Wetten:Tote Bären, nackte Frauen und ein Weltmeister

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Deutschland steckt im Wettfieber - spekuliert wird auf den Tod des Bären, den Weltmeistertitel und das Ende von "Wetten, dass..?"

Philipp Mattheis

Kassandra, die Priesterin von Troia wurde von Apollon, dem Gott der Schönheit umworben. Da sich die Jungfrau aber ewige Keuschheit geschworen hatte, verschmähte sie den Olympischen. Der war freilich sauer und nutzte seine göttlichen Kräfte gemein aus: Kassandra wurde verflucht. Von nun an konnte sie die Zukunft genau vorhersehen, so auch den Untergang ihres geliebten Troias. Allein - niemand glaubte ihr.

Ein schlimmes Schicksal. Kassandra war als ewiger Meckerziege und Schwarzmalerin in der Stadt verschrien. Als die Troia schließlich brannte, kam auch keiner mehr, um ihr zu sagen: "Oh, Du hattest doch Recht."

Heute wäre ihr das nicht passiert. Kassandra könnte mit pessimistischen Voraussagen wie "Togo wird Weltmeister" oder "In einer Woche wird Bruno der Bär abgeschossen werden" ziemlich viel Geld verdienen.

Vielleicht sähe sie die Zukunft auch ein bisschen positiver. Sie könnte dann die Ereignisse "Deutschland wird Weltmeister" und "Bruno lebt am Tag des Finales noch in Freiheit" miteinander kombinieren. Dafür wird immerhin das 2,4-fache desWetteinsatzes gezahlt.

Mit dem WM-Wahn hat sich so etwas wie ein Wettfieber in die Nation eingeschlichen. Wettanbieter wie Oddset, Gamebookers oder Digibet Wetten.de haben Hochkonjunktur - und sind skurril.

Da gibt es den - wäre nicht die WM - den Sommerloch- und auch sonst sehr verdächtigen Bären. Wird das Problemtier mit Migrationshintergrund beispielsweise in Italien gefangen, winkt das Elffache des Einssatzes.

Die Meta-Wette: Wetten, dass Gottschalk gehen muss

Sozusagen die Meta-Wette, die Wette auf die Wette, betrifft den Buchmacher der Nation, Thomas Gottschalk. Wer der Meinung ist, dass es die Sendung "Wetten, dass.. ?" 2010 nicht mehr geben wird, kann seinen Einsatz vervierfachen.

Dass die Wettleidenschaft vor intellektuellem Publikum nicht halt macht, zeigt die Nobelpreiswette. Hier liegen momentan Vaclay Havel und Bob Geldof quotenmäßig gleichauf. Sollte dagegen wider erwarten der amerikanische UN-Botschafter John Bolton den Friedensnobelpreis bekommen, sind Schwarzseher um das 26-fache reicher.

Und - warum ist man da nicht schon früher drauf gekommen? - auch auf den Wahlausgang der britischen Parlamentswahlen lässt sich spekulieren. Die Liberalen liegen hier mit einer Quote von 1 zu 31 weit abgeschlagen hinter Labour und Torries.

"Ein Kerl, der spekuliert,/ Ist wie ein Tier auf dürrer Heide./ Von einem bösen Geist im Kreis herumgeführt,/ Und ringsumher liegt schöne grüne Weide", sagte Mephistopheles mal zu Faust. Die schöne Weide, das ist das Spielfeld, die dürre Heide die Börse.

Bei verschiedenen Online-Brokern lassen sich die Nationalmannschaften der Fußball-WM wie Aktien handeln. So stürzte die Frankreich AG nach dem schwachen Unentschieden am Sonntag ab und brach innerhalb weniger Minuten um zehn Prozent ein.

2,5 Millionen Besucher und eine nackte Frau

Auch Spitzenreiter Brasilien musste nach der eher mauen Vorstellung gegen Australien einige Punkte abgeben und liegt in der Einschätzung der Händler nur noch wenige Cent vor Deutschland. Die Aktien werden am Ende der WM vom Broker zu vorher festgelegten Preisen zurückgekauft.

Auf der Webseite eines Münchner Getränkelieferservice kann man sogar 30 Minuten vor Spielbeginn das Halbzeitergebnis tippen und einen Kasten Bier gewinnen. Der Wetteinsatz? Null. Nur: Wer gewinnt, muss für 9,00 Euro noch etwas bestellen. Trotzdem drängt sich da die Frage auf, ob die Aktion bei reger Teilnahme nicht nach hinten losgehen könnte...

Und dann gibt es da noch eine private Webseite, die bis zum Tag vor dem Finale 2,5 Millionen Besucher braucht. Dann nämlich hat eine der Betreiberinnen die Wette verloren und will nackt über das Spielfeld laufen. Wetten, dass sie das nicht schaffen wird...

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