Wirbelsturmkatastrophe in Birma:Hilfsorganisationen warnen vor Folgekatastrophe

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Mehr als eine Woche nach dem verheerenden Wirbelsturm kämpfen in Birma bis zu zwei Millionen Menschen ums Überleben. Die Militärregierung lockert die Einschränkungen für internationale Helfer zwar offenbar leicht - doch die Gefahr von Epidemien steigt.

Im Katastrophengebiet von Birma ist die erste Hilfslieferung aus den Vereinigten Staaten eingetroffen. Eine Militärmaschine mit mehreren Tonnen Versorgungsgütern landete am Montag in Rangun. Die Maschine, die von einem thailändischen Militärstützpunkt aus startete, hat Wasser, Moskitonetze und Decken geladen. Für Dienstag wurden zwei weitere US-Flüge genehmigt.

Ein Kind im birmanischen Laputta sitzt auf den Trümmern eines Hauses. (Foto: Foto: dpa)

Die US-Regierung beugte sich den Auflagen der Militärjunta und erklärte sich bereit, das Material dem birmanischen Militär zur Verteilung zu überlassen. Die USA bemühen sich aber wie andere Regierungen und Hilfsorganisationen weiter um Visa für Katastrophenexperten.

Insgesamt lässt die Junta nur wenige internationale Helfer ins Land, auch wenn die Einschränkungen gelockert wurden. Nach Schätzungen der Hilfsorganisation Oxfam ist das Leben von etwa 1,5 Millionen Menschen in Gefahr.

Oxfam befürchtet die Ausbreitung von Epidemien. Es seien "alle Faktoren" für eine Folgekatastrophe gegeben, warnte die Regionaldirektorin von Oxfam, Sarah Ireland, in Thailand. "Es ist lebensnotwendig, dass die Leute Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Anlagen erhalten", sagte Ireland. Unicef zufolge sind in einigen Gebieten bis zu 20 Prozent der Kinder an Durchfall erkrankt.

Verseuchtes Wasser

"Die Lage ist sehr ernst", sagte Richard Horsey vom UN-Büro für die Koordination Humanitärer Hilfe in Thailand. "Bis zu zwei Millionen Menschen sind dringend auf Hilfe angewiesen." Zwar erreichten Hilfslieferungen einige Menschen, dies geschehe aber nicht schnell genug. In einer solchen Situation benötigten die Opfer Trinkwasser, Unterkünfte, medizinische Hilfe und Nahrungsmittel. An all diesen Dingen fehle es derzeit in Birma.

Im besonders schwer betroffenen Irrawaddy-Delta haben Hunderte Menschen in Klöstern Schutz gesucht, wo sie auf dem Fußboden schlafen. Andere übernachteten im Freien und tranken das schmutzige Wasser, das mit Fäkalien oder Kadavern verseucht war. "Bisher haben wir genug Wasser, weil wir Regen aufgefangen haben", sagte der Abt eines Klosters in Pyapon, U Patanyale. "Aber wir haben nichts mehr zu essen."

Ein Schiff mit Hilfsgütern des Roten Kreuzes sank vor der Küste des Katastrophengebiets. Damit wurden Lebensmittel mit verseuchtem Wasser durchtränkt und konnten nicht mehr verwendet werden, wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) mitteilte. Die vier IKRK-Mitarbeiter an Bord blieben unversehrt.

Horsey erklärte, der Zwischenfall demonstriere die logistischen Schwierigkeiten bei der Auslieferung der Hilfe. "Es gibt nicht genug Boote, Lastwagen, Hubschrauber im Land, um die Hilfsmaßnahmen im benötigten Ausmaß anlaufen zu lassen", erklärte er.

Nach dem Verfassungsreferendum lockerte die Militärregierung die Einschränkungen für internationale Helfer offenbar leicht. Einige Hilfskräfte aus dem Ausland seien auch in die am schwersten betroffenen Gebiete hineingelassen worden, sagte Alexander Richter vom Johanniter-Hilfswerk aus Rangun am Sonntag in einem Telefoninterview der Nachrichtenagentur AP.

Hohes Seuchenrisiko

Auch deutsche Mitarbeiter der Johanniter hätten die Militärkontrollen passieren können. Wegen der Verzögerungen internationaler Hilfslieferungen organisiere die Bevölkerung des südostasiatischen Landes selbst Unterstützung für die betroffenen Gebiete, sagte Richter.

Einheimische kauften große Mengen Nahrung, um sie an Bedürftige in der Katastrophenregion zu übergeben. "Ich finde es sehr beeindruckend, dass die Leute selbst anfangen, sich zu organisieren und Lebensmittel zu verteilen", sagte Richter.

Ärzte ohne Grenzen ist seit 1992 in Birma tätig und hat dort etwa 40 ausländische und 1200 einheimische Mitarbeiter. Es ist eine der wenigen Organisationen, die mit etwa 100 birmanischen Mitarbeitern bis in das Katastrophengebiet vordringen konnte.

Insgesamt seien dort 15 Mediziner-Teams unterwegs, sagte Mitarbeiterin Julie Niebuhr der Nachrichtenagentur dpa in Rangun. Die Organisation habe bereits 50.000 Betroffene mit Plastikplanen und Reis versorgt. "Es ist möglich, auch unter diesen Umständen zu helfen", versicherte sie. Seuchen gebe es noch nicht. Das Risiko sei aber groß.

Auch das Rote Kreuz ist mit einheimischen Mitarbeitern vor Ort, ebenso die Malteser. Sie erreichten die schwer verwüstete Stadt Laputta im Katastrophengebiet am Sonntagabend mit zehn Tonnen Hilfsgütern, sagte ein Sprecher in Rangun.

Kampf ums Überleben

Die birmanische Regierung beharrt darauf, Hilfsgüter weitgehend selbst zu verteilen. Es gab Berichte, dass auf die Kisten die Namen führender Generäle geschrieben wurden - ein offenkundiger Versuch, aus der internationalen Unterstützung propagandistisches Kapital zu schlagen.

Die Behörden in Birma sprechen inzwischen von mehr als 28.400 Toten. Das sind etwa 5000 mehr als bislang angegeben. 33.400 Menschen würden noch vermisst, berichtete das staatliche Fernsehen am Sonntag.

Die Vereinten Nationen gehen hingegen inzwischen davon aus, dass bei dem Wirbelsturm mehr als 100.000 Menschen ums Leben kamen. Außerdem werden etwa 220.000 Personen vermisst. Zwischen 1,2 und 1,9 Millionen Menschen kämpfen nach Einschätzung der UN in den zerstörten Regionen ums Überleben.

© AP/dpa/Reuters/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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