Wortwörtlich - Koydls kleines Lexikon:Hartes Geld, weiche Schnitten

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Unser Autor beschäftigt sich heute mit Löhnen und ihrem lukrativen Ursprung. Wolfgang Koydl schlägt dabei den großen etymologischen Bogen von Hedge Fonds zum weichen Käse.

Wolfgang Koydl

Lassen Sie uns heute über Geld sprechen: über große Summen, über verlorene Summen, über hart verdiente und zu geringfügige Summen. Um letzteres, den gerechten Lohn, geht es bei den mit Streik drohenden Briefträgern, sowie bei den Angehörigen im Öffentlichen Dienst, die von einem Arbeitskampf Abstand genommen haben, und bei all jenen, die mit einem Mindestlohn abgespeist werden sollen.

Das Geld des Lohns hat indogermanische Wurzeln. (Foto: Foto: AP)

Dies freilich dürfte nach eigenem Empfinden jeder Lohnabhängige sein, egal wie viel er verdient. Ehrlicherweise muss allerdings gesagt werden, dass sich die Dinge verbessert haben seit den lange zurückliegenden Tagen, in denen diese Wörter etymologisch entstanden sind.

Der Lohn geht zurück auf die indogermanische Sprachwurzel lau, womit in diesem Fall freilich nichts Halbgares beschrieben wurde sondern der Vorgang des Erbeutens. Dabei war es egal, ob man ein Reh erlegte oder einen Gegner im Kampf, den man dann um seine Wertsachen erleichterte: beides war Lohn.

Das lateinische lucrum ist damit verwandt, und bei den Römern war dies kein Gehalt, sondern ein Gewinn. Unser Adjektiv lukrativ ist davon abgeleitet. Alles andere als lukrativ war die Existenz von Dienern, die sprachlich vor dem Dienst da waren. Ein Diener war - althochdeutsch - diomuti = dienst-willig, und somit ursprünglich ein blind gehorsamer Gefolgsmann.

Wie folgsam er sein musste erschließt sich, wenn man erfährt, dass auch die Demut demselben Stamm entwachsen ist. Die Grundbedeutung war eigentlich die eines Läufers, mithin eines Menschen, der gehalten war, ständig auf Weisung seines Herren hin und her zu rennen. Bis hin zum geruhsamen Schreibtisch-Job in einer städtischen Behörde des Öffentlichen Dienstes war es also ein weiter Weg.

Finanzielle Sorgen ganz anderen Kalibers haben die Verwalter milliardenschwerer Hedgefonds. Das ist insofern paradox, weil solche Fonds vom Ansatz und von der Sprache her überhaupt keine Probleme machen sollten. Im Englischen ist hedge zunächst einmal eine Hecke, die säuberlich zwei Grundstücke voneinander scheidet. Daraus ist ein Verb to hedge entstanden: Wenn jemand keine Information preisgeben will, verlegen herumdruckst oder sich sonst absichern will, dann sagt man im Deutschen, dass er mauert. Im Englischen verwendet man das Bild von der Hecke. In der Spielersprache gibt es zudem Ausdruck to hedge ones bets = sich nach allen Seiten absichern.

Das wären Leute, die beim Roulette immer auf schwarz und rot setzen, und - nur zur Sicherheit - auch einen Chip auf die Null platzieren. Prinzipiell gehen auch Hedgefonds nach diesem Muster vor: Wer sich bei einem längerfristigen Geschäft vor dem Risiko von Kursschwankungen oder einer unverhofften Preissteigerungen absichern will, der koppelt eine zweite Transaktion an diesen Abschluss, die diese Gefahr abmindern soll. Er sichert sich also nach allen Seiten ab - zumindest in der Theorie.

Die Praxis sieht auch bei Hedgefonds oft anders aus, zumal da sie sie schon lange nicht mehr auf Nummer sicher sondern voll auf Risiko gehen.

Sorgen anderer Art plagten die Mitarbeiter der Supermarkt-Kette Lidl, die vom Management bespitzelt wurden. Normalerweise heißen solche Firmen schlicht nach ihrem Gründer, doch bei Lidl ist der Fall ein wenig komplizierter.

Die 1930 ins Leben gerufene Lidl & Schwarz Lebensmittel- und Sortimentsgroßhandlung hatte nämlich zwei Väter: Josef Schwarz und als Juniorpartner einen Berufsschullehrer namens Ludwig Lidl.

Nach dem Krieg wandelte Gründersohn Dieter Schwarz das Geschäft in eine Kette von Discount-Läden um. Da Lidl nicht mehr mit von der Partie war, wollte er die Geschäfte erst nach sich selbst benennen. Doch irgendwie erschien ihm Schwarz-Markt nicht ganz passend für eine Reihe von Supermärkten, in denen Produkte billiger als anderswo verkauft wurden. Für den Discount-Preis von damals - im Jahre 1973 - tausend Mark kaufte er dem Pensionär Lidl die Rechte an seinem Namen ab - eine kluge Investition, wie sich herausstellte.

