Wahre Welt (20):Kann denn Hängen Sünde sein?

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Kein Mobiliar provoziert so wie die Hängematte. Weil das so ist, hat sueddeutsche.de ein aufreizendes Exemplar getestet.

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Die Hängematte - sie ist eine Aufforderung. Anders als das Bett, dessen Funktionalität zugleich auch Existenzberechtigung ist und das mit seinen vier Beinen stets klar macht, wo es steht. Die Hängematte, zumindest in unseren Breitengraden seltenst Schlafstätte, ist Aufforderung zum Müßiggang. Oder Müßigschwung?

Die E-Z 195 von Royal Botania (Foto: Foto: Vera Thiessat)

Egal. Wer sich in die Matte legt, entschwebt dem Drumherum. Darum ist es erwähnenswert, wenn ein solch kokettierendes Möbel neu interpretiert wird: Zu einem Gerät mutiert, das weder Seil noch Baumwolltuch kennt und auch keinen Baum braucht. Sich dafür aus glänzenden Stahlrohrträgern und witterungsbeständigem PVC/Polyesterstoff zusammensetzt. Das nicht zur Seite pendeln kann, dafür in Längsrichtung wippt.

Es ist die E-Z 195 vom belgischen Luxus-Gartenmöbelhersteller Royal Botania. Ein Möbel, das sich selbst trägt und gut aussieht. Ein Designerstück, entworfen von Zaki Molgaard und Bo Larsen, das in seinem langen schmalen Karton kurz in unserer Redaktion halt gemacht hat.

Der Aufbau ist zunächst genauso leicht wie das Design. Die langen, gebogenen Stützen werden mit zwei geschmiedeten Stücken durch simples Stecken verbunden - schon steht das Gerüst. Damit die Stahlträger nicht auseinanderrutschen, werden sie zusätzlich am Boden mit einem Stahlseil gesichert. Zudem müssen zwei Stahlrohre in die Matten-Enden geschoben werden.

Aufregend ist freilich der finale Akt: Das Einbinden der Matte in den Träger. Denn die scheinbar flexible Aufhängung besteht aus soliden Stahlbügeln.

Und die wollen hinter die großen Träger gehakt werden. Damit das klappt, müssen die durchaus flexiblen, aber großen Stahlrohre nach innen gebogen werden.

Nicht auszuschließen, dass es eine elegante Lösung für dieses Problem gibt. Doch die mehr als zwei Meter lange Konstruktion ist störrisch. Letzlich gelingt die Arbeit zwar, allerdings eilen weitere Redakteure zur Hilfe.

Doch dann steht sie, die E-Z 195. Sie ist, man darf es sagen, ein Blickfang. Keiner geht achtlos daran vorbei.

Die Urteile indes driften auseinander. Da ist Enttäuschung bei denen, die sich mit hohen Erwartungen in die Matte legen und die Seitwärtsbewegung vermissen. Andere mögen den Geruch des Batyline-Gewebes nicht.

Dann sind da aber auch jene, die, vor- und zurückwiegend, nicht mehr aufstehen wollen. Da fühlt sich auch der zuvor vorsichtig fragende "ich wiege aber mehr als 100-kg-Redakteur" wohl.

Schön ist sie, kein Zweifel. Lasziv abfallend, mit Kopfrolle, zur Muße drängend.

Wir müssen an Kierkegaard denken, der im Müßiggang kein Übel erkennen wollte, sondern göttliches Leben sah. Allerdings könne das behäbige Treiben, schreibt der dänische Philosoph, "Vermögensverlust veranlassen". Das macht auch der Müßiggang auf der E-Z 195, denn die Liegewiege kostet knapp 700 Euro.

Doch der laut Kierkegaard größten Gefahr des Müßiggangs, der Langweile, vermag sie begrenzt entgegenzuwirken: durch kurzweiligen Schwung - und als Gegenstand angeregter Diskussionen.

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