Zum Jahr des Schweins:Die arme Sau - zwischen Bratpfanne und Genlabor

Lesezeit: 10 min

Sie wird ausgeschlachtet, wird prämiert und zum Leuchten gebracht - doch ihr größtes Unglück bleibt: Sie schmeckt.

Von Karin Steinberger

Von Zuchering nach Utrecht, im Februar - Warum nicht gleich bei Walter Hermanns anfangen, dort, wo die Sache ein wenig unappetitlich wird. Auf dem Seziertisch, weit unten in der Pathologie der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Mitten im Gedärm eines kleinen, männlichen Schweines.

Registrierte Schweine, die geschlachtet werden sollen. (Foto: Foto: dpa)

Zierlich ist das Tier, 19 Kilo, bläuliche Ohren, am Vortag verendet. Steif und rosa liegt es auf dem Tisch, Mitarbeiter nehmen es mit lautlosen Schnitten auseinander, legen es aus wie ein Kunstwerk. Zunge-Luftröhre-Lunge-Herz. Der Magen-Darm-Geschlechtsapparat liegt da wie hingemalt. Daneben Leber und Nieren.

Hinter dem Darm glotzt der abgetrennte Kopf in den Gulli, in dem langsam klebrig-rote Flüssigkeit versickert. Rüssel und Augenlider sind aufgeschnitten, das Hirn entfernt. Hier werden sie ausgebildet, die Tierärzte der Zukunft.

Schön ist das nicht. Aber man kennt es. Es sieht fast aus wie beim Metzger.

Blut, Kopf und Zunge kommen in die Blutwurst, aus Schwarten und Füßen macht man Haussulz. Schweinenieren und Schweineleber kann man auf Bärlauchrisotto mit Rotweinschlarlottenbutter servieren, Bäckchen und Zunge in klarer Metzelsuppe.

Schweinshaxen, Schweinebraten. Kein Tier vergleichbarer Größe ist so fruchtbar und schnellwüchsig wie das Schwein. Das ist sein Verhängnis.

940 Millionen von ihnen leben auf der Erde. Sie fressen alles, auch das, was der Mensch isst. Das war von Anfang an ein Problem. Dann fing der Mensch an, auch das Schwein zu essen. So nahe war man sich dann doch nicht. Ein Ferkel ist zwar niedlich, aber ein ausgewachsener Eber nicht. Schweine haben Charakter, aber sie schreien und stinken.

Aber das Schlimmste für das Schwein ist: Es schmeckt.

Walter Hermanns, Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie, sagt, für ihn ist das Schwein auch innen ästhetisch. "Es ist nicht das befürchtete Chaos, das alle erwarten. Da ist alles schön geordnet, dem Menschen sehr ähnlich."

Kürzlich wollte eine Künstlerin von ihm eine Schweinehaut. Sie hat daraus ein großes Sparschwein gemacht. "Wer's mag", sagt er und verabschiedet sich in die Vorlesung.

So ist das. Jedes Schwein ein Wunderwerk. Jedes ein Leckerbissen. 50 Millionen werden im Jahr in Deutschland geschlachtet. Kein Tier wird so exzessiv genutzt. Und keines so gut versteckt. In der Landschaft stehen Schafe herum und Kühe. Aber wo ist das Schwein?

Josef Angermeier steht in der Donauhalle Ingolstadt-Zuchering, ein kompakter, runder Mann. Unter seinem graugestreiften Anzug trägt er ein schweinchenrosa Hemd. Es könnte Zufall sein.

Geschlachtete Schweine auf der Stange (Foto: Foto: ddp)

Vor ihm liegt ein Eber, den Rücken kahlrasiert, die mächtigen Hinterschinken mit glänzenden Ölen eingerieben, die Hoden prall wie Bälle. Das Tier liegt im Stroh wie ein Protz, lässt sich begaffen, die Koteletts spannen am Rücken, der Schinken glänzt feist und ölig, die Schulterpartie sieht aus wie gepolstert. Ungerührt liegt er da. Nummer 17. Ein gigantischer Berg Fleisch.

Züchter Manfred Reif steht neben dem Tier, Stock in der Hand, Stolz im Gesicht. Er und seine Eber sind preisgekrönt. Kein Tier, bei dem er nicht aus dem Stand die Verwandtschaftsverhältnisse aus dem Herdbuch über Generationen hin aufsagen könnte.

Wer die Abstammungsgitter nicht im Kopf hat, riskiert Inzucht. Nummer 17 ist ein Sohn von Rocco, der Vater des Vaters hieß Rexan, der Urgroßvater Rex. Mütterlicherseits Monak, Monaco, Musk, Muskat. Ein Tier wie aus dem Bilderbuch. Exterieur neun. Wertklasse I. Fleischanteil 72 Prozent. Ein "Piétrain", reinerbig, stressstabil, bestes Fundament.

So sieht es also aus, das perfekte männliche Schwein.

Es ist Galaschweinemarkt in Zuchering bei Ingolstadt. 35 Eber und 52 Sauen werden versteigert.

"Das Beste, was wir momentan an verkehrsfähigen Ebern und Sauen zu bieten haben", sagt Josef Angermeier, zuständig für Schweinezucht im Amt für Landwirtschaft und Forsten in Pfaffenhofen. Gleich ist Versteigerung.

Erst die Eber, dann die Sauen. Angermeier geht zum Mikrofon, grüßt die Anwesenden. Dann kommen die schwarz-gefleckten Eber, vollfleischige Piétrain-Tiere. Angermeier nennt sie die "Pi-Spitze". Jeder wird einzeln vorgeführt, von Scheinwerferspots verfolgt. Bei besonders schönen Tieren entfährt Angermeier ein leises Stöhnen.

Jeder Eber hat seine Show, jeder seine Geschichte. Angermeier sagt ein paar Worte über den Züchter, die Vorfahren, die tägliche Gewichtszunahme, das Fundament. Er schwärmt vom guten Seitenbild, von den wunderbaren Klauen, von langen, trockenen Körpern, von schönen Köpfen und super Papieren.

Aber der Preis, sagt Angermeier, hänge dann doch davon ab, wie sich das Tier in der Arena präsentiere. Wenn da ein Eber müde herumlungere, sei das nicht hilfreich. Angermeier sagt: "Bei einem perfekten Eber muss alles in Harmonie sein. Am besten wäre es, wenn er auch noch läuft wie ein Reh." Er kichert.

Es ist dann doch eher ein Schweinsgalopp. Mit Schaum vorm Maul laufen die Eber herum. Als wüssten sie, was von einem "Spitzenvererber" zu erwarten ist.

3500 Euro bringt Nummer 17, das teuerste Tier an diesem Tag. In drei Wochen wird der neue Besitzer ihn das erste Mal eine Sau decken lassen. Eine gut rauschende Sau, passende Größe. Auf einem hoffentlich trittsicheren, rutschfesten und ausreichend belichteten Deckplatz.

So fängt es an. Ein Leben für die Besamung.

"Die Männer müssen die Schönheit mitbringen, die Weibchen die Menge", sagt Angermeier, gluckst wieder vor sich hin. Es geht um die Ferkelmenge. Im Durchschnitt zehn pro Wurf. Zwei Würfe im Jahr.

Beim vierten Wurf erreicht die Sau ihren Produktionshöhepunkt. "Dann lässt die Natur nach, Zitzen gehen kaputt", sagt Angermeier. So ist das. Und Sauen, die nicht mehr genug lebensfähige Ferkel werfen, sind nicht mehr rentabel.

Lange überlebt das kein Schwein.

Draußen in der Gaststube der Donauhalle essen die ersten Schweinebraten mit Knödel. 54,5 Kilogramm Schweinefleisch hat der Deutsche durchschnittlich im Jahr 2006 gegessen.

1988 hatte man den Höchstwert von 62 Kilogramm erreicht. Dann geht Angermeier einen Schweinsbraten essen. Er hat gerade gehört, dass an diesem Sonntag das Jahr des Schweins beginnt im chinesischen Kalender: "Na und, die meisten wissen trotzdem nichts von uns und nichts vom Schwein."

In Moskau fanden letztes Jahr die dritten Olympischen Spiele der Schweine statt. "Olympigs". Ferkel aus sieben Ländern traten in drei Disziplinen an: Wettrennen, Wettschwimmen und "Pigball". In China wurde ein Schwein gezeigt, das 900 Kilogramm wog. In Thailand werden Wettkämpfe veranstaltet, bei denen ein 50 Kilo schweres, eingeöltes Schwein eine Minute lang getragen werden muss. Wer es schafft, bekommt das Tier.

Auch das ist das Schwein. Eine Lachnummer.

"Schweine sind vor allem Bratpfannenaspiranten", sagt Karl Heinritzi. Auf seiner Visitenkarte steht: Prof. Dr. Dr. habil. Karl Heinritzi. Klinik für Schweine. Auf der Webpage der Klinik kann man lesen: "Eine Einsendung toter Tiere per Post ist nicht sinnvoll." Es riecht süßlich bei ihm in Oberschleißheim. Er ist umwabert vom Geruch seiner Patienten.

Heinritzi ist Leiter des Lehrstuhls für Krankheiten des Schweins an der LMU. Er interessiert sich für den Schmerz der Schweine. Spürt das Tier die Kastration? Wie viel vom Stresshormon Cortisol wird ausgeschüttet? Man dürfe sich vom Geschrei nicht täuschen lassen, sagt Heinritzi. "Ein Schwein, das nicht schreit, ist krank." Schreien ist ihre Waffe.

Heinritzi sagt: "Sie dürfen ein Schwein gebrauchen, sogar verbrauchen, aber niemals missbrauchen." Auch ein Hund sei ein Nutztier. Er werde emotional benutzt.

Aber zwei Dinge könne er nicht ertragen. Zum einen die Sache mit den Minipigs. Schweine, wie Hunde gehalten. Minipigs werden in der Klinik nicht angenommen. "Die kommen dann zum Fettabsaugen, weil der Bauch am Boden hängt. Das ist jetzt Mode, schwappt von Amerika rüber."

Er hält sich die Kundschaft vom Leib mit der Mitteilung, dass aus seiner Klinik kein Tier lebend herauskommt.

Die zweite Sache, die Heinritzi nicht ertragen kann, ist die Sache mit den Kosten. 1960 konnte man für den Preis von einem Kotelett noch vier Kinokarten kaufen. 2000 noch eine.

Die Menschen wollen ein Ei jeden Tag, aber keine Legebatterien. Sie wollen ein Kotelett jeden Tag, aber keine Massentierhaltung. "Man will alles, aber über das Wie und Woher will man nichts wissen." Er hat gelesen, dass Schweinefleisch im Supermarkt billiger ist als gutes Katzenfutter.

Dann geht er hinunter und schaut sich die neue Kundschaft an. In blauen Rollwägelchen stehen ein paar Schweine herum, Nummern am Rücken. Der Bauer steht neben ihnen, die Schuhe verschmiert, Dreck unter den Fingernägeln.

Heinritzi diktiert: Nummer 107, Ohren hängend, Rücken rund, Haut blass, Untergestell durchtrittig, Ernährungszustand mäßig, multiple Rötungen an Oberschinken, Unterbauch und Ohren, erster Herzton rollend, bronchial verschärft, geringe Tränenflüssigkeit, starker Nasenausfluss.

"Dem geht's ganz mies", sagt Heinritzi, schiebt die Sau weg, holt die nächste, fingert an den Gelenken herum, das Schwein schreit. Der Bauer steht da. Heinritzi tastet das Hinterteil von Nummer 106 ab.

"Das sind ja furchtbare Kastrationswunden. Wenn meine Damen kastrieren, ist da gar nichts", sagt er. Das Schwein zittert, Heinritzi macht weiter, pult im After von Nummer 111 mit einem Stäbchen, ganz schwarz ist der Abstrich, Blut im Kot. Das Schwein ist aufgebläht. 108 hat Fieber und ein Gluckern in der Lunge. 110 feuchten Husten.

Der Bauer sagt: "Das waren so schöne Ferkel, und dann brechen's plötzlich zamm." Heinritzi sagt: "Jedes Tier hat ein Anrecht auf mehrere Krankheiten."

Karl Heinritzi kam von den Rindern zum Schwein. Das Schwein sei lange ein Stiefkind der Tiermedizin gewesen, sicher auch deswegen, weil es nicht so gesellschaftsfähig ist wie ein Pferd, sagt Heinritzi.

"Aber schlauer als so ein Pferd. Mit Reiter springt es über jedes Hindernis, aber in der Koppel schaut es den Zaun an. Ein Schwein macht immer das Gegenteil von dem, was man will. Ein Schwein lässt sich da lieber umbringen."

Nicht weit von Heinritzis Schweineklinik sitzt Eckhard Wolf, Molekularbiologe und Biotechniker. Auch für Wolf ist das Schwein ein Nutztier. Ein Nutztier für Erkenntnisgewinn.

