80. Geburtstag des Papstes:Glaube als Gewissheit

Lesezeit: 4 min

Joseph Ratzinger ist der bekannteste Deutsche der Welt geworden. Doch noch immer bestimmt Traunstein, der Ort seiner Kindheit, das Wirken von Papst Benedikt XVI..

Matthias Drobinski

Man muss in Traunstein gewesen sein, um Papst Benedikt XVI. zu verstehen, nicht in Marktl, wo sie den großen Wirbel um den Mann machen, der am Montag vor 80 Jahren dort geboren wurde. Fern von den großen Städten liegt der Ort vor den Bergen, und noch ein wenig weiter abgelegen liegt das bescheidene Bauernhaus, in dem Joseph Ratzinger Kindheit und Jugend verbrachte. Wer Glück hat, bekommt die Zinnkrüglein gezeigt, mit denen der fromme Junge einst Heilige Messe gespielt hat.

Der kleine Joseph ist groß geworden und berühmt, Professor, Bischof, Präfekt der Glaubenskongregation, Papst. Er hat die Welt bereist und ist nun der bekannteste Deutsche der Welt. Aber das Traunstein seiner Kindheit ist in ihm geblieben: mit seinem ungebrochenen Katholizismus, vor dem auch die Nazis machtlos standen; mit seiner bodenständigen Frömmigkeit, mit der Wärme einer Heimat, in die nichts Fremdes, Verunsicherndes, Unheimliches eindringt.

Vieles, was Joseph Ratzinger an kritischem über die westliche Welt und die Modernisierungen in der katholischen Kirche gesagt hat, entspringt dem Gefühl: Hier geht etwas verloren, hier werden Wärme und Heimat gegen eine kalte Fremde getauscht, die große Wahrheit des Glaubens gegen die kleine Münze des Relativismus - doch in den Stürmen der Zeit kann die katholische Kirche, kann das Abendland damit nicht bestehen.

Es ist faszinierend zu sehen, wie sich im Papsttum Biographie und Weltgeschichte kreuzen, begegnen, bedingen. Johannes XXIII., der einst Konservative, wandelte sich zum Reformpapst; Johannes Paul II. beschleunigte das Ende des Kommunismus und wurde im Zeitalter der Globalisierung zum Global Player der Moral.

Am kommenden Donnerstag ist Joseph Ratzinger seit zwei Jahren Papst Benedikt XVI., in einer Zeit, in der das aufgeklärte, moderne Europa seine Grenzen spürt, im Zeitalter der Zivilisations- und Religionskonflikte. Wie seit Jahrzehnten nicht mehr agieren die Religionen auf der Weltbühne, als Kriegstreiber und Friedensstifter, Kämpfer für die Menschenrechte und menschenverachtende Fundamentalisten. Und die neue Sehnsucht nach Maßstäben im Weltenchaos trifft sich mit der Sehnsucht nach dem wärmenden, ungebrochenen Traunsteiner Katholizismus des Papstes, der hinter seiner intellektuellen Schärfe lebt.

Politische Einmischung

Kurz vor seiner Wahl zum Papst hat Joseph Ratzinger, der Kardinalsdekan, das Bild einer Kirche gezeichnet, die sich kompromisslos gegen die "Diktatur des Relativismus" stellt. Viele Kardinäle waren begeistert und haben ihn wegen dieser Rede gewählt, viele Beobachter waren erschrocken und fürchteten ein Pontifikat voller bitterer Konflikte.

Das ist bislang nicht geschehen, im Gegenteil hat Papst Benedikt jene überrascht, die in ihm nur den "Panzerkardinal" und finsteren Glaubenswächter sahen. Er ist in sympathischer Schüchternheit vor die Gläubigen getreten und hat ihnen vom Glauben und seiner Schönheit erzählt. Er hat in seiner ersten Enzyklika von der Liebe gesprochen und nicht von Verboten; er hat jetzt ein lesenswertes Buch herausgebracht, das er als Ausdruck seiner Suche nach Jesus geschrieben hat, dem Grund seines Glaubens.

Und trotzdem hat sich an der Linie Joseph Ratzingers nichts Grundsätzliches geändert. Das zeigt sich noch nicht einmal so sehr an den ersten innerkirchlichen Konflikten seines Pontifikats um den Schwangeren-Beratungsverein Donum Vitae, um den salvadorianischen Befreiungstheologen Jon Sobrino oder um die Frage, zu welchen Bedingungen künftig die tridentinische Messe wieder gefeiert werden darf.

Es zeigt sich schon eher an der Verve, mit der der Papst sich in die politischen Auseinandersetzungen um die Ehe- und Lebenspartnerschaftsgesetze verschiedener Länder eingemischt hat, wie er katholische Politiker aufgefordert hat, doch bitte im Sinne ihrer Kirche zu agieren.

Grenzen der Wahrheit

Es zeigt sich aber vor allem in seinen grundsätzlichen Äußerungen. In seiner Regensburger Rede hat Papst Benedikt das Traunsteiner Bewusstsein philosophisch überhöht, das ist das Brisante dieser Vorlesung, weniger das verunglückte Zitat über Mohammed.

Der Glaube ist vernünftig, er hat damit einen objektivierbaren Wahrheitsanspruch, sagt der Papst, und dieser vernünftige Glaube ermöglicht das menschenwürdige Zusammenleben. Nur wer sich dieses Glaubens sicher und bewusst ist, kann den Dialog - und notfalls auch die Auseinandersetzung - mit anderen Religionen führen. Der Protestantismus und die Aufklärung haben dagegen die Religion ins Individuelle, Subjektive verlagert, die Wahrheit relativiert.

Nun muss eine Kirche und erst recht der Papst von der Wahrheit reden. Aber geht das heute so ungebrochen wie im Knabenseminar der vierziger Jahre, im Priesterseminar der fünfziger? 1966 hat Joseph Ratzinger noch über die Grenzen des kirchlichen Wahrheitsanspruchs geredet - der ergebe sich schon allein daraus, dass die 2000 Jahre Christentum nur ein Wimpernschlag in der Menschheitsgeschichte seien.

In den ersten zwei Jahren des Benediktschen Pontifikats war von diesen Grenzen nicht die Rede. Das Denken des Papstes ist tolerant: Er akzeptiert, dass es andere Auffassungen als die der offiziellen katholischen Lehre gibt; das unterscheidet ihn auch von allen Fundamentalisten. Aber es ist antipluralistisch, weil es davon ausgeht, dass andere Überzeugungen keinen vergleichbaren Wahrheitsanspruch erheben können wie die katholische Kirche.

Kampfinstrument gegen die Moderne

Und damit droht aus dem Glauben an die Zusage Gottes, er werde seine Kirche zur Wahrheit führen, ein Wahrheitsanspruch zu entstehen, der zum Kampfinstrument gegen die Moderne wird. In dieser Form kann die Kirche ihn nur verlieren. Kein Land wird irgendwelche Scheidungs- oder Abtreibungsgesetze zurücknehmen, weil die katholischen Bischöfe protestieren.

Und die Kirche wäre in einer segmentierten Welt nicht mehr als eines der vielen Segmente, eine der Gruppen, Überzeugungen, die ihre jeweils absolute Wahrheit vertreten. Die Brüche und Widersprüche der Suchenden hätten keinen Platz mehr in ihr; sie wäre selber keine suchende Kirche mehr, keine Kirche für Andere; sie wäre eine für sich und ihre treuen Anhänger.

Dann würde an Strahlkraft verlieren, was nicht nur Katholiken an diesem Papst hoch schätzen sollten. Er stößt sich an der Blindheit der angeblich aufgeklärten Vernunft für die nichtmaterielle Dimension der Wahrheit, an der Herrschaft des Nächstliegenden.

Er ist skeptisch gegenüber allen innerweltlichen Heilsversprechen, gegenüber der Ökonomisierung aller Bereiche des Menschlichen, gegenüber den falschen Propheten der ewigen Gesundheit und des nicht nachlassenden Spaßes. Hier ist der Papst aus Traunstein erfrischend unmodern: den Fortschrittsoptimisten gestrig, den Neoliberalen sozialromantisch, den Gleichgültigen in seiner Frömmigkeit ein Ärgernis. Und damit ein Zeichen in der Zeit - wie einst Johannes XXIII. oder Johannes Paul II.

© SZ vom 14.04.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: