Richter vom Landesverweis absehen.

Toni Brunner, scheidender Präsident der SVP, hat in den vergangenen Wochen gegen diese Härtefallklausel gekämpft - sie sei eine "Täterschutzklausel", sagte er wieder und wieder. Schon am Abstimmungssonntag kündigte Brunner an, von nun an eine Strichliste führen zu wollen. Brunner nahm damit Bezug auf eine Veröffentlichung des Schweizer Bundesamts für Statistik, das mit dem neuen Gesetz mit 4 000 Abschiebungen pro Jahr rechnete. Derzeit werden jedes Jahr einige Hundert straffällig gewordene Ausländer abgeschoben. Mit der Durchsetzungsinitiative wären 10 000 Personen jährlich betroffen gewesen.

© SZ vom 01.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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