Vom Aussterben bedroht:Vogelforscher kommen auf den Spatzen

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Das Untersuchungsobjekt scheint zunächst profan, der Sinn unklar. Doch das Sperlings-Projekt niedersächsischer Biologen ist dringend notwendig: Die Spatzen-Populationen schrumpfen ständig, in Metropolen wie Paris und London piept es schon lange nicht mehr aus den Hecken.

Auf einem Tisch im Labor steht ein weißes Mikroskop. "Schauen Sie doch einmal durch", ermuntert Erika Vauk-Henzelt. "Aber ekeln sie sich jetzt bloß nicht", sagt die Biologin schmunzelnd. Durch das Objektiv werden verschlungene Fliegen und Würmer sichtbar, die halb verdaut sind. Sie stammen aus dem kleinen Magen eines "Passer domesticus" - auch Hausspatz genannt.

Die 49 Jahre alte Wissenschaftlerin leitet in Fintel im Landkreis Rotenburg (Niedersachsen) die Forschungsstation der Deutschen Wildtier Stiftung. Sie will zusammen mit ihren vier Kollegen alles über den Haussperling erforschen: Wovon er sich ernährt, wie er lebt und vor allem, warum er überall vom Aussterben bedroht ist.

Kein Spatz im Hamburger Stadtpark

In den europäischen Metropolen London und Paris gebe es den in der Literatur als Allerweltvogel beschriebenen Haussperling schon überhaupt nicht mehr, berichtet Vauk-Henzelt. Und auch im Stadtpark von Hamburg hüpfe schon seit langem kein Spatz mehr herum.

In den vergangenen 20 Jahren habe es bei den Spatzen "dramatische Bestandseinbrüche" gegeben, sagt der Geschäftsführer des Naturschutzbundes (NABU) Bremen, Sönke Hofmann. "Das ist ein ganz klares Alarmzeichen." Als Hauptgründe nennt der Vogelexperte das Verschwinden von Häusernischen durch Sanierung und viele fremdländische Pflanzen in den heimischen Gärten. "Mit Rhododendron und Kirschlorbeer kann der Spatz nichts anfangen."

Im ländlichen Fintel ist die Welt dagegen noch in Ordnung. Die Spatzen, die hier leben, fühlen sich in dem kleinen Dorf ausgesprochen wohl. "Es gibt kaum Verkehr, keinen Großstadtlärm und vor allem noch richtige Bauernhöfe", sagt die Wissenschaftlerin. "Und sogar Misthaufen, auf denen man sich als Dreckspatz vorzüglich vergnügen kann."

Die Einwohner haben für die Spatzen sogar Nistkästen aufgehängt. "Der Haussperling braucht nun einmal die Nähe zum Menschen." Deshalb auch sein lateinischer Name "Passer domesticus" - was so viel heißt wie "dem Haus zugehörig".

Das Forscherteam in Fintel hat schon allerhand über den Haussperling herausgefunden: Dass er vier bis fünf Junge aufzieht und sich gern in Gärten mit standorttypischen Gewächsen aufhält. Sogar einen Computer haben die Forscher an einen der Nistkästen angebracht.

Forscherbesuch aus dem Ausland

Er ist mit der Station verbunden und zeigt per Piepton an, wann und zu welcher Zeit das Männchen oder das Weibchen ihr Nest verlassen. 250 Ab- und Anflüge haben die Forscher allein an einem Tag gezählt.

Auch die Mahlzeiten des Vogels kennen die Finteler Forscher inzwischen ganz gut. Seziert werden aber nur die Mägen von Hausspatzen, die tot am Straßenrand liegen. "Absichtlich Spatzen töten, so etwas machen wir hier natürlich nicht", versichert Isabel Prieto, die ebenfalls in der Station arbeitet.

Alle Daten kommen in eine Langzeitstudie. Sie soll aufzeigen, welche Bedingungen der Spatz zum Überleben braucht und welche Einflüsse ihm gefährlich werden.

Auch andere Wissenschaftler interessieren sich für die Arbeit der Spatzenforscher in Fintel. Einige Experten kommen sogar regelmäßig aus dem Ausland. "Selbst der englische Spatzenpapst Dennis Summersmith war schon da."

© von Christian Mahnken, dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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