Was man auch bei Lidl derzeit nicht in der Kühltruhe findet, ist italienischer Büffel-Mozzarella, seitdem in diesem italienischen Käse Dioxinspuren entdeckt wurden. Wie viele italienische Gerichte und Lebensmittel geht auch beim Mozzarella der wohlklingende Name ganz banal auf eine Alltagsbezeichnung zurück. Mozzare bedeutet soviel wie abschneiden, eine mozza ist ein Schnitt, und die mozzarella mithin ein niedliches Schnittchen - das man auch mit Mozzarella belegen könnte, wenn dieser Kalauer gestattet ist.

Mozzarella beschreibt also nichts anderes als die Herstellung, wenn man den sogenannten Käsebruch in Stücke schneidet und zu Kugeln formt. Weitgehend ausgeschlossen von Sprachforschern (aber weitaus hübscher) ist die Theorie, dass der Mozzarella seinen Namen dem Wort scamozzata verdankt.

Das bedeutet hemdlos und würde den Umstand beschreiben, dass dieser Käse keine harte Oberfläche hat. Schon vorweg sei um Verzeihung für die folgende Überleitung gebeten: Nicht nur ohne Hemd, sondern ohne jegliches Gepäck trafen zahlreiche Passagiere an ihren Zielorten ein, die vergangene Woche vom brandneuen Terminal 5 des Londoner Flughafens Heathrow abgeflogen waren. Der Koffer (das Wort, nicht das aufgegebene Gepäckstück) gelangte auf verschlungenen Wegen aus dem Griechischen über das Französische und das Niederländische ins Deutsche - also doch nicht unähnlich vielen weit gereisten aber unbegleiteten Koffern bei British Airways.

Am Anfang stand das griechische kophinos - der Weidenkorb. Den freilich nutzte ein gewisser Moses als - allem Anschein nach zuverlässiges - Transportmittel. Das ursprüngliche Heath Row gibt es schon lange nicht mehr: Dieses Dörfchen westlich von London ist schon 1954 unter Beton und Asphalt des Flughafens verschwunden, der seinen Namen trägt.

Unter dem Namen Hetherowfeyld war der Ort schon vor fast tausend Jahren bekannt und bezeichnete auf angelsächsisch eine Reihe von Häusern auf einer Heide (englisch heath). Unter den gegebenen Umständen ist es vielleicht ganz gut, dass die olympische Fackel nicht über Heathrow ihren Weg nach China nimmt.

Denn es wäre doch recht peinlich, wenn das olympische Feuer bei der Eröffnungszeremonie in Peking mit einem Wegwerffeuerzeug entzündet werden müsste, weil die Fackel versehentlich in Pöcking gelandet ist. Solche Umwege hat schließlich auch das Wort selbst nicht genommen. Sprachlich ist die Fackel stracks von der lateinischen fax ins Deutsche gewandert - ohne Bedeutungsveränderung.

Das Wörtchen hat also, könnte man sagen, nicht lange gefackelt. Diese Redewendung bezieht sich auf das unstete Flackern einer Flamme. Wer nicht fackelt, der ist rasch entschlossen zu einer Tat. Im positiven Sinn hat nur Goethe einmal das Verb fackeln verwendet: "Die Glocke, Glocke tönt nicht mehr, die Mutter hat gefackelt", schreibt er in seinem Gedicht von der "Wandelnden Glocke". Die Mutter hat in diesem Fall gescherzt, als sie fackelte.

Zum Abschluss noch rasch zwei Hauptstädte, die in den vergangenen Tagen Schlagzeilen machten. In Harare scheint sich ein Machtwechsel anzubahnen, nachdem Zimbabwes Präsident Robert Mugabe die Wahlen verlor. Die Stadt trägt erst seit 1982 diesen afrikanischen Namen; zuvor hieß sie nach Königin Victorias letztem Premierminister Salisbury.

Diesen Namen hatte der Unternehmer und Abenteurer Cecil Rhodes 1890 für das neu der britischen Krone zugeführte Territorium gewählt, das seinerseits nach ihm Rhodesien getauft wurde. Der afrikanische Name der zimbabwischen Hauptstadt geht zurück auf einen bedeutenden Führer der Nation der Shona, Neharawa. Er trug den Beinamen "Der nie schläft", weil er so wachsam war, dass ihn niemand je überraschen konnte. Ungelenke europäische Zungen verballhornten das Shona-Wort zu Haarari.

Die rumänische Hauptstadt Bukarest ist Schauplatz des diesjährigen Nato-Gipfels. Auf Rumänisch heißt sie Bucuresti, wo man schön den Namen ihres legendären Gründers Bucur erkennen kann, an den die einen Ort bezeichnende Nachsilbe - esti angehängt wur-de. Historisch ist dieser Bucur nicht verbürgt; man weiß noch nicht einmal, welcher Tätigkeit er nachging. Man hat die Wahl zwischen einem Prinzen, einem Vogelfreien, einem Fischer und einem Schäfer. Zum Ausgleich klingt sein Name ähnlich wie ein positives rumänisches Wort: bucurie ist die Freude, und die wird viele Rumänen angesichts der Tatsache erfüllen, dass der Nordatlantikpakt zum ersten Mal in ihrer Hauptstadt tagt.

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