80.Geburtstag:Happy Birthday, Königstiger

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Als Raubkatze unter lauter Hamstern hat sie sich gefühlt - eisern unsentimental feiert Margaret Thatcher nun ihren 80. Geburtstag

Wolfgang Koydl

Man wird nie erfahren, ob es Ihre Majestät Überwindung gekostet hat, den kurzen Weg vom Buckingham-Palast hinüber zu fahren ins Mandarin Oriental Hotel in Knightsbridge, um einer anderen alten Dame ihre Aufwartung zu machen. Königin Elisabeth trägt Gefühle nicht zur Schau und dazu gehört, dass sie Sympathien und Antipathien wohlweislich in ihrer Brust verschließt.

Geliebt wurde sie nie, außer natürlich von ihrem treuen Ehemann Denis: "Iron Lady" Margaret Thatcher (Foto: Foto: Reuters)

Dennoch war es in London ein offenes Geheimnis, dass die Monarchin mit Margaret Thatcher nie so richtig warm wurde, ja dass sie sich im Kreise von Familienangehörigen und engen Freunden mitunter lustig machte über die Krämertochter mit der einschüchternd überdimensionierten Handtasche.

Daher muss es wohl als besondere Ehre gelten, dass die Queen sich doch bereit erklärt hat, zur Geburtstagsparty der Baroness Thatcher of Kesteven zu kommen - zusammen mit Tony Blair, Sir Andrew Lloyd-Webber, Shirley Bassey und 600 weiteren sorgfältig ausgesuchten Freunden. Achtzig wird Maggie, ein Alter, in dem sich manches verklärt, in dem die scharfen Kanten früherer Konflikte abgeschliffen sind.

Keinen Sinn für Sentimentalitäten und ähnliche Sperenzchen

Aber eine Retrospektive durch den Filter eines Weichzeichners ist freilich nicht Margaret Thatchers Sache. Für Sentimentalitäten und ähnliche frivole Sperenzchen hatte sie nie Verständnis, und daran hat sich auch im Alter nichts geändert.

Es hat ihr herzlich wenig ausgemacht, dass eigentlich niemand je richtig warm mit ihr wurde - nicht die Königin, nicht ihre Wähler, obschon die sie dreimal zurückschickten in die Downing Street, nicht ihre Minister und noch nicht einmal ihre Bewunderer. Noch heute wird sie allgemein respektiert, zuweilen gefürchtet, und von einigen gehasst. Doch geliebt wurde sie nie, außer natürlich von ihrem treuen Ehemann Denis, der damals so unnachahmlich souverän und selbstironisch in die völlig neue Rolle eines First Gentleman schlüpfte.

Seine erste Bemerkung nach dem Wahlsieg 1979 gab den Ton an für die kommenden elf Jahre. Auf die Frage, wer in ihrer Ehe die Hosen anhabe, erwiderte Denis Thatcher trocken: "Das bin ich. Und ich wasche und bügle sie auch." Denis wird ihr fehlen beim Geburtstag, so wie er ihr jeden Tag seit seinem Tod vor zwei Jahren gefehlt hat. Und ob sich Margaret Thatcher freuen wird, dass die Königin vorbeischaut bei der Party, ob sie gar Genugtuung empfinden wird - auch das wird man wohl nie erfahren. Genugtuung kann sie sich ohnehin anderswo holen, sie muss sich nur umsehen in ihrem Land. Denn die Folgen des politischen Erdbebens, das sie auslöste, sind unübersehbar - im Guten wie im Bösen.

Die soziale Kälte ist ebenso ihr Erbe wie die Tatsache, dass Angehörige unterer sozialer Schichten in Positionen aufsteigen können, die ihnen einst verschlossen waren. Das vermutlich schönste Geburtstagsgeschenk hat ihr denn wohl vor ein paar Wochen ausgerechnet die ehedem sozialistische Labour Party gemacht. Denn deren Parteitag in Brighton stand - unausgesprochen - ganz im Zeichen des Thatcherismus.

Margaret Thatcher gemeinsam mit Sohn Mark, dessen damaliger Frau Diane und Enkel Michael (Foto: Foto: AP)

Sie war immer eine Rebellin, eine Revolutionärin

Schon 15 Jahre ist es her, dass Thatcher von ihren eigenen Parteigranden gestürzt wurde, schon acht Jahre lang regiert Labour - aber noch niemand hat es gewagt, an den Grundfesten ihrer Politik zu rütteln: nicht bei den Steuern, nicht in der Europapolitik, nicht bei der Treue zu Amerika. Und wenn Gordon Brown, Blairs designierter Nachfolger, die Vorzüge einer Gesellschaft von Immobilien- und Aktienbesitzern beschwört, dann weiß die Jubilarin, dass ihre Mühen nicht vergebens waren. Um es zugespitzt zu formulieren: Die Labour-Partei verdankt ihre Erfolge dem Umstand, dass sie sich das Erbe der Thatcher-Jahre vorbehaltlos zu eigen machte; die Konservativen kranken daran, dass sie mit diesem Erbe noch immer nicht im Reinen sind.

