Verbrechen:Das Grauen im Hinterzimmer

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Wegen Mordes und sexuellen Missbrauchs an Pascal aus Saarbrücken müssen sich 13 Männer und Frauen vor Gericht verantworten.

Von Hans Holzhaider

Saarbrücken - Der Saarländische Anwaltsverein hat schon vor Prozessbeginn auf die Pflicht des Strafverteidigers hingewiesen, jeden Angeklagten angemessen zu verteidigen, ganz gleich, was er getan habe.

Der kleine Pascal (Foto: Foto: ddp)

Das Verbrechen, über das von Montag an vor dem Saarbrückener Landgericht verhandelt wird, sei von der Art, die in der Öffentlichkeit immer wieder zu drastischen Forderungen bis hin zur Todesstrafe oder der Lynchjustiz führte, heißt es in einer Presseerklärung des Vereins.

Das Schwurgericht unter Vorsitz von Richter Ulrich Chudoba muss sich mit Taten beschäftigen, deren Bekanntwerden vielen im Februar 2003 den Atem stocken ließ.

Eine Gruppe von Männern und Frauen soll am 30. September 2001 den fünfjährigen Pascal Z. im Nebenzimmer einer heruntergekommenen Bierkneipe in Saarbrücken-Burbach mehrere Male brutal vergewaltigt und dann ermordet haben.

Leiche nicht gefunden

Ob das Kind an den Folgen der Vergewaltigungen starb oder aus Angst vor Entdeckung gezielt getötet wurde, wissen die Ermittler nicht. Pascals Leiche wurde trotz intensiver Suchaktionen in einem französischen Steinbruch bis heute nicht gefunden.

Wochenlang suchten im Oktober Polizisten mit Hunden, Tauchern und Hubschraubern die Umgebung von Burbach ab, ohne eine Spur des verschwundenen Kindes zu entdecken.

Vorübergehