Wortwörtlich - Koydls kleines Lexikon:Im Schein der Fackel

Lesezeit: 4 min

Wein verliert an Wert, Reis gewinnt derzeit rasant, und die olympische Fackel flackert bedenklich. Unser Autor blickt zurück auf die Woche und ihre Schwankungen - und sucht nach deren Ursprüngen.

Wolfgang Koydl

Jetzt ist es also amtlich: Prinzessin Diana und ihr Geliebter sind nicht auf Geheiß von Prinz Philip, sondern durch die Fahrlässigkeit ihres alkoholisierten Chauffeurs ums Leben gekommen. Zu diesem Ergebnis ist - zehn Jahre nach dem Unfall von Lady Di - eine gerichtliche Untersuchung in London gekommen. Der Prinz und sein weibliches Pendant kommen direkt aus dem Lateinischen und sind mit dem Klassenprimus aus der Schulzeit verwandt. Der princeps war der Erste oder Wichtigste in einer Gruppe. Wer zeigen will, dass er eine humanistische Schulbildung genossen hat, der redet nicht davon, dass jemand Erster unter Gleichen ist, sondern ein primus inter pares. Wörtlich ist das Wort eine Zusammensetzung aus primus = der Erste und capere = an sich nehmen: ein Prinz ist also derjenige, der als erster zugreift.

Olympische Fackel: In San Francisco gab es Aufruhr, des friedlichen Ursprungs des Städtenamens zum Trotz. (Foto: Foto: dpa)

In der ursprünglichen Bedeutung weitaus bodenständiger ist die vornehme Lady. So unglaublich es klingt, aber in ihr steckt dieselbe Wurzel wie für den Laib Brot. Hlaf war im Alt-Englischen das Brot (der heutige englische loaf = Laib ist noch gut zu erkennen), und hlaefdige war die Hausfrau, die den Brotteig knetete. Schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts hatte sich die Bedeutung von der Bäckerin zur vornehmen Lady verwandelt.

Ladies trinken gerne Wein, steht zu vermuten, wenn auch derzeit nicht gepantschten Brunello aus Italien. Dieser Wein wird aus der San Giovese-Traube gewonnen, die nach dem heiligen Jupiter benannt ist. Im Heiligenverzeichnis der katholischen Kirche wird man ihn vergebens suchen: hinter ihm verbirgt sich Jupiter, der Göttervater der alten Römer. Denn schon sie pressten aus dieser Traube Wein.

Den heutigen Brunello freilich könnte man in Österreich mit einer Tasse Kaffee verwechseln: er ist nämlich ein "kleiner Brauner" von brun = braun. Die Unart, dass Winzer ihr Produkt mit allen möglichen Zusätzen zu veredeln suchen, ist so alt wie der Wein selbst - und wie das Wort. Es stammt vermutlich aus einer untergegangenen und vergessenen Mittelmeersprache, klang wie win oder woin (nein, Äppelwoi ist nicht unmittelbar damit verwandt), und beschrieb von Anfang an ein vergorenes Traubengetränk.

Über das griechische oinos (dem wir das Fremdwort Önologie = Weinkunde verdanken) und das lateinische vinum (was humanistischen Angebern die Möglichkeit gibt, das Sprichwort In vino veritas zu verwenden), ist der Wein in alle europäischen Sprachen eingeflossen.

Ähnlich identisch in allen Sprachen zwischen Afghanistan und Wales ist der Reis, der derzeit weltweit bedrohlich knapp zu werden beginnt. Er entstand - als Pflanze und damit auch als Wort - in Indien: auf Sanskrit heißt er vrihi-s, und alle anderen Nationen entliehen diesen Begriff. Über griechisch oriza wanderte der Reis nach Westeuropa, wo er selbst Sprachen, die gemeinhin radikal anders klingen, leicht zu erkennen ist: auf walisisch beispielweise bestellt man sich reis, im Litauischen rysai.

Verwechslungsgefahr besteht freilich im Deutschen, wo es auch noch den Reis in Gestalt eines Schösslings oder jungen Triebes gibt. Er kommt aus dem altsächsischen hrissian = schütteln, zittern oder beben und beschreibt recht deutlich, was das junge Pflänzchen schon bei leichtem Winde tut.

Die Reise wiederum kann, wie man es erwarten würde, auf eine ganz andere Herkunft zurückblicken: risan sagte man zu allem und zu jedem, der sich von unten nach oben bewegte. Unsere Sprachen waren früher, wie man an diesem Beispiel sieht, sehr viel präziser. Ein Verb genügte, wozu wir heute vier zusätzliche Adverbien und Präpositionen brauchen.

Das Verb ist im Englischen erhalten geblieben: rise tut ein Teig, der aufgeht oder ein Mensch, der morgens aufsteht. Bei den Germanen freilich setzte sich auch die Bedeutung einer Bewegung von oben nach unten durch, woraus das Rieseln entstand. Entfernt ist auch der englische river = Fluss mit risan verwandt. Und auch der Rivale kommt ur-sprünglich von einem Wasserlauf: Wört-lich war es der Flussnachbar, mit dem man sich das Wasser teilen musste, was oft zu Rivalitäten führte.

Ein Urwort wie Wein oder Reis, das seine Bedeutung nie verändert hat, ist - was wenig überraschen dürfte - auch das Gold, das derzeit immer teurer wird. Zunächst einmal beschrieb es in der indo-germanischen Wurzel ghel alles was gelb-lich schimmerte - und dies ist ja bei einem Goldklumpen der Fall. Gelb und Gold waren und sind also mehr oder min-der dasselbe - jedenfalls etymologisch. Auch der Gulden, das Goldstück, leitet sich davon ab, und der Safran, der im Kinderlied den Kuchen gel macht, gibt ihm seine gelbe Farbe.

Ein extra Stück Kuchen dürften sich Deutschlands Pensionäre zur Feier des Tages gönnen, ist doch von der Bundesregierung ihre Rente erhöht worden. Allzu viel Dankbarkeit ist allerdings nicht unbedingt nötig, erhalten sie damit doch nur zurück, was sie selber eingezahlt haben - und das Wort selbst beschreibt diesen Vorgang ganz präzise: die Rente kommt letztlich aus dem lateinischen und setzt sich zusammen aus der Vorsilbe re = zurück und dare = geben.

Reddere bedeutete zurückgeben, erstatten. Auch hier liegt Alt-Humanisten ein Spruch auf den Lippen: Varus, Varus, legiones redde soll der römische Kaiser Augustus nach der Niederlage seines Statthalters Publius Quintilius Varus in der Schlacht am Teutoburger Wald ausgerufen haben - Varus gib mir meine Legionen wieder.

Reddere verschmolz im Laufe der Zeit zu rendere, was einerseits den Weg zu unserer Rente ebnete und andererseits der Welt ein brandneues Unwort bescherte: rendition, die amerikanische Praxis, mutmaßliche Terroristen unter Umgehung rechtsstaatlicher Normen auszuliefern.

Bleiben wir zum Schluss kurz in den Vereinigten Staaten. Nach den dramatischen Szenen in London und Paris ist das olympische Feuer vergangene Woche in der kalifornischen Stadt San Francisco eingetroffen.

Ihr Namenspatron freilich war jeglicher Gewalt abholt: Der heilige Franz von Assisi führte ein Leben in Demut und Bescheidenheit. Als der spanische Leutnant Jose Joaquin Moraya und der Mönch Francisco Palon am 29. Juni 1776 eine Missionskirche unweit einer tiefen Bucht an der Pazifikküste gründeten, gedachten sie des Gründers des Franziskaner-Ordens.

Der heilige Franz freilich verdankte seinen Vornamen der Tatsache, dass sich sein Vater - der wohlhabende Tuchhändler Pietra Bernardone - zum Zeitpunkt seiner Geburt im Jahr 1181 auf einer Geschäftsreise in Frankreich aufhielt: Francesco war der ita-lienische Rufname für einen Franzosen.

© sueddeutsche.de/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: