Vermisste Michelle:Traurige Gewissheit

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Die seit Montag vermisste achtjährige Michelle aus Leipzig ist tot. Die Polizei fand ihre Leiche nahe ihrem Elternhaus. Laut Obduktionsbericht wurde das Kind ermordet.

Arne Boecker, Schwerin

Drei Tage nach dem Verschwinden der achtjährigen Michelle gibt es traurige Gewissheit: Das Mädchen aus Leipzig ist tot. Die Polizei entdeckte am Donnerstag im Teich eines Leipziger Parks eine Kinderleiche; am Abend wurde bekannt, dass es sich um die Achtjährige handelt.

Passanten haben vor Michelles Grundschule in Leipzig Kerzen und Blumen aufgestellt (Foto: Foto: dpa)

Mittlerweile steht auch fest, dass das Kind ermordet wurde. Das habe die Obduktion der Leiche ergeben, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Hans Strobl. "Es geht jetzt darum, den Täter dingfest zu machen und zur Verantwortung zu ziehen." Weitere Ergebnisse der Obduktion lägen noch nicht vor. Diese sollte erst am späteren Abend beendet sein.

Die Polizei konzentriert jetzt auf die Fahndung nach dem Täter. Die Sonderkommission wurde umgebaut und ihre Mitgliederzahl auf knapp 180 erhöht, sagte Landespolizeipräsident Bernd Merbitz am Donnerstagabend in Leipzig. Mit allen Mitteln und der Hilfe von Kriminalpolizisten und Experten für Gewaltverbrechen von auswärts werde nun nach dem Täter gefahndet.

Landespolizeipräsident Bernd Merbitz bat um Verständnis, dass die Polizei nicht alle Details bekanntgeben könne, weil das die Suche nach dem Täter erschweren würde. Das betreffe die Todesart, den Todeszeitpunkt und die Frage, ob das Mädchen sexuell missbraucht wurde.

Auch die Eltern des Kindes seien über den Tod ihrer Tochter informiert worden, sagte ein Polizeisprecher. Die Eltern des Kindes haben ihre Tochter nach Angaben der Polizei bisher nicht identifiziert. Ob sie das tun werden, sei ganz allein ihre Entscheidung, sagte Strobl. Es handele sich bei der Leiche "nach menschlichem Ermessen" aber um Michelle. Das zeigten die zahlreichen Übereinstimmungen bei Kleidung und sonstiger Beschreibung. Juristisch gebe es aber erst Sicherheit, wenn eine DNA-Probe vorliege.

Spezialisten des Landeskriminalamtes (LKA) seien noch dabei, den Fundort zu untersuchen, sagte Polizeichef Merbitz. Es sei nicht leicht gewesen die betreffende Stelle zu erreichen, ohne dabei mögliche Spuren zu zerstören. Der LKA-Trupp habe sich zunächst Meter um Meter an den leblosen Körper heranarbeiten müssen, hieß es später bei der Polizei. Aus Thüringen war eine Staffel speziell ausgebildeter Hunde angefordert worden. Sie sollen mögliche Fährten aufnehmen, die vom Fundort wegführen.

Die Fundstelle der Leiche, ein kleiner Teich, der in einen Park eingebettet ist, liegt im südöstlichen Leipziger Ortsteil Stötteritz. Stötteritz liegt im Südosten der sächsischen Großstadt. Am Donnerstag gegen 12.30 Uhr war bei den Ermittlern der Hinweis eines Spaziergängers eingegangen. Sofort machte sich ein Suchtrupp auf den Weg.

Die Fundstelle der Leiche, ein kleiner Teich, der in einen Park eingebettet ist, liegt im südöstlichen Leipziger Ortsteil Stötteritz. Am Donnerstag gegen 12.30 Uhr war bei den Ermittlern der Hinweis eines Spaziergängers eingegangen. Sofort machte sich ein Suchtrupp auf den Weg. Das Stötteritzer Wäldchen ist ein vier Hektar großes Naherholungsgebiet, das vor allem Spaziergänger, Jogger und Radfahrer nutzen.

Der Teich liegt sowohl von Michelles Elternhaus als auch von ihrer Grundschule weniger als zwei Kilometer und von dem Ort, an dem das Mädchen zuletzt gesehen wurde, knapp einen Kilometer entfernt. Bereitschaftspolizisten sperrten das Gelände am Donnerstagnachmittag weiträumig ab, um Dutzende Schaulustige und Journalisten fernzuhalten. Unklar blieb zunächst, ob das Wäldchen bereits zu Wochenbeginn von Polizisten durchkämmt worden war.

Die vermisste Achtjährige stammt aus Reudnitz-Thonberg, das wie Stötteritz zum Leipziger Stadtbezirk Südost zählt. Am Montag hatte Michelle den Ermittlungen zufolge an dem Ferienprogramm teilgenommen, das ihre Schule anbot. Gegen 15.30 Uhr trat sie, begleitet von einer Freundin, den Heimweg an. Den etwa zehnminütigen Weg zwischen Schule und Elternhaus hatte sie schon als Erstklässlerin problemlos bewältigt.

An einer Kreuzung trennten sich die Mädchen schließlich. Michelle habe ihrer Freundin angedeutet, noch einen gewissen "L." besuchen zu wollen. Nach Auskunft der Polizei führt dieses Detail jedoch ins Leere. Später am Montag gingen Michelles Eltern in großer Sorge zur Polizei. Ihre Tochter sei überaus zuverlässig und noch nie weggelaufen, gaben sie an. Auch habe es keinen Streit in der Familie gegeben. Dann meldeten sie Michelle als vermisst. Die Eltern werden seitdem von Polizei-Psychologen betreut.

Die Polizei hatte seit Montag etwa 150 Beamte eingesetzt, um die Achtjährige zu finden. Außerdem boten die Ermittler für die Suche eine Pferdestaffel sowie Hubschrauber auf, die man mit Wärmebildkameras bestückt hatte. 5000 Plakate mit dem Bild des Mädchens wurden gedruckt und in Leipzig verteilt.

Gleichzeitig überprüfte die Polizei diejenigen Männer aus der Region, die früher einmal als Sexualstraftäter oder Exhibitionisten aufgefallen sind. Die Überprüfung brachte jedoch letztlich keine Anhaltspunkte. Auch die Durchsicht der Videos, die in Bussen und Straßenbahnen aufgenommen werden, brachte die Sonderkommission "Michelle" nicht weiter.

Mit Hilfe derartiger Aufnahmen war im Februar des vergangenen Jahres der Mörder des neunjährigen Mitja aus Leipzig gefunden und überführt worden. Die Sonderkommission konzentrierte ihre Suche schließlich auf die im Südosten liegenden Ortsteile Leipzigs. Dort gibt es zahlreiche leerstehende und verfallene Gebäude. Mehrfach fanden Freiwillige, die sich an der Suche beteiligt hatten, Kleidungsstücke. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass all diese Spuren in die Irre führen.

Mit dem Leichenfund im Stötteritzer Wäldchen sind jetzt die schlimmsten Befürchtungen wahr geworden. Ungleich mehr Glück hatte die Familie des zehnjährigen Patrick, der am Montag fast zeitgleich mit Michelle verschwunden war. Noch am selben Tag war einem Busfahrer kurz vor Mitternacht ein Junge aufgefallen, der verloren in einer der Reihen saß. Es war Patrick. Er habe einen Freund besuchen wollen und sich dabei verfahren, gab er an.

© SZ vom 22.08.2008/AP/dpa/grc/aho/ssc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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