Krieg im Gaza-Streifen:Mit "eiserner Hand": Hamas-Führer getötet

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An Waffenstillstand ist nicht zu denken: Israel kämpft weiterhin mit aller Entschlossenheit gegen die Hamas. Mit einem gezielten Luftangriff wurde Hamas-Führer Nisar Rian und dessen Familie getötet. Das Land bereitet sich darauf vor, in den Gaza-Streifen einzumarschieren.

Erfolg für das israelische Militär: Bei einem israelischen Luftangriff im Gaza-Streifen ist eine Schlüsselfigur der radikal-islamischen Hamas gemeinsam mit seiner Frau und acht Kindern getötet worden. Das Krankenhaus in Dschebalia bestätigte am Donnerstag, Nisar Rian und seine Familie seien ums Leben gekommen.

Rauchwolken und Zerstörung: Seit Tagen herrscht im Gaza-Streifen Krieg. (Foto: Foto: Reuters)

Rian gehörte zum inneren Führungskreis der Hamas und war der Verbindungsmann zwischen dem militanten und dem politischen Flügel.

Eine israelische Armeesprecherin bestätigte auf Anfrage, dass der Raketenangriff Rian gegolten habe. Dieser sei in eine Reihe von Anschlägen gegen israelische Zivilisten verwickelt gewesen und habe beispielsweise seinen eigenen Sohn im Jahr 2002 zu einem Selbstmordanschlag in die ehemalige Siedlung Elei Sinai im Gazastreifen abkommandiert. Bei einem zweifachen Selbstmordanschlag in der israelischen Hafenstadt waren am 14. März 2004 insgesamt elf Menschen getötet worden.

Das Haus, in dem sich Rian aufhielt, wurde bei dem Luftangriff schwer beschädigt. Sowohl das Dach als auch die Fassade wurden weggesprengt.

Solche gezielten Aktionen gehören zur Strategie der israelischen Militärs. Schon bald aber könnte es zum großen Schlag kommen, der die Gewalt in Gaza weiter steigern dürfte.

Die von Frankreich geforderte Waffenpause im Gazastreifen lehnt Israel ab. "Es gibt keine humanitäre Krise im Gazastreifen, und deshalb ist eine Waffenpause für Hilfslieferungen nicht notwendig", sagte die israelische Außenministerin Zipi Livni. Ihr Land habe bereits für umfangreiche Hilfen gesorgt und werde diese noch aufstocken.

"Sarkozy versteht die Lage"

Livni weilte am Donnerstag in Paris und besprach sich mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Danach sagte sie: "Sarkozy versteht die Lage". Israel verfolge eine "Doppelstrategie", indem man einerseits die gemäßigten Palästinenser unterstütze und andererseits die extremistische Hamas militärisch bekämpfe. "Schon jetzt haben wir Veränderungen bewirkt", so die Außenministerin.

Sarkozy will am Montag zu weiteren Vermittlungsbemühungen in den Nahen Osten reisen. Die Reise ist nach Angaben des Élysées eng mit dem tschechischen Premierminister Mirek Topolanek abgestimmt, der nun von Sarkozy turnusgemäß den EU-Ratsvorsitz übernommen hat. Sarkozy will zunächst in Kairo mit dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak sprechen, der nach französischen Vorstellungen bei der Vermittlung zwischen Israel und den Palästinensern wieder eine größere Rolle spielen soll.

Israel kündigte unterdessen einen unerbittlichen Kampf gegen die Hamas an. "Wir werden gegen die Hamas mit eiserner Hand vorgehen", erklärte Ministerpräsident Ehud Olmert.

Trotz internationaler Appelle für eine Feuerpause bereitet sich das israelische Militär einem Zeitungsbericht zufolge auf eine massive Bodenoffensive im Gaza-Streifen vor. Wie die Tageszeitung Haaretz am Donnerstag berichtete, sprach sich die israelische Armeeführung für einen heftigen und kurzen Einsatz in dem von der radikal-islamischen Hamas kontrollierten Küstengebiet aus. Israels Ministerpräsident Ehud Olmert soll den Vorschlag befürworten.

Am Rande des Gaza-Streifens warten Rundfunkangaben zufolge zahlreiche Bodentruppen auf den Einmarschbefehl. Der israelische Sender meldete am Donnerstagmorgen, mehrere tausend Soldaten seien in Bereitschaft, darunter viele Reservisten.

Wenige hundert Meter entfernt warteten Kämpfer der Hamas in Schützengräben auf eine Offensive. Die palästinensischen Extremisten haben angekündigt, im Falle eines Einmarschs mit einem breit angelegten Netz aus Sprengfallen und Minen der israelischen Armee hohe Verluste zufügen zu wollen.

Derweil setzte Israel seine Luftangriffe auf Ziele der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen nach einem Bericht des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira auch in der Neujahrsnacht fort. Eine Korrespondentin des Senders berichtete aus Jerusalem unter Berufung auf Informanten in Gaza, bei den Angriffen seien mehrere Palästinenser ums Leben gekommen.

UN-Sicherheitsrat kam erneut zu Dringlichkeitssitzung zusammen

Der UN-Sicherheitsrat rief Israel und die Hamas in den letzten Stunden des alten Jahres noch einmal eindringlich zur Waffenruhe auf. Das Gremium war auf Verlangen der arabischen Staaten am Mittwochabend (Ortszeit) in New York erneut zu einer Dringlichkeitssitzung in New York zusammengetreten. Libyen als einziges arabisches Land im Sicherheitsrat stellte den Entwurf für eine völkerrechtlich bindende Resolution vor. Zur Verabschiedung kam es aber aus zeitlichen Gründen nicht mehr: Mit dem Jahreswechsel gehen fünf der 15 Ratssitze an andere Länder.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte sich zutiefst besorgt, dass beide Seiten den Ruf der internationalen Gemeinschaft nach einem sofortigen Ende der gegenseitigen Angriffe bisher ignoriert haben. Er drängte die Konfliktparteien, umgehend "vom Abgrund zurückzutreten". Ban sagte, er verurteile das Verhalten beider Seiten "gleichermaßen auf das Schärfste".

Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin forderte, dass Hilfslieferungen für die notleidende Bevölkerung im Gaza-Sreifen von Israel ohne Einschränkung zugelassen werden müssten. Sein US-Kollege Zalmay Khalilzad bedauerte den Verlust von Menschenleben und die Verschlimmerung der humanitären Lage in Gaza, hielt aber dagegen: "Wir haben bisher noch keine Anzeichen dafür, dass die Hamas bereit ist, ihre Raketenangriffe (auf Süd-Israel) einzustellen."

Nach palästinensischen Angaben starben bei der am Samstag begonnenen Militäroffensive Israels bislang mindestens 400 Palästinenser, etwa 2000 wurden verletzt. Nach Angaben eines Sprechers des UN-Hilfswerkes für Palästinaflüchtlinge (UNRWA) handelt es sich bei mindestens jedem vierten getöteten Palästinenser um einen Zivilisten.

Bei mehr als 250 Raketenangriffen aus dem Gaza-Streifen sind in Israel nach Armeeangaben bislang vier Personen getötet worden. Allein am Mittwoch schlugen nach Armeeangaben mehr als 60 Raketen auf israelischem Boden ein. Weil die Reichweite der Raketen immer größer wird, sind nach Angaben von Polizeisprecher Micky Rosenfeld rund eine Million Menschen durch den Beschuss gefährdet.

Unterdessen stellte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die direkten bilateralen Verhandlungen mit der israelischen Regierung infrage. In einer vorab aufgezeichneten TV-Ansprache zum 44. Gründungstag seiner Fatah-Bewegung sagte Abbas am Mittwoch: "Wir werden nicht zögern, (diese Verhandlungen) auszusetzen, wenn sie unsere unveräußerlichen Rechte gefährden oder zum Deckmantel für eine Aggression werden."

© dpa/Reuters/beu/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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