Wettbewerb:Syriens next Topmodel

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Das Tourismusministerium der Regierung Baschar al-Assads organisiert einen Schönheitswettbewerb. Er soll Soldaten bei Laune halten.

Von Dunja Ramadan

Sie wirft ihr langes schwarzes Haar über die Schultern, als der Fotograf gerade auf den Auslöser drückt: Eine Frau in einem kurzen roten Kleid, mit hochtoupiertem Haar und Creolen posiert vor einer siebenköpfigen Jury. Sie könnte die neue syrische "Schönheitskönigin der Hoffnung" werden, die am 15. März gekürt wird - in der syrischen Mittelmeerstadt Tartus. Das Tourismusministerium der Regierung Baschar al-Assads organisierte den Wettbewerb. Bereits vergangenen Samstag fand eine Vorauswahl statt: Zwanzig Syrerinnen aus dem ganzen Land kämpfen um den Titel. Auf den Bildern, die im Internet kursieren, sind die prüfenden Blicke der Jury auf die Frauen gerichtet. Wer es in die letzte Runde schafft und wer nicht, das entscheiden sieben Journalisten und Journalistinnen aus dem Modemagazin-Bereich.

Im regimefreundlichen Tartus sind zahlreiche Assad-Soldaten stationiert, außerdem existiert dort seit den Siebzigern der russische Marinestützpunkt, der einzige an der Mittelmeerküste. Die Stadt gilt als beliebter Ferienort der gehobenen Schicht. Assads schiitisch-alawitische Entourage feierte hier große Partys. Doch auch von hier aus zogen Soldaten in den Bürgerkrieg. Das arabische Nachrichtenportal Neuigkeiten aus Syrien und der Welt schreibt, dass "viele Märtyrer und Verwundete" aus Tartus kommen. Offenbar sollen nun Soldaten und Bevölkerung bei Laune gehalten werden, mutmaßen arabische Journalisten. Nach der Krönung der Schönheitskönigin sollen die Familien der gefallenen Soldaten angeblich eine Entschädigung erhalten.

Erst Anfang Januar hatte sich der syrische Parlamentsabgeordnete Wael Melhem über den Umgang mit den eigenen Soldaten beschwert. So würden sie mit einer "Kartoffel und zwei Scheiben Brot am Tag" abgespeist. Das sei kein Zustand, sagte er, immerhin sei die syrische Armee "die Basis". Die Organisation eines solchen Wettbewerbs könnte eine Reaktion auf die schlechte Stimmung sein. Im vergangenen Sommer erst war eine weitere Aktion des Tourismusministeriums in die Schlagzeilen geraten: Während der Krieg im eigenen Land mit schon weit mehr als 250 000 Toten tobte, veröffentlichte man einen Imagefilm über das Urlaubsparadies Syrien, in denen Menschen auf Jetskis übers Meer flitzen und sich am Sandstrand sonnen. Der Titel des Videos: "Syria - always beautiful."

Inmitten von Chaos, Tod und Zerstörung versucht die syrische Regierung offenbar, eine Art Pseudonormalität aufrechtzuerhalten. Der syrische Al-Jazeera-Journalist Faisal al-Qassem veröffentlicht auf seiner Facebook-Seite Fotos der posierenden Schönheiten und schreibt darüber: "Während das syrische Volk jeden Tag an Kälte, Hunger oder an den Folgen von Sprengsätzen oder Bomben stirbt, wählt man in der Assad-Hochburg die Schönheitskönigin." Dahinter folgt ein lang gezogenes "Haha".

© SZ vom 09.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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