Saarland-Wahl:Unheilige Allianz

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Peter Müller und Oskar Lafontaine - gegen dieses Duo konnte SPD-Mann Maas nicht gewinnen

Von Detlef Esslinger

Vier Wochen lang hat Heiko Maas sich zurückgehalten, seinen Ärger nur angedeutet. Das wäre ja auch so ziemlich das Letzte gewesen, was er in diesem Wahlkampf noch gebraucht hätte: einen offenen Schlagabtausch mit Oskar Lafontaine, dem vorgeblichen Helfer.

Jetzt aber sind die Wahllokale noch nicht einmal eine halbe Stunde geschlossen, jetzt muss der Spitzenkandidat der SPD keine Rücksicht mehr nehmen. Er steht im ARD-Wahlstudio, und als das Thema Lafontaine zur Sprache kommt, klingt seine Stimme auch nicht mehr belegt wie bei den ersten Sätzen.

Mit dem Anschein von Entschiedenheit sagt Heiko Maas, Oskar Lafontaine müsse nun entscheiden, ob er sich künftig innerhalb oder außerhalb der SPD engagieren will. "Auf der Basis einer Drohung mit einer neuen Linkspartei wird es eine Zusammenarbeit mit mir nicht mehr geben."

Dass der Mann ihrer Kampagne sozusagen den Rest gegeben hat, mit seiner Rücktrittsforderung an Gerhard Schröder im Spiegel-Interview und dem Auftritt bei der Anti-Hartz-Demonstration in Leipzig, darin sind sich alle Sozialdemokraten einig.

Cornelia Hoffmann-Bethscheider, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende, zeigt auf den Bildschirm, wo gerade die Umfrage dazu gezeigt wird. 67 Prozent der Befragten gaben an, dass Lafontaine seiner Partei geschadet habe, 47 Prozent vermuteten ausschließlich selbstsüchtige Motive bei ihm.

Eugen Roth, der DGB-Vorsitzende an der Saar und stellvertretende SPD-Landesvorsitzende, ist eigentlich ein langjähriger Bewunderer Lafontaines. Er sagt: "Bestimmte Einsätze, die Oskar gefahren hat, haben eher zur Verwirrung beigetragen."

Es ist ein ganz anderer Wahlabend als vor fünf Jahren, als die Regierungsmacht von der SPD zur CDU wechselte. Damals stand es lange Spitz auf Knopf, und Peter Müller, der damalige CDU-Oppositionsführer, war noch als Wahlverlierer zu Hause losgefahren, bei der Ankunft am Landtag aber über seinen Sieg informiert worden, von einem Mitarbeiter der PDS übrigens.

Diesmal hingegen ist es so, dass der SPD-Politiker Roth an der Balustrade des ARD-Wahlstudios auf seinen Einsatz wartet, zusammen mit dem Fraktionschef der CDU, Peter Hans. Die beiden sollen um 18 Uhr, unmittelbar nach der Prognose, eine erste Bewertung abgeben - aber sie kennen die Prognose, die um 17 Uhr ermittelt wurde, natürlich längst.

Roth ist mit einem Spickzettel gekommen, darauf steht "Bittere Niederlage" ganz oben. Er fragt den Konkurrenten Hans: "Darf man gratulieren?", um zehn vor sechs.

Peter Müller kommt kurz nach halb sieben. Heiko Maas hat gerade seinen Auftritt im ARD-Studio absolviert und wird von seinen Helfern nach draußen geschoben - genau in dem Augenblick, in dem der Müller-Pulk an derselben Stelle vorbei will.

Die beiden Knäuel verhaken sich ineinander, Müller und Maas sind vielleicht einen Meter voneinander entfernt, aber sollte Maas erwogen haben, dem Sieger nun zu gratulieren - in diesem Gewühle lässt man so etwas lieber sein.

So heftig ist das Schieben und Treten, dass man einen Augenblick fürchten muss, Müller könnte hier zu Boden gehen, seine Miene hellt sich erst auf, als er den sicheren Studiotisch erreicht hat: "Was ich da draußen jetzt erlebt habe, lässt mich zu der Überlegung kommen, den Benimm-Unterricht, den wir an den Schulen eingeführt haben, auch für Fotografen und Kameraleute zu machen."

Es ist ein "stolzer Tag" für ihn und die Saar-CDU, wie er sagt. Der Landesverband hat seine absolute Mehrheit ausgebaut - in einem Parlament, dem künftig vier statt zwei Parteien angehören werden.

Und er hat Stimmen gewonnen, während die Bundes-CDU "mit einer stark zurückgehenden Zustimmungsquote" konfrontiert ist. Dies ist Müllers Tag, und diese Feststellung mag er sich so wenig nehmen lassen wie einen Angriff auf Oskar Lafontaine, den Mann, mit dem ihn seit Jahren nichts als wechselseitige Abneigung verbindet.

Wer so polemisch die Fakten verdrehe, sagt Müller, "der darf sich nicht wundern, wenn er den Radikalen die Hasen in die Scheune treibt". Er spielt damit weniger auf jene "Familienpartei" an, die sich um einen Kinderarzt aus St. Ingbert gruppiert und die 3 Prozent erhalten hat.

Nach deren Wesen befragt, sagt selbst Innenministerin Annegret Kramp-Karrenbauer nur: "Keine Ahnung." Müller meint vor allem den Erfolg von PDS und NPD, die Gleichsetzung scheut er nicht. Wo Lafontaine sich an diesem Abend aufhält, können einem die Sozialdemokraten übrigens nicht sagen. Er hat per Brief gewählt.

© SZ vom 6.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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