Wolf arbeitet am idealen Organspender: am gentechnisch manipulierten, transgenen Schwein. Hinten im Stall des Versuchsguts der LMU stehen Ferkel, die im Blaulicht grünlich schimmern.

Sie tragen das EGFP-Gen, um als transgene Ferkel erkannt zu werden. Eine Doktorandin arbeitet an Schweinemodellen für die Diabetesforschung. Das Schwein boomt. Wolf sagt, auch, weil das Genom des Schweins bald vollständig dekodiert ist.

Es hat so viele Vorzüge, das Schwein. Es ist einfach zu züchten, lebt länger als das Versuchstier Maus, man kann ihm im Minutentakt Blut abnehmen. Und es ist dem Menschen sehr ähnlich. Wolf glaubt, dass man in vier Jahren so weit sein wird mit der Xenotransplantation.

Schweine-Herzklappen werden schon jetzt bei Menschen eingesetzt. Problem ist, dass Schweinezellen vom menschlichen Organismus hyperaktiv abgestoßen werden. Daran arbeiten sie.

Das Schwein muss genetisch verändert werden. Herzen solcher Schweine überleben in Affen deutlich länger als die genetisch unveränderten. Wolfs Tiere bilden menschliche Eiweiße, die Zellen durch Zelltod töten. Ein eingebautes Selbstmordprogramm.

Die Sau als Organersatzteillager. Für Wolf ist alles möglich.

Und dann, weil er sie kennt, die Tierschützer, sagt er noch, dass es bei aller Forschung immer um eine Abwägung gehe, ob die Schmerzen des Tieres im Verhältnis zum Erkenntnisgewinn stehen. "Meist nähern wir uns dem Schwein ohnehin von der kulinarischen Seite."

Ein paar Tausend Versuchstiere gegen 50 Millionen Schlachttiere.

Es war Greger Larson von der University of Oxford, der 2005 in der Zeitschrift Science beschrieb, wie sich die Wildschweine von den südostasiatischen Inseln aus nach Asien und Europa ausgebreitet haben und wie sie vor 9000 Jahren dann das erste Mal gezähmt wurden. Eingefangen, als Haustier gehalten.

So fing sie an, die Mensch-Schwein-Beziehung.

Das Schwein lebte vom Abfall des Menschen - und der Mensch vom Schwein. Weltweit begann die Domestizierung, das Wildschwein wurde zum Hausschwein. Kurzbeiniger, fetter, träger. Je länger das Schwein mit dem Menschen zu tun hatte, umso mehr schrumpfte sein Hirn.

Die Gehirnmasse reduzierte sich um ein Drittel. Hungersnot, Krieg - das Schwein litt mit. Nach dem Dreißigjährigen Krieg ging es bergauf. Es gab mehr Essen, mehr Abfälle, mehr Geld. Und es gab immer öfter Leute, die sich Fleisch leisteten konnten. Ende des 19. Jahrhunderts kam das Schwein in den Stall.

So gesehen war der Aufstieg des Schweins auch sein Abstieg.

Das Fettschwein wurde zum Fleischschwein umgezüchtet. Es war der Anfang der Schnitzelära, der Aufstieg der veredelten "Deutschen Landrasse".

Es wurden Spaltenböden eingeführt, industrielles Schweinefutter, Abferkelbuchten, Herdenmanagement. Immer mehr Tiere wurden auf immer kleinerem Raum immer schneller gemästet. Jedes Mastschwein 0,7 Quadratmeter. Für die Ferkel fing das große Fressen an.

Sieben Monate dauert es, um aus Ferkelmaterial Schlachtkörper zu machen. Sieben Monate, um von 0 auf 110 Kilogramm zu kommen.

Aus drei Kilo Futter wird ein Kilo Schwein. Mehr muss man nicht wissen.

Es gab kein Suhlen mehr, keine Eichelmast. Die gestressten, gelangweilten Tiere fingen an, sich in der Enge Schwänze und Ohren abzubeißen. Also kupierte man ihnen die Schwänze. Neue Krankheiten zogen durch die Ställe, neue Medikamente wurden dem Futter beigemischt.

"Die Tendenz ging hin zum industriegerechten Einheitsschwein", sagt Rudolf Bühler. Dann holt er einen Text aus dem Jahr 1982 aus seinem Schweinearchiv. Titel: "Das Schwäbisch-Hällische Schwein - eine ausgestorbene Schweinerasse."

