Verschleppte Touristen:Eine rätselhafte Befreiung

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Nach elf Tagen in der Hand von Kidnappern sind die elf entführten Sahara-Touristen in Sicherheit - auch deutsche Spezialkräfte waren bei der Befreiung vor Ort.

Stefan Ulrich, Rom

Diesmal stimmt die frohe Botschaft: Die elf Touristen und ihre acht ägyptischen Begleiter, die elf Tage lang in der Gewalt von Kidnappern in der nordafrikanischen Wüste waren, sind frei. Das ägyptische Fernsehen zeigte am Montagnachmittag Bilder, wie sie an Bord einer Militärmaschine unverletzt auf dem Militärflughafen Sharq bei Kairo eintrafen.

Erleichterte Geiseln bei ihrer Ankunft in Kairo: Wie lief die Befreiung? (Foto: Foto: dpa)

Dort wurden sie von ägyptischen Sicherheitskräften mit Blumen begrüßt. Nach einer Untersuchung in einem Militärkrankenhaus sollten die elf Europäer - fünf Deutsche, fünf Italiener und eine Rumänin - bald in ihre Heimatländer ausgeflogen werden.

An der Befreiung waren nach Angaben des Verteidigungs- und des Innenministeriums auch deutsche Spezialkräfte beteiligt. Demnach waren sowohl Spezialisten der Bundeswehr als auch Beamte der GSG9, der Fliegerstaffel der Bundespolizei, des Bundeskriminalamts sowie Logistikexperten des Technischen Hilfswerks am Ort der Befreiung. Ministeriumssprechern zufolge wurden die deutschen Kräfte allerdings nicht benötigt.

Die ägyptische Regierung habe die von Deutschland angebotene Hilfe angenommen, um sie als Unterstützungskräfte vor Ort einzubinden. "Dazu ist es glücklicherweise nicht gekommen", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums.

Unklar war am Montag noch, ob die Geiseln mit Gewalt befreit wurden und ob Lösegeld gezahlt wurde. Der ägyptische Verteidigungsminister Mahamed Hussein Tantawi sagte, die Hälfte der etwa 35 Entführer sei "liquidiert" worden. Aus anderen Quellen hieß es dagegen, es habe keine gewaltsame Befreiungsaktion gegeben, auch sei kein Geld bezahlt worden.

Möglicherweise lief die rätselhafte Befreiungsaktion so ab, wie sudanesische Regierungsvertreter es am Montag in Khartum darstellten. Demnach stießen sudanesische Soldaten am Sonntag auf einen Teil der Kidnapper. Sie töteten sechs der Männer und nahmen zwei von ihnen fest. Der Rest floh in den Tschad und ließ dabei angeblich die Europäer und ihre Reisebegleiter zurück. Anderen nordafrikanischen Quellen zufolge wurden die Geiseln von einem ägyptischen Spezialkommando in der Wüste des Tschad befreit und dann mit Helikoptern auf ägyptisches Territorium gebracht.

In Berlin herrschte am Montagnachmittag noch größte Vorsicht. "Seien Sie sicher: Wenn es gute Nachrichten zu verkünden gibt, sind wir die Ersten, die das gerne bestätigen", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes, "aber wirklich nur dann, wenn sie Hand und Fuß haben."

Erst als die Entführten in Kairo eingetroffen waren, bestätigte Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Berlin die erlösende Nachricht. Er sei "sehr erleichtert, dass die fünf deutschen Staatsangehörigen wieder in Freiheit sind." Zu Details der Befreiung äußerte er sich nicht.

Erst als die Entführten in Kairo eingetroffen waren, bestätigte Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Berlin die erlösende Nachricht. Er sei "sehr erleichtert, dass die fünf deutschen Staatsangehörigen wieder in Freiheit sind."

Schaden für ägyptischen Tourismus

Die anfängliche Skepsis war verständlich. Bereits am Montag vor einer Woche hatte ein ägyptisches Regierungsmitglied verkündet, die Geiseln seien befreit - ein Irrtum. Auch andere Informationen über die Entführung waren in den vergangenen Tagen widersprüchlich bis mysteriös. So suggerierte die sudanesische Regierung, die Kidnapper seien Rebellen aus der sudanesischen Provinz Darfur.

Ihnen ginge es bei ihrer Tat weniger um Lösegeld als darum, dem ägyptischen Tourismus zu schaden - weil sich das Land für die Unabhängigkeit Darfurs starkmache. Italienische Medien dagegen vermuteten, die sudanesische Regierung wolle die Verhandlungen mit den Geiselnehmern und eine mögliche Zahlung von Lösegeld sabotieren. Auch der Aufenthaltsort der Entführten blieb unklar. So hieß es nacheinander, die Gruppe befinde sich im Sudan, in Libyen und im Tschad. Die Regierungen dieser Staaten bestritten dies aber.

Wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa nun meldete, hielten sich die Kidnapper mit ihren Geiseln mehrere Tage lang in einer Oase auf. Der Kontakt zu ihnen sei nie abgerissen. Auf europäischer Seite führten dabei die deutsche Botschaft in Kairo und ein Krisenstab in Berlin die Verhandlungen. Nach noch nicht bestätigten Quellen verlangten die Geiselnehmer zunächst 60 Millionen Dollar Lösegeld. Später sollen sie ihre Forderung erheblich reduziert haben.

Der italienische Premier Silvio Berlusconi zeigte sich laut der Ansa am Montag sehr zufrieden mit dem Ausgang des Entführungsfalles. In der ihm eigenen Bescheidenheit behauptete er, die anderen von der Geiselnahme betroffenen Regierungen hätten auf eine rasche, gewaltsame Befreiungsaktion gedrängt. "Wir aber, mit unserer langjährigen Regierungserfahrung, befanden, dass eine solche Lösung das Leben der Geiseln gefährdet hätte. Und auch in diesem Fall haben wir recht behalten."

© SZ vom 30.9.2008/grc/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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