Verhütung:Pille ohne Pause

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In dieser Woche wird in den USA ein neues Verhütungsmittel eingeführt, das die Regelblutung der Frau unterdrückt. Allerdings sind die Langzeitfolgen noch nicht erforscht.

(SZ vom 29.10.2003) - Drei Monate regelfrei - für manche Frauen klingt das besser als drei Monate bezahlter Urlaub. Denn während ihrer "Tage" leiden sie oft unter Übelkeit, Bauch- oder Kopfschmerzen, andere fühlen sich schon vor dem Eintreten der Periode unwohl, depressiv oder gereizt.

Mit der Dreimonatspille "Seasonale", die in dieser Woche in den USA eingeführt wird, kommt die Pharmaindustrie dem Wunsch vieler Frauen nach einem Leben ohne Regelbeschwerden entgegen.

Das neue Verhütungsmittel enthält eine Kombination aus Östrogen und Gestagen in niedriger Dosierung, ähnlich wie einige der bereits erhältlichen Mikropillen.

Im Gegensatz zu diesen wird "Seasonale" aber ohne Unterbrechung an 84 aufeinander folgenden Tagen eingenommen, an denen die Regel ausfällt. Erst dann folgt eine Pause von sieben Tagen.

Eine Zulassung in Europa plant die Herstellerfirma Barr Laboratories derzeit noch nicht. Im Moment seien jedoch auch in Deutschland viele Unternehmen dabei, Pillen zu entwickeln, die man ohne die übliche Pause einnehmen kann, sagt Hans-Peter Zahradnik von der Universitäts-Frauenklinik in Freiburg. Einige Hormon-Produkte, die die Monatsblutung unterdrücken, sind auch schon auf dem Markt.

Neuer Trend in der Verhütungsmittelindustrie

All diese Entwicklungen zeigen einen neuen Trend in der Verhütungsmittelindustrie: Das Auftreten der Monatsblutung nicht mehr der Natur zu überlassen, sondern es ganz nach persönlichen Wünschen zu regulieren. Das geschieht allerdings, ohne dass die langfristigen Folgen dieses Eingreifens genau bekannt sind.

Einige Frauenfachärzte betrachten das Thema sogar von der umgekehrten Seite: Welchen Sinn und Nutzen hat überhaupt die Monatsblutung? In Naturvölkern seien Frauen die meiste Zeit schwanger oder stillten, sagt die Anthropologin Beverly Strassmann.

Die Regelblutung sei daher eher ein unnatürlicher Zustand. Auch unter medizinischen Aspekten werden die Vor- und Nachteile des "Abstellens" der monatlichen Blutung inzwischen diskutiert.

Zugeraten wird zum Beispiel Frauen mit starken Schmerzen während der Menstruation oder bei Migräneattacken in der Pillenpause. Aber auch wenn eine Frau einfach keine Lust auf die Monatsblutung hat, nehmen dies immer mehr Gynäkologen zum Anlass, die Menstruation durch Hormonpräparate zu unterdrücken.

"Ganz wichtig ist immer, wie die Frau selbst das Ausbleiben der Regel empfindet", meint Thomas Strowitzki von der Universitäts-Frauenklinik in Heidelberg. Manche fänden die monatliche Blutung unpraktisch und lästig, andere bräuchten sie, um sicher zu sein, dass sie nicht schwanger sind.

Und auch von Kultur zu Kultur ist die Bedeutung der Regelblutung unterschiedlich, fanden Forscher in einer internationalen Studie kürzlich heraus (1): Afrikanische Frauen wollen nur ungern darauf verzichten, während Europäerinnen und Amerikanerinnen es vorziehen würden, seltener Blutungen zu haben.

Kurz- oder langfristige Nebeneffekte

Ob das Unterbinden der Regel kurz- oder langfristige Nebeneffekte mit sich bringt, ist unter Fachleuten noch umstritten. Ein normaler hormonaler Zyklus bewirke bei Frauen im gebährfähigen Alter zwei Wochen lang ein Absinken des Blutdrucks, sagt die amerikanische Psychiaterin Susan Rako.

Dies trage dazu bei, dass in dieser Bevölkerungsgruppe weniger Herzinfarkte auftreten als in anderen. Das Unterdrücken der Regel könne deshalb möglicherweise die Häufigkeit von Herzinfarkten erhöhen.

Andere Mediziner halten solche Bedenken für überzogen. "Ich erwarte keine neuen oder schwerwiegenderen Nebenwirkungen, wenn die Pille durchgehend anstatt zyklisch eingenommen wird", sagt Rainer Kimmig, Direktor der Universitäts-Frauenklinik in Essen. Für Herz-Kreislauferkrankungen sei meist die Pille in Kombination mit anderen Faktoren, zum Beispiel Rauchen oder wenig Bewegung, verantwortlich. Und das Krebsrisiko werde durch die Pille sogar eher gesenkt.

Allerdings seien für ein endgültiges Urteil über Präparate, die die Blutung unterdrücken, kontrollierte Langzeitstudien nötig, betont Kimmig.

Auch in anderer Hinsicht könnte das Eingreifen in den monatlichen Zyklus der Frau unabsehbare Folgen haben. "Bestimmte Rhythmen haben sich im Lauf der Evolution als sinnvoll herausgestellt und sind keine Spielerei der Natur", sagt Ekkehard Haen von der Universität Regensburg. "Es würde mich daher überraschen, wenn solche Präparate das komplizierte hormonelle Gefüge nicht durcheinander bringen würden."

Dies sei zwar nur eine theoretische Annahme, meint Haen, dennoch sollten Ärzte und Apotheker Nebenwirkungen der zyklusunterdrückenden Substanzen sorgfältig im Auge behalten.

(1) Contraception, Bd. 67, S. 1, 2003

© Von Christine Amrhein - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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