Abfuhr für Rüttgers:Merkel hält nichts von der Mindestrente

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Die Spitzen der großen Koalition haben den Vorschlag des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) abgelehnt, eine Art Mindestrente einzuführen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ erklären, sie sei gegen einen Systemwechsel. Die SPD betonte, das beste Mittel gegen Altersarmut sei die Zahlung von Mindestlöhnen und entsprechend hoher Sozialbeiträge.

Rüttgers plädiert dafür, dass Geringverdiener, die mindestens 35 Jahre lang in die Rentenversicherung einbezahlt haben, in jedem Fall eine Altersversorgung oberhalb der Grundsicherung, also des Hartz-IV-Niveaus, erhalten sollten. Alles andere sei eine "nicht hinzunehmende Altersdiskriminierung".

Jürgen Rüttgers will die Rente für Geringverdiener erhöhen, die lange in die Rentenkasse eingezahlt haben. (Foto: Foto: dpa)

Sein Vorschlag bricht allerdings mit dem Prinzip, wonach sich die Höhe der Rente nicht nach der Zahl der Beitragsjahre, sondern allein nach der Summe der Einzahlungen richtet. Zudem wäre eine Mindestrente missbrauchsanfällig: So könnten etwa Selbständige ihren Ehepartner anstellen, einige wenige Euro im Monat an die Rentenversicherung abführen und dafür später die Mindestrente kassieren.

Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sagte in Berlin, es sei die "klare Position" Merkels wie der Bundesregierung, am bewährten Rentensystem festzuhalten. Das gelte umso mehr, als unklar sei, wie die für eine Mindestrente erforderlichen "exorbitanten Steuerzuschüsse" finanziert werden könnten.

Noch deutlicher wurde Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU), der den Vorstoß seines Düsseldorfer Kollegen als "abwegig" bezeichnete. Wer nicht in der Lage sei, aus Arbeitseinkommen oder aus Rente seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, könne zusätzlich Sozialhilfe beantragen, so Oettinger.

Die Kritik der SPD fiel moderater aus, die Sozialdemokraten nutzten die Gelegenheit jedoch dazu, erneut die Einführung von Mindestlöhnen zu fordern. Generalsekretär Hubertus Heil sagte, gute und möglichst steigende Löhne seien der beste Schutz vor Altersarmut. Ähnlich äußerte sich ein Sprecher von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD).

Er verwies darauf, dass ein Wachmann, der heute 5,20 Euro in der Stunde verdiene, nach 45 Beitragsjahren auf eine monatliche Rente von lediglich 700 Euro komme. Bei einem Mindestlohn von 7,50 Euro steige der Anspruch auf 1000 Euro. "Das ist die Diskussion, die wir in Deutschland führen müssen", sagte der Sprecher.

Auch der Chef der Wirtschaftsweisen, Bert Rürup, wies den Rüttgers-Vorschlag zurück. Altersarmut könne zwar mittelfristig ein Problem werden, "es ist aber definitiv kein aktuelles, das Sofortmaßnahmen erfordern würde", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Zudem mache es "wenig Sinn, einen einzelnen Punkt wie die Mindestrente herauszugreifen". Notwendig sei vielmehr ein Gesamtpaket.

Trotz aller Ablehnung gibt es aber sowohl in der Union als auch in der SPD Befürchtungen, dass Rüttgers die gegnerische Front durch ständiges Wiederholen seines populären Vorschlags aufbrechen könnte. Ähnliches war ihm schon beim Streit um die Auszahlungsdauer des Arbeitslosengelds I gelungen, als er Merkel wie SPD-Chef Kurt Beck zu einer Wende zwang.

Auch jetzt hat Rüttgers bereits prominente Unterstützer: Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) sagte, er habe "sehr viel Sympathie" für den Vorschlag. "Wer das ganze Leben lang gearbeitet hat, scheut sich, zum Sozialamt zu gehen", sagte Seehofer der SZ. Auch die Vorsitzenden von Senioren- und Junger Union, Otto Wulff und Philipp Mißfelder, sowie der gesamte Vorstand der nordrhein-westfälischen CDU stellten sich hinter den NRW-Regierungschef.

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