Waldbrände:Schwarze Tage an der blauen Küste

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Die Zersiedelung durch Ferienvillen erschwert die Löscharbeiten an der französischen Côte d'Azur, tausende Touristen müssen vor den schweren Waldbränden fliehen.

Von Rudolph Chimelli

(SZ vom 1.8.2003) - Die Franzosen sind gebrannte Kinder, die das Feuer scheuen, denn alljährlich gehen im Süden, auf Korsika sowie im Waldgebiet der Landes (zwischen Bordeaux und der spanischen Grenze) große Flächen in Flammen auf.

Waldbrand bei Castelo Branco in Zentral-Portugal. (Foto: Foto: dpa)

Doch so verheerend wie heuer waren die Brände seit Jahrzehnten nicht. Die beiden gefährlichsten Feuerherde bei Salon-de-Provence und La Motte waren am Donnerstag eingegrenzt, nachdem sie mehr als 3000 Hektar Piniengehölz vernichtet hatten.

Ein Gewitter mit Hagel und Regen half den Feuerwehrleuten. Doch sie befürchten, dass auffrischender Mistral mit Böen bis zu 60 Stundenkilometern die Flammen erneut anfachen könnte.

"Wie ein Marathon"

"Die Saison ist wie ein Marathon. Wir müssen aushalten", sagte der Feuerwehrhauptmann Pascal Pombelle der Zeitung Libération. Fünf Menschen, unter ihnen vier ausländische Touristen, sind durch Flammen und Rauch bislang ums Leben gekommen, fast zwei Dutzend Feuerbekämpfer wurden verletzt, eine noch unbekannte Zahl von Häusern und mehrere Campingplätze brannten ab oder wurden beschädigt, tausende von Bewohnern und Touristen mussten in Sicherheit gebracht werden.

Über die Schadenshöhe lassen sich noch keine Angaben machen. Sie wird auf viele Millionen geschätzt. Bisher haben nur wenige Reisende ihre Reservierungen an der Côte d'Azur und im Hinterland widerrufen.

Neben der Dürre sind Brandstiftung und Unvorsichtigkeit die häufigsten Ursachen. Nach Angaben von Fachleuten gehen neun Zehntel aller Waldbrände auf "menschliche Ursachen" zurück. Vier Verdächtige wurden festgenommen.

Traum vom alleinstehenden Haus

Einer von ihnen, ein 29-jähriger Angestellter, hat in Draguignan gestanden, dass er im vergangenen Jahr zwei und heuer sieben Brände gelegt habe: Er habe sich rächen wollen, weil die Freiwillige Feuerwehr ihn nicht aufnahm. Erste Vermutungen, dass korsische Nationalisten unter den Brandstiftern sein könnten, haben sich nicht bestätigt.

Aber es brennt noch aus vielen anderen Gründen. Der Traum vom allein stehenden Haus unter Pinien, den immer mehr Franzosen und Ausländer dank einer nachlässigen Bebauungsordnung verwirklichen, hat neue Gefahren geschaffen.

Durch die Zersiedelung wird nicht nur die alte Kulturlandschaft der Provence ruiniert: Die Feuerwehr muss sich in erster Linie um bedrohte Gebäude kümmern und kann erst danach den Wald schützen.

Am schlimmsten wirkt sich aus, dass sehr viele Einwohner ihrer Pflicht nicht nachkommen, im Umkreis von 50 Metern ihres Hauses das brennbare Gestrüpp zu roden. "Das Gesetz wird von der Bevölkerung wenig akzeptiert", sagt der Bürgermeister von Plan-de-la-Tour.

"Völliges Fehlen von Vorsorge"

"Bei denen, die sich daran halten, bleiben Bäume und Haus verschont. Bloß das Gras wird schwarz." Schließlich spielt auch Grundstücksspekulation eine verhängnisvolle Rolle. Nicht selten wurden Brände gelegt, um Bauverbote ins Wanken zu bringen.

Die Nationale Feuerwehrvereinigung Frankreichs wirft nun der Regierung "völliges Fehlen von Vorsorge" vor. "Seit Wochen" habe seine Berufsorganisation beanstandet, dass die nötigen Präventivmaßnahmen nicht getroffen würden, sagt deren Vizepräsident, Oberst Richard Vignon.

Das Innenministerium dementiert. Sein Chef Nicolas Sarkozy kündigt an, dass gegen Brandstifter mitleidlos vorgegangen werde. Da Menschen ums Leben kamen, können Strafen bis zu zehn Jahren Haft verhängt werden.

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