Wahre Welt (25):Ein Ruck geht durch die Uhr

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Seit mehr als 80 Jahren kämpfen Fußballer um die FIFA-Weltmeisterschaft, aber erst seit diesem Jahr gibt es die Fifa-WM-Schiedsrichteruhr. Höchste Zeit oder vollkommen überflüssig? Ein Fall für die Wahre Welt.

Protokoll: Eike Schrimm

Stefan Biehl (30) ist seit 14 Jahren Schiedsrichter und pfeift bis zur Bezirksliga. Er hat die offizielle FIFA-WM-Schiri-Uhr getestet.

Wenn die Uhr vibriert, bekommt's es nur der Schiri mit. (Foto: Foto: Casio/ Montage: sueddeutsche.de)

"Warum in aller Welt hat man bloß eine Schiedsrichter-Uhr entwickelt? Seit zehn Jahren verlasse ich mich - wie meine Kollegen übrigens auch - auf meine billige Digitaluhr. Zum Anpfiff schalte ich einfach die Stoppuhr ein, mache den Piepton aber aus. Ich habe nämlich mal erlebt, wie die Uhr eines Kollegen pünktlich nach 45 Minuten laut wurde, so dass es die heimischen Fans hören konnten. Die brüllten natürlich sofort "Schiri, pfeif' ab! Pfeif endlich ab!!", weil sie mit einem Tor führten und das Spielende nicht erwarten konnten. Also lasse ich die Zeit lieber ganz still ablaufen.

Allerdings habe ich die Zeit so auch schon mal aus den Augen verloren. Da haben dann die Zuschauer protestiert und in der Tat waren wir schon in der 47. Minute. Ich habe aber nicht sofort abgepfiffen, sondern noch ein paar Sekunden weiterspielen lassen, damit niemand die Zeitpanne bemerkt.

Und die Fifa-Uhr hat ein Vibrations-Signal? Das ist natürlich eine feine Sache. Wie kann ich die aktivieren? Ah, laut Bedienungsanleitung muss ich nur auf die rechte Taste drücken. Ich drücke - wie beschrieben. Nichts. Kein Ruck geht durch die Uhr. Ich drücke wieder, wieder und wieder. Immer noch kein Schütteln. Ich drücke länger. Ja, endlich. Sie bewegt sich doch. Das hätten sie gleich in die Anleitung schreiben können: Die Taste mehrere Sekunden lang drücken und dann geht die Vibration an.

Aber diese Funktion ist wirklich genial für einen Schiedsrichter: Wenn das Spiel in der Endphase hektisch wird, muss man nicht mehr mit einem Auge auf die Uhr schielen, sondern kann sich voll und ganz auf das Geschehen konzentrieren.

Was mir als Schiedsrichter auch entgegenkommt, sind die neun unterschiedlichen Spiellängen. Wenn ich also bei den Jüngeren pfeife, muss ich nicht manuell die kürzere Halbzeit von 25 Minuten eintippen, sondern kann sie sofort auswählen.

Außerdem zeigt das Display Timer, Stoppuhren und aktuelle Uhrzeit auf einmal an. Gerade beim Anpfiff ist das praktisch. Wenn das Spiel 15 Uhr beginnen soll, muss man nicht mehr zwischen Uhrzeit und Stoppuhr herumschalten, sondern kann auf einen Blick pünktlich anpfeifen und Spielzeit starten.

Wie sie sich trägt? Sehr angenehm, nicht zu klobig, aber groß genug, um die Zeit auf dem Display bestens zu erkennen. Sie liegt ergonomisch am Handgelenk wie eine Pulszeituhr. Die Tasten, die man während des Spiels benötigt, sind schön griffig. Wie es sich für eine ordentliche Schiri-Uhr gehört ist schwarz.

Schnickschnack ist aber die Beleuchtung, die sich einschaltet, wenn das Handgelenk im 40-Grad-Winkel abknickt. So etwas brauche ich nicht. Genauso wenig wie die 29 Zeitzonen. Ich muss beim Spiel nicht wissen, wie spät es gerade in Sydney ist.

Mein Fazit: Funktional, konzentriert sich fast aufs Wesentliche. Wie ich aber meine Kollegen kenne, wird keiner sagen: "Na, endlich gibt es eine Schiri-Uhr". Was soll sie denn kosten? 60 Euro? Das ist ein stolzer Preis. Dann werden wir uns bestimmt weiterhin mit unseren billigen Modellen zufrieden geben. Aber als Geschenk unter dem nächsten Weihnachtsbaum könnte ich mir die Fifa-Uhr sehr gut vorstellen."

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