Verkehr:Die Farbe der Beförderung

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Seit mehr als 30 Jahren müssen in Deutschland Taxis hell-elfenbeinfarben sein. Doch in Stuttgart ist seit Oktober alles anders.

Von Wulf Reimer

(SZ vom 27.11.2003) — Rade Malidzan ist sein halbes Leben Taxi gefahren, er kennt die kleinen Kniffe der Zunft. Natürlich weiß er, dass man nur bei Wärme eine Farbfolie relativ leicht vom Autoblech ablösen kann.

Und in Stuttgart ist es schon ein paar Wochen lang herbstlich kalt, aber darauf hat der aus Montenegro stammende Malidzan keine Rücksicht genommen. Zwei Tage, erzählt der bald 65-Jährige, hätten er und seine Tochter gebraucht, um mit blutunterlaufenen Fingernägeln von seinem Mercedes der S-Klasse die elfenbeinfarbene Plastikhaut herunterzukratzen. Zum Vorschein kam das originale Silbermetallic.

Als die Behörden zum 1. Oktober die Taxiunternehmer in Stuttgart, Baden-Baden und vier Landkreisen - befristet - vom Zwang zur Monochromie befreiten, reagierte Malidzan sofort. Als einer der ersten startete er aus dem Farbreservat des Elfenbeinturms in eine bunte neue Droschkenwelt.

Farbe kommt an

Der Farbton hell-elfenbein ist in Deutschland seit 1970 für Taxis vorgeschrieben. Einen vom Staat oktroyierten Einheitslook gibt es sonst nur noch in Portugal. Die gelben Cabs in New York oder die schwarzen Taxis im Londoner Verkehrsgewühl verdanken ihren Lack der Vorliebe der Betreiber.

Die Stuttgarter Enthüllung scheint sich zu lohnen: Wenn sich Rade Malidzan am Marktplatz in die Schlange wartender Kollegen einreiht, geschieht es öfter, dass ein Kunde an den vorderen Taxis vorbei gezielt auf seinen silbrig glänzenden Wagen zusteuert. "Die Leute sind total begeistert", berichtet der Farbpionier, "das ist absolut der Hammer."

Im ganzen ist das Echo auf die Neuerung freilich geteilt, auch in der Branche. Der Taxiverband Deutschland hat diesen Schritt seit langem gefordert. Der Staat überlasse es ja auch Bäckern und Metzgern, wie sie ihre Läden anstreichen, sagt der Vorsitzende Peter Kristan und verweist zudem auf einen höheren Wiederverkaufswert: ein Auto, welches aussehe wie ein deutsches Taxi, zähle auf Gebrauchtwagenmärkten zu den Ladenhütern.

RAL 1015 und der Wiedererkennungswert

Dieses Problem indes, wendet ein wütender Taxifahrer am Stuttgarter Hauptbahnhof ein, stelle sich für ihn überhaupt nicht. "Mein 300-er Diesel", schimpft der Gegner jedweder Liberalisierung, "hat 450.000 Kilometer drauf und den ersten Motor - glauben Sie, den kauft noch einer?"

Verständnis findet der Mann beim Deutschen Taxi- und Mietwagenverband. Für dessen Präsidenten Hans Meißner steht außer Frage, dass sein Gewerbe mit der Normfarbe RAL 1015 "ein echtes Faustpfand in den Händen" hält. "Der Wiedererkennungswert ist enorm."

Eine Interessengemeinschaft Stuttgarter Taxiunternehmer betrauert gar schon im Internet das Ableben von Hell-Elfenbein: "Aus Machtgier und Selbstdarstellungssucht wird uns mit das Wichtigste genommen, um das uns so viele beneiden."

So weit indes ist es noch lange nicht. Wie alle nationalen Streitfragen von schicksalhafter Bedeutung landet auch die Taxifarbe im Bundesrat, und zwar an diesem Freitag, auf Antrag des Saarlands.

Dessen Wirtschaftsminister Hanspeter Georgi ist der Ansicht: "Ein Taxischild auf dem Dach reicht als Erkennungsmerkmal völlig aus." Ob das die Länderkammer überzeugt, ist offen.

Und Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) möchte ohnehin die hergebrachte Ordnung bewahren.

Stolpes Stuttgarter Kollege Ulrich Müller (CDU), der den regional und zeitlich begrenzten Farbtest erlaubt hat, sichert sich ab durch eine Begleituntersuchung an der Fachhochschule Nürtingen.

Die Professoren Werner Ziegler (Marketing) und Heidemarie Seel (Wirtschaftspsychologie) sollen herausfinden, welche Rolle der Fahrzeuganstrich bei den Kunden spielt. Das Resultat einer Vorerhebung könnte die Euphorie dämpfen - vielen Leuten ist die Taxifarbe ziemlich egal.

Auch haben bis jetzt erst 22 Unternehmer den elfenbeinfarbenen Tarnüberzug abgestreift. Trotzdem ist Rade Malidzan hoffnungsfroh: "Im Frühjahr werden viele die Folie wegmachen."

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