75 Jahre D-Day:Die Helden von einst

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Mit großem Aufwand feiern die Nationen den Jahrestag der Operation "Overlord". Doch die Welt der Freiheit, die 1944 erkämpft wurde, ist brüchig geworden.

Von Cord Aschenbrenner

Das Wetter an diesem 5. Juni war deutlich besser als 75 Jahre zuvor. Damals, in der Nacht vom 5. zum 6. Juni 1944, war ein Großteil der alliierten Truppen bei rauer See und Vollmond vom südenglischen Hafen Portsmouth aufgebrochen, um in den frühen Morgenstunden an den Stränden der Normandie an Land zu gehen. Mondschein war die Voraussetzung, um 24000 Männer der Luftlandetruppen schon in der Nacht im normannischen Hinterland absetzen zu können.

Die überwiegend amerikanischen, englischen und kanadischen Soldaten, die auf 7000 Schiffen und Landungsbooten auf die französische Küste zusteuerten, sollten von dort aus erst die Normandie, dann ganz Frankreich den deutschen Besatzern entreißen, anschließend Belgien und die Niederlande befreien. Das in jenen ersten Junitagen noch ferne Ziel der "Operation Overlord" schließlich war Deutschland, war Berlin, um die Schreckensherrschaft des Naziregimes auf dem Kontinent zu beenden und Millionen von geknechteten Europäern zu befreien.

Ein Dreivierteljahrhundert später versammelten sich in der Nähe der Hafenanlagen von Portsmouth einige der letzten Veteranen von damals sowie Staats- und Regierungschefs. Unter ihnen war auch, als Zeichen der Versöhnung und Freundschaft, Bundeskanzlerin Merkel. Sie gedachten des ein Menschenalter zurückliegenden D-Days am 6. Juni, welcher der Beginn einer wochenlangen mörderischen Schlacht um Frankreich war.

Allein an den beiden ersten Tagen der Invasion starben 10000 alliierte Soldaten an den Stränden zwischen der Seine-Mündung und der Halbinsel Cotentin. Auch fast 10000 Wehrmachtssoldaten kamen ums Leben - im Kampf mit den Gelandeten, zu denen auch einige Franzosen und Polen zählten, im Feuer der Schiffsgeschütze vom Ärmelkanal, durch Bomben amerikanischer und englischer Flugzeuge. 20000 französische Zivilisten starben in den folgenden Wochen bis zur endgültigen Befreiung.

300 mittlerweile uralte Ex-Soldaten standen im Mittelpunkt der trotz der Wirren der Brexit-Debatte mit großem Aufwand inszenierten Gedenkfeier in Portsmouth. Sie ließ die Geschichte der Landung in Filmausschnitten, Spielszenen, Musik und Militäraufmärschen auf einer Freilichtbühne Revue passieren. Auch eine sehr alte Zeitzeugin kam zu Wort: Queen Elizabeth II., die sich in ihrer Ansprache "mit Demut und Freude" bei den ehemaligen Soldaten bedankte. Die Kriegsgeneration, ihre eigene, sei "unverwüstlich", sagte die 93-jährige Königin.

Auch die britische Noch-Premierministerin Theresa May, Frankreichs Staatspräsident Macron, der kanadische Premier Trudeau und US-Präsident Trump sprachen in Portsmouth. So bedankte sich Emmanuel Macron bei den Veteranen für die Befreiung seines Landes, während Trump ein Gebet vorlas, dass sein Vorgänger Franklin D. Roosevelt am Vorabend des D-Days an die amerikanischen Soldaten gerichtet hatte.

Wer befürchtet hatte, Trump werde auch an dieser Stelle seiner Gepflogenheit folgen, sich so unangemessen wie möglich zu verhalten, sah sich erleichtert getäuscht. Auch am nächsten Tag, als der amerikanische und der französische Präsident in dem normannischen Küstenort Colleville-sur-Mer gemeinsam der amerikanischen Gefallenen gedachten, gelang es Trump, auf seine üblichen Taktlosigkeiten weitgehend zu verzichten. "Amerika ist niemals größer, lieber Präsident Trump, als wenn es für die Freiheit anderer kämpft", sagte Macron in seiner Rede. Der "Deals" schätzende Nationalist und Isolationalist Trump, dem die transatlantische Partnerschaft und gemeinsame Werte offenkundig egal sind, war vielleicht doch beeindruckt.

Das Gedenken in Portsmouth hatte das Ende eines dreitägigen Staatsbesuchs des US-Präsidenten in Großbritannien markiert. Trump ließ ihm Beleidigungen des Londoner Bürgermeisters Sadiq Khan und Herzogin Meghans, der Ehefrau Prinz Harrys, vorausgehen. Es folgten diplomatische Stillosigkeiten wie Trumps Empfehlungen für künftige Hausherren von 10 Downing Street als Nachfolger der von ihm verachteten Theresa May. Überlagert war der Besuch von der infantil wirkenden Freude des Präsidenten und seiner Familie über den Empfang in Buckingham Palace - bei einer richtigen Königin. Dort, beim Staatsbankett, erinnerte die Queen Trump an die internationalen Institutionen, die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen worden waren - von Europäern und Amerikanern, von den westlichen Demokratien, gemeinsam.

Cord Aschenbrenner ist SZ-Autor.

© SZ vom 01.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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