Wetter:Alles wegen Michaela

Lesezeit: 2 min

Der Herbst ist schon da. Aufgrund der extremen Trockenheit, die uns das Hoch "Michaela" in den vergangenen Wochen beschert hat, verlieren die Bäume bereits ihre Blätter

Es klingt paradox: Der diesjährige Hitzesommer lässt den Herbst früher beginnen. Dennoch rechnet kaum ein Meteorologe mit Schnee im Oktober 2003. Der vorgezogene Herbstbeginn gilt nämlich nur für die Phänologie - die Lehre vom Ablauf der Lebenserscheinungen. Der meteorologische Herbst (1. September bis 30. November) und der astronomische Herbst (dieses Jahr vom 23. September bis zum 22. Dezember) sind davon nicht berührt.

Das Reichstagsgebäude in Berlin - aufgenommen am 27. Juli 2003 (Foto: Foto: dpa)

Schnelle Reife

In der Natur werden dieses Jahr viele Entwicklungen früher abgeschlossen. Getreide, Wein, Kornelkirschen und Äpfel reifen Wochen früher als im langjährigen Mittel. Zwar ist die Rosskastanie, die klassische "Zeigerpflanze" des Herbstes, längst noch nicht überall reif, aber laut Heidrun Jagoutz vom Deutschen Wetterdienst ist der Übergang von Sommer auf Frühherbst "deutlich vorgezogen".

Früher ruhen

Wenn die Trockenheit im Herbst weitergeht, könnte die Winterruhe der Natur früher beginnen, prophezeit die Expertin für Agrarmeteorologie. Dann wird mit dem "Ende der Vegetationszeit" der phänologische Herbst vorbei sein, ohne dass das Wetter unbedingt winterlich ist. Denn die Pflanzen, sagt Frau Jagoutz, reagieren auf Temperatursummen. Und die sind in diesem Rekordsommer eben früher erreicht als sonst.

Gemischte Gefühle

Die Folgen sind durchaus unterschiedlich. So freuen sich die Winzer bekanntlich nach Beginn der frühesten Weinlese auf einen sehr guten Jahrgang. Bei den Apfelbauern dürften dagegen die Stimmung mies sein, weil die Hitze die Früchte früh vom Baum fallen lässt und das Fruchtfleisch oft "vermorscht", also zu matschig ist, wie Jagoutz berichtet. Besonders hart getroffen hat es Aprikosen- und Pflaumenbauern, deren Früchte oft schon im Spätfrost des Frühjahrs erfroren sind.

Experten beobachten schon seit Jahren eine tendenzielle Verschiebung der phänologischen Jahreszeiten. Laut Rolf Sartorius vom Umweltbundesamt ist vor allem das Vorziehens des Frühlings um etwa eine Woche sehr gut belegt. Beim Herbst seien die Anzeichen bisher nicht so eindeutig gewesen.

Welkes Laub ist kein Herbstlaub

Dass viele Bäume bereits ihr Laub verlieren, ist dagegen kein Zeichen früher Reife sondern ein biologischer Schutzmechanismus: "Die Blätter sind nicht herbstlich verfärbt, sondern welk", sagt Jagoutz. Die Auswirkungen der Trockenheit auf die Wälder ist unter Fachleuten umstritten. Der deutsche Forstwirtschaftsrat warnte schon vor zehn Tagen vor einer Verschlimmerung der Waldschäden. Auf der anderen Seite steht die Aussage des Landesforstministeriums Brandenburg, dem von der Dürre am härtesten betroffenen Bundesland: "Gesunde Waldbäume können das vertragen", sagt ein Sprecher.

Stadtbäume sind arm dran

Problematischer sind die Auswirkungen bei Straßenbäumen. Um die sorgt sich Klaus Pape vom Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. "Die haben meist nur wenige Quadratmeter Erde rundherum, dann beginnt gleich wieder versiegelte Fläche - zu wenig, um genügend Wasser aus den spärlichen Niederschlägen aufnehmen zu können", sagt er. Zudem wurzelten Stadtbäume flacher als die meist älteren Waldbäume und ständen somit bei sinkendem Grundwasser schneller auf dem Trockenen.

Dass es überhaupt noch so viel Grün gibt, ist laut der Meteorologin Jagoutz den Wassermassen des Vorjahres zu verdanken - die für große Winterwasservorräte gesorgt hätten.

Vögel lassen Brut ausfallen

Anders als Pflanzen sind Tiere nicht immer in der Lage, Abläufe vorzuziehen. So schaffen es nach Auskunft von Ornithologen die meisten Schwalben und Stare dieses Jahr nicht, ein zweites Mal zu brüten. Schuld sei der hitzebedingte Nahrungsmangel, sagt Martin Schneider-Jacoby von der Stiftung Europäisches Naturerbe (Euronatur) in Radolfzell. Er befürchtet daher einen Rückgang der Populationen und Probleme beim Vogelzug: Die Tiere hätten für die lange Reise nicht genug zu essen.

(sueddeutsche.de/ Nikolaus von Twickel - AP)

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: