Vermisste Vierjährige:Madeleines Eltern fahren zum Papst

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Vom Prinzen bis zum Papst: Auf der verzweifelten Suche nach ihrer entführten Tochter haben die Eltern der kleinen Madeleine buchstäblich Gott und die Welt eingeschaltet. Prinz Charles half schon bei der Fahnung, nun ist der Papst an der Reihe.

Prinz Charles, Camilla, Tony Blair und sein Nachfolger Gordon Brown sowie David Beckham halfen bereits mit bei der Fahndung nach dem britischen Mädchen, das am 3. Mai in Portugal gekidnappt wurde.

Die Eltern von Madeleine vor einem Plakat mit ihrer vermissten Tochter. (Foto: Foto: Reuters)

An diesem Mittwoch treffen Gerry und Kate McCann Papst Benedikt XVI. in Rom - damit erreicht der Fall seinen bisherigen Höhepunkt in der öffentlichen Wahrnehmung.

Jahr für Jahr verschwinden tausende Kinder, allein in Deutschland werden derzeit mehr als 1600 Kinder und Jugendliche vermisst. Doch selten nimmt die ganze Welt teil an diesen Dramen. Die extreme Medienpräsenz ist nach Einschätzung von Kriminologen jedoch auch ein Risiko für die Vierjährige, falls sie noch am Leben ist.

"Der Papstbesuch würde unserer Suche eine große Bekanntheit bringen, und Kate geistliche Unterstützung", schreibt Vater Gerry McCann in einem Internet-Tagebuch auf der eigens installierten Seite www.findmadeleine.com, die mittlerweile mehr als 100 Millionen Klicks verzeichnet.

Die Eltern haben die Medien zu ihren Verbündeten gemacht und hoffen, so ihre kleine Tochter wiederzufinden. Nach Rom werden die McCanns in einem Privatjet von Multi-Millionär Philip Green geflogen. Danach wollen sie zu einer Europareise aufbrechen, die sie unter anderem nach Berlin und Amsterdam führen soll, wo Interviews mit Fernsehsendern geplant sind.

"Das Wichtigste an der Kampagne ist, dass Madeleines Bild so gut wie möglich im Gedächtnis bleibt", sagt der Vater. Die Welt kann zusehen, welchen Albtraum die Eltern durchleiden, seit ihre Tochter vor mehr als drei Wochen aus einer Ferienanlage in Praia da Luz in Portugal entführt wurde, während die McCanns beim Abendessen waren.

Ein attraktives Ärzteehepaar, das sich gut artikulieren kann und Bilder eines kleinen Mädchens, das mit seinen Kulleraugen Herzen zerreißt - das ist die perfekte Mischung für die Medien. "Es gab wohl selten einen Fall, der für so viel Aufsehen gesorgt hat", sagt Paul Tuohy vom Wohltätigkeitsverein National Missing Persons Helpline.

Die 38 Jahre alten Eltern rücken auch deshalb so stark in den Vordergrund, weil die portugiesische Polizei fast keine Details zu dem Fall bekannt macht. Bis auf die Beschreibung eines Verdächtigen gab es bisher noch keine nennenswerten Berichte. Dafür liest Gerry McCann regelmäßig Stellungnahmen vor laufenden Kameras vor, seine Frau steht abgemagert und mit eingefallenem Gesicht neben ihm und klammert sich an ein Plüschtier von Madeleine.

Die Familie der McCanns in England trug mit Ketten-E-Mails, Gottesdiensten, Besuchen im britischen Unterhaus in London und Interviews zu dem Massengefühl bei. "Die Familie weiß, wie wichtig es ist, die Medien zu benutzen, um Madeleine wiederzufinden", sagt David Hodson von der International Family Law Group, die die McCanns berät.

Die massive Aufmerksamkeit ist jedoch auch ein Risiko. "Man ist das bewusst eingegangen. Doch durch die extreme Öffentlichkeit könnten die Entführer unter Druck geraten, das ist jedem klar", sagt Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen. Das könne negative Konsequenzen für das Kind haben.

Andererseits bestehe so die Chance, dass sich Zeugen melden, die sich sonst nicht an das Gesicht des Kindes erinnert hätten. Pfeiffer ist davon überzeugt, dass die Präsenz der Bilder langsam zurückgefahren werden muss: "Die dauernden Fotos sind nicht hilfreich. Es ist wichtig, dass sich die öffentliche Aufmerksamkeit jetzt legt."

Denn nur so würden die Entführer - falls Madeleine noch lebt - das Risiko eingehen, sich mit ihr zu zeigen.

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