Wahre Welt (13):Altern im Schnelltest

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Apotheken, Ärzte und Fitness-Studios verdienen mit an der Angst vor dem Altern. Tests wollen das biologische Alter bestimmen. Silke Lode hat diese Lockvögel für Anti-Aging-Programme ausprobiert.

Unsere Gesellschaft wird immer älter. Und gleichzeitig gibt es ein merkwürdiges Ideal, das Jugend für alle als Ziel zu setzen scheint. Mit kuriosen bis hochnotpeinlichen Folgen - man denke an den gelifteten Berlusconi, Sprachverbot über gefärbte Politikerhaare oder solariumsbraune Renterinnen im bauchfreien Oberteil.

(Foto: Foto: Photodisc/ Montage: sueddeutsche.de)

Kein Zweifel - ist gibt Menschen, die sind einfach jung geblieben. Und es gibt solche, die mit 30 schon wie 50 aussehen und dank Stress das Burn-Out-Niveau eines müden Rentners erreicht haben.

Aber dass sich aus dieser Lücke zwischen "biographischem" Alter, also den seit der Geburt verstrichenen Jahren, und "biologischem" Alter eine ganze Branche entwickeln lässt, ist nun doch überraschend.

Es gibt eine Vielzahl verschiedener Tests, die genau diese Lücke messen wollen. Verschiedene Gratisvarianten gibt es im Internet, wer Geld dafür ausgeben möchte, kann auch in Arztpraxen gehen, die sich auf Präventions- oder Anti-Aging-Medizin spezialisiert haben.

Hand aufs Herz: Der AgeScan

Solche Praxen gibt es in München. Selbstverständlich. In einer dieser Münchner Praxen fügt sich im Empfangszimmer das Parkett zu kleinen Sternen zusammen, schwere dunkle Holztüren geben den Anschein von Seriosität und Diskretion. Weiße Vorhänge dämpfen das graue Tageslicht.

Auf einer Säule steht eine abstrakte Goldfigur, in der Ecke ein blau-weißer Kachelofen. Ein Kronleuchter mit hellen Glasklunkern rundet das Zimmer ab. Vermutlich bewirkt schon diese Umhätschelung, dass die Patienten sich gleich Jahre jünger fühlen.

Vom präventiven Check-Up bis zur plastischen chirurgischen Operation wird hier den alternden Menschen eine breite Palette angeboten. Ich bin zwar erst 26. Aber ich altere schließlich auch und entscheide mich für den "AgeScan". Vielleicht bin ich "biologisch" ja schon 40 und sollte dringend erste Schritte einleiten.

Neben Größe, Gewicht und Geschlecht interessiert sich der Testcomputer für verschiedene Reaktionsfähigkeiten, Gedächtnis und Körperkraft. Einmal fest ins Lungenventil pusten, einen Kraftsensor zusammenpressen, Memory spielen und Zahlen ordnen - der Test macht Spaß. Die Computerstimme erzählt nebenher Romane, auch ganz amüsant.

17 oder 25?

Dann die große Anspannung: Was wird die Auswertung bringen? 25,4 Jahre. Nicht schlecht, glatt ein halbes Jahr jünger. Komisch. Wenn ich vor dem Test viel getrunken hätte und schwerer gewesen wäre, hätte mich das bestimmt gleich zwei Jahre gekostet.

Noch besser gefallen mir die Ergebnisse eines Internet-Tests, der einem Standardtest des amerikanischen Altersforschers Michael F. Roizen nachempfunden ist. Hier bin ich nur 17,3 Jahre alt. Darauf muss ich mir nächstes Wochenende gleich mal die Nächte um die Ohren schlagen und eine fette Havanna rauchen.

Vielleicht lag es daran, dass der Internet-Test mein schlechtes Abschneiden bei den Konzentrationsübungen übersehen hat, schließlich wurden nur einfache Fragen gestellt wie etwas: "Wie oft frühstücken Sie?" oder "Wie alt wurden Ihre Großeltern?".

Als Altmacher gelten bei allen Tests Faktoren wie eine ungünstige genetische Veranlagung, Übergewicht, Stress, schlechte Ernährung, Rauchen oder Schlafmangel.

Dennoch bleibt das Gefühl, dass die Tagesform ziemlich wichtig ist. Schon morgen könnte ich nicht mehr 17 oder 25, sondern vielleicht doch eher 40 sein. Ohne Ernährungsumstellung oder Genaustausch.

Fazit: Als Gag mit Freunden oder als dezenter Hinweis auf Laster im Lebenswandel mögen die Tests ihre Daseinsberechtigung haben. Die Angebote mancher Arztpraxen, welche noch dazu aus eigener Tasche bezahlt werden müssen, gehören wohl doch eher auf den Luxus-Misthaufen.

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