Nach ihrem Rücktritt hatte man Margaret Thatcher gefragt, was sie denn als Regierungschefin verändert habe. "Alles", antwortete sie - total unbescheiden, total unbritisch, bar jeden Understatements. Vielleicht liegt in der einsilbigen und zugleich auftrumpfenden Antwort ein Schlüssel zum Verständnis dieser Frau: Letztlich ist sie nie die kühle Britin gewesen, die wohl erzogene Tochter aus gut bürgerlichem, strengem Elternhaus. Sie war immer eine Rebellin, eine Revolutionärin.

"Shocking" war sie für das Establishment, sei es in ihrer engen, kleinbürgerlichen Heimatstadt Grantham, sei es in ihrer in Traditionen erstarrten Konservativen Partei, sei es in ihrem auf Konsens und Streitvermeidung erpichten Land, wo es als gesellschaftliche Todsünde gilt, spektakulär auf sich aufmerksam zu machen.

Tiger unter lauter Hamstern

Doch Maggie Thatcher brach spektakulär aus allen Schablonen und Traditionen aus. Man hat schon vergessen, welch erstauntes Raunen durch Europa ging, als sie 1975 als erste Frau in einem westeuropäischen Industriestaat den Vorsitz ihrer Partei und vier Jahre später das Amt des Premierministers übernahm. "Wenn man die erste (Frau) ist, die ganz nach oben kommt, dann ändert man die Regeln", hat ihr Biograf Charles Moore beobachtet. "Keiner der Männer wusste, wie damit umzugehen war. Das war von unglaublichem Vorteil. Margaret Thatcher hat das hervorragend genutzt."

Als einzigen Mann in einer Partei von Machos hat man sie denn auch bezeichnet. Aber damit schmeichelten sich die Tory-Herren letztlich nur selber, denn Macho-Qualitäten ließen sich bei Männern wie Edward Heath oder Geoffrey Howe wahrlich nicht ausmachen. Frau Thatcher hatte denn auch ein weitaus weniger schmeichelhaftes Bild von ihren Kabinettskollegen: Sie sah sich als "Tiger unter lauter Hamstern". Vermutlich konnte sie deshalb so lange nicht begreifen, wie sich die kleinen Nager am Ende erdreisten konnten, die fauchende Großkatze zu attackieren und aus dem Amt zu beißen.

Aggressive Königstiger inspirieren nicht zur Freundschaft, und Freunde hat sich Margaret Thatcher noch nicht mal unter Frauen gemacht. Sie ist zwar überzeugt davon, dass Frauen gleichsam von Natur aus eher als Männer zur Übernahme politischer Führungsaufgaben prädestiniert seien. Doch wenn Feministinnen bei solchen Worten hoffnungsfroh die Ohren spitzten, wurden sie enttäuscht. Denn Thatcher führte die politische Qualifikation der Frauen zurück auf weibliche Rollenvorstellungen von Kindererziehung und Haushaltsführung.

Nur ihr konnte es denn auch gelingen, mit einer einzigen Bemerkung beide Geschlechter gleichermaßen zu beleidigen. Beim Festdinner zum Sieg im Falkland-Krieg tafelten Damen und Herren in getrennten Räumen, wobei der Platz der Premierministerin bei den Männern war. Nach dem Kaffee erhob sie sich und warf einen spöttischen Blick in die Runde der Smokingbrüste.

Ronald Reagan war ihr engster politischer Freund

"Gentlemen", fragte sie, "sollen wir jetzt zu den Ladies hinübergehen?" Um den Thatcherismus ist es nicht still geworden. Ehemals kommunistische Länder haben die wirtschaftspolitischen Rezepte jener Frau ausprobiert, die einst ausgerechnet vom Kreml-Organ Prawda den seinerzeit alles andere als schmeichelhaften Beinamen der Eisernen Lady erhielt. Auch in der Bundesrepublik kokettiert die - fälschlicherweise - als deutsche Thatcher titulierte Angela Merkel mit dem Thatcherismus. Und wenn Blair den Europäern Reformen empfiehlt, dann meint er damit Methoden seiner Vorgängerin.

Nur Margaret Thatcher selbst ist still geworden. Seitdem sie einige kleinere Schlaganfälle erlitten hat, hört sie auf den Rat ihrer Ärzte und hält sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Die letzte kurze Rede hielt sie im Sommer vergangenen Jahres. Es war eine Würdigung zum Tod ihres engsten politischen Freundes, Ronald Reagan. Aber auch diesen Tribut hatte sie lange vorher auf Video aufgezeichnet, weil sie nicht wusste, ob sie imstande sein würde zu sprechen. Auch das war kennzeichnend für Margaret Thatcher: Dem Zufall hat sie noch nie etwas überlassen.

© SZ vom 13.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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