Bühler geht in seinen Stall, klopft einer Sau auf den Rücken. Sie hat ein schwarzes Hinterteil und einen schwarzen Kopf. Von wegen ausgestorben. Sie haben es gerettet, das Schwäbisch-Hällische. Hier in Wolpertshausen.

Ein bisschen aus Trotz, vielleicht auch, weil ihnen das magere Fleisch der hochgezüchteten Einheitsschweine nicht passte. Fleisch, für das die Bezeichnung PSE erfunden wurde. Pale, soft, exudative. Hell, weich, wässrig.

Ein säftelndes Zeug, das sich beim Braten zusammenzieht. In Wolpertshausen haben sie ihre fetten, alten Schweine behalten. Sie wurden verlacht, weil sie die schwarzen Biester nicht hergeben wollten, Tiere, so eigenwillig wie die Halter.

Als sie den Restbestand ihrer Rasse zählten, waren noch sechs Sauen da. Bühler ist ein Mann, der einen Hut mit sich herumträgt und die Gewissheit, etwas erreicht zu haben. Er habe schon im Studium viel Unsinn gehört, sagt er.

Was haben sie nicht alles erfunden. In der amerikanischen Purdue University forschen sie an einer Schweine-Diät, um den Gestank der Tiere zu verringern. In Japan hat der Forscher Akira Iritani ein Spinat-Gen in die befruchtete Eizelle eines Schweines gepflanzt und dem Muttertier eingesetzt.

Das Spinat-Schweine-Fleisch soll gesünder sein. Im Forschungsinstitut in Dummerstorf wurde eine "Notrufsäule" für Schweine entwickelt, die am Grunzen erkennt, wie es den Tieren geht.

Bühler krault einen seiner Eber. Der hält still, drückt sich ans Gatter. Bühler kann über Fortschritt nur lachen. Viel schwieriger war, damals für die Sauen einen reinrassigen Eber zu finden. Der rettende Besamer kam aus Alpirsbach. "Felsen". Die Bauern sagen seinen Namen noch heute voller Hochachtung.

Dass jetzt auch noch der mächtige Saatgut-Konzern Monsanto an ihre alte Schweinerasse will, spornt Bühler eher an. Im Büro der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall stehen drei Aktenordner, voller Patentanträge der US-Firma.

Elf Patente auf das Schwein. Es ist wie ein Großangriff. Bühlers Mitarbeiter Christoph Zimmer hat sich in das Thema eingearbeitet. Er hat sich die elf Patente durchgelesen. Nicht, dass er alles verstanden hätte. Zimmer sagt: "Wie können die das, was wir schon immer machen, patentieren?"

Henk Haagsman sitzt in seinem Büro in der Universität Utrecht. Der holländische Veterinär will Schweinefleisch aus Stammzellen züchten. Fleisch aus der Retorte. Kein Futter, kein Stall, keine Medikamente, keine Krankheiten, keine Tierabgase. Wir brauchen tierisches Eiweiß. Und wir werden immer mehr.

Das ist ein Problem, das sie in rötlich schimmernder Nährflüssigkeit zu lösen versuchen.

Schwierigekeiten beim Schweinezüchten

Man sei noch am Anfang, sagt Haagsman. Aber er sei nicht der Erste mit dieser Idee. Schon Winston Churchill habe 1920 geschrieben: "Wir sollten den Irrsinn beenden, das ganze Huhn zu züchten, obwohl wir nur die Flügel oder die Brust essen, wir sollten die Teile separat aufziehen."

Ein paar Schwierigkeiten gibt es da natürlich noch. In Utrecht versuchen sie gerade, die Stammzellen in den Griff zu bekommen. Welche macht wann was. Wie kann man sie effektiv züchten.

Wie das Fleisch aussehen wird? "Wie ein Steak eher nicht", sagt Haagsman. Und der Geschmack? Man wird sehen.

Ganz am Ende geben sich die Menschen richtig Mühe. Sie lassen es regnen, sie wärmen den Betonboden mit Fußbodenheizungen, sie schaffen Platz und Dreck zum Suhlen. So ist das im Schlachthof. Kurz bevor man den Schweinen das Messer in die Kehle rammt, bekommen sie, was sie immer wollten.

Man stellt ihnen einen Spiegel ganz ans Ende des Ganges. Der letzte gemeine Verrat. Und das Schwein rennt freudig hinein in den Tod, weil es denkt, dass dort Freunde sind.

© SZ vom 17.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: