Erdogan-Besuch:Im Kreislauf der Vorwürfe

Mit der Türkei geht es kaum noch, ohne sie aber auch nicht.

Von Mike Szymanski

Nach drei Besuchstagen durch den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan ist das deutsch-türkische Verhältnis auch kein besseres geworden. So nüchtern fällt die Bilanz eines Treffens aus, das eigentlich zum Neuanfang in der Beziehung beider Länder hätte führen können. Beide Seiten schaffen es einfach nicht, das Trennende zu überwinden. Wie auch: Es liegt mittlerweile in der Person Erdoğan begründet.

Seine Kritik an Deutschland wird inzwischen in einer Endlosschleife vorgespielt. Deutschland biete Terroristen Unterschlupf und habe ein Rassismus-Problem. Kein Auftritt ohne Vorwürfe. Kein Wunder also, dass Erdoğans Besuch als Last und nicht als Freude empfunden wird. Er verbittet sich die Einmischung ins türkische Justizsystem, oder besser, was davon übrig geblieben ist. Dabei führt er sich sogar in Deutschland als oberster Ankläger und Richter auf. Das zeigte schon der bizarre Streit um den Journalisten Can Dündar, der Erdoğan provozierte, weil er in Deutschland im Exil lebt. Dabei hätte es bei diesem Treffen so viel Wichtigeres zu beraten gegeben.

Berlin bleibt nichts weiter übrig, als auch künftig jedes politische oder ökonomische Entgegenkommen abzuwägen. Nach wie vor gilt der Beziehungs-Grundsatz: Mit der Türkei geht es kaum, aber ohne sie geht es nicht.

© SZ vom 01.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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