Verbrecherjagd mit Daten:Untaten, die zum Handeln zwingen

Lesezeit: 2 min

Der Schock über die Verbrechen des Sexualmörders Fourniret könnte endlich zu einem Europäischen Strafregister führen.

Von Cornelia Bolesch

Die grenzüberschreitenden Verbrechen des französischen Sexualmörders Michel Fourniret könnten für die gemeinsame europäische Justizpolitik die gleiche Bedeutung haben wie die Terroranschläge des 11.September. Oft sind es erst solche Schocks aus dem realen Leben, die dafür sorgen, dass aus politischen Absichten endlich konkrete Gesetze werden.

So haben die Terror-Anschläge vom Herbst 2001 bewirkt, dass in der EU der Europäische Haftbefehl schneller auf den Weg gebracht wurde als erwartet. Fournirets Taten wiederum könnten jetzt die Realisierung eines Europäischen Strafregisters beschleunigen, an dem die EU-Kommission bereits arbeitet.

Vernetzte Behörden

In dieser Computerdatei sollen aus allen EU-Staaten wichtige Erkenntnisse über kriminelle Täter eingegeben werden. Alle europäischen Polizei- und Justizbehörden könnten sich dann automatisch daraus bedienen. Gäbe es so ein EU-Register schon, hätte die belgische Polizei dem angeblich unbescholtenen Franzosen Michel Fourniret, der 1992 von Frankreich nach Belgien gezogen war, wohl kein sauberes Führungszeugnis ausgestellt. Doch damals hat man nur das belgische Strafregister befragt.

Da aber gab es keine Eintragung über Fourniret. Nur im französischen Register waren seine Vorstrafen gespeichert.

Es fehlt an Routine

Nichts hätte die belgische Polizei allerdings daran gehindert, sich bei den französischen Kollegen nach der Vita Fournirets zu erkundigen. Die europäischen Justizbehörden sind schließlich seit 1959 im Rahmen einer EU-Konvention zur gegenseitigen Information verpflichtet. Doch in der Routine des Polizeialltags fehlt es oft an der nötigen Eingebung.

Und förmliche Anfragen sind immer auch mit bürokratischem Aufwand verbunden. So steht jetzt im Zentrum aller politischen Forderungen die baldige Einführung einer zentralen EU-Datenbank. "Eine solche Datenbank hätten wir lieber heute als morgen", erklärte - neben vielen anderen - auch ein Sprecher des deutschen Justizministeriums.

Wichtige Hinweise getilgt

Mit der Einführung des zentralen Registers allein ist es aber nicht getan. Die 25 Staaten der Europäischen Union müssen sich einigen, welche Daten dort gespeichert werden sollen und, vor allem, wie lange. Sonst kann es böse Überraschungen geben. Als nämlich Michel Fourniret im Jahr 2003 endlich in einem belgischen Gefängnis saß und die belgische Staatsanwaltschaft von den französischenBehörden wissen wollte, was sie über diesen 62-Jährigen wüssten, der gerade im belgischen Ciney versucht hatte, ein Mädchen zu entführen, da bekamen sie, wie belgische Medien berichten, nur Angaben über bewaffneten Raub.

Alle Hinweise auf die früheren Vergewaltigungen waren offenbar getilgt, weil Fourniret seine Strafe inklusive Bewährung in Frankreich abgebüßt hatte. Die Zeitung DeMorgen berichtet jetzt, dass die belgische Polizei im Auftrag der französischen Behörden bereits 1996 das Haus Fournirets durchsucht habe. Auch damals scheint man sich nicht für die Sexualdelikte, sondern für Waffengeschäfte interessiert zu haben.

In einem EU-Strafregister dürfen schwere Straftaten wie Vergewaltigung jedenfalls nicht gelöscht werden. Doch auch dann ist ein solcher Zentralcomputer keine Wunderwaffe gegen Kinderschänder. Fourniret hat schließlich acht der neun bisher eingestandenen Morde in Frankreich verübt, einige bereits vor fünfzehn Jahren. Jeder französische Polizist konnte sein Vorleben kennen. Dennoch kam man ihm nicht auf die Spur.

© SZ vom 6.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: