Zum letzten Mal Anke Late Night:Verderben von Anfang an

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Heute Abend wird für sehr lange Zeit eine letzte so genannte Late Night Show zu sehen sein - und Gründe dafür gibt es viele.

Von Christopher Keil

Als Anke Engelke vor ihrer ersten Late-Night-Folge den Ernstfall probte, probten ihre Bewunderer den Kniefall. Jedenfalls hockte nach der letzten Studioübung im so genannten Vip-Raum ein beglückter Journalist in gebückter Haltung zu ihren Füßen. Sie thronte an der Seite ihres Bassisten, ihres Lebensgefährten also.

Aus sicherer Entfernung verfolgte die restliche Kritikergruppe die kleine Episode. Man tauschte damals Marktanteilserwartungen aus und diskutierte über Humor, weil ja doch nur wenige restlos begeistert von dem waren, was sie kurz zuvor gesehen hatten.

Trotzdem waren sich alle einig darin, dass Sat 1, vertreten durch den Geschäftsführer Roger Schawinski, unumstößlich zu Engelke halten werde. Wie sich zeigte, war das eine falsche Einschätzung. Es ist inzwischen auch völlig unerheblich, wer zuerst aufgegeben hat: der Sender, die Künstlerin, das Publikum? Und keine Rolle spielt, was Engelke besonders gut (Interviews?), was sie besonders schlecht (Stand Up Comedy?) gemacht hat. Sie bleibt, was sie war: Eine herausragend vielseitige deutsche Fernsehkünstlerin. Sie kann singen, schauspielern, Gespräche führen, Witze spielen.

Late Night konnte sie leider nicht, jedenfalls nicht in der Form, die Harald Schmidt auf seine Weise entwickelt hat. Schmidt war Engelkes Verderben von Anfang an. Der Quotendruck ihres Arbeitgebers war ihr Verderben. Die Produktionsgesellschaft Brainpool war ihr Verderben, aber unschuldig ist Anke Engelke nicht. Sie hat ausschließlich Brainpool vertraut.

Auch Harald Schmidt hatte mit Brainpool begonnen. Erst nachdem er sich trennte, wurde die Show zu der Harald Schmidt Show. Hätte Engelke von Schmidt lernen können? Bestimmt hätte man ihr eine andere, eigene Anke Engelke Show basteln können. Erfolgreicher wäre sie vermutlich nicht gewesen. Schmidt brauchte Jahre, die Menschen brauchten Jahre, um sich an ihn zu gewöhnen. Und Zeit, das bleibt übrig, will kein privater oder öffentlich-rechtlicher TV-Veranstalter mehr investieren.

Und so wird heute Abend für sehr lange eine letzte so genannte Late Night Show zu sehen sein. Welcher Kanal würde jetzt und mit wem einen dritten Versuch wagen? Schmidt, der könnte es sofort wieder. Aber der urlaubt, und wann er zurückkehrt und was er dann anstellt, weiß er wohl selbst noch nicht.

Und so ist die ProSiebenSat.1 Media AG schuldig, im Sinne der Anklage. Die Renditepolitik des Hauptaktionärs hat Unterhaltungskultur vernichtet. Man darf annehmen, dass die Konkurrenten es genau so gehalten hätten. Vielleicht muss man Engelke am Ende tatsächlich bewundern: dafür, dass sie fünf Monate durchgehalten hat.

© SZ vom 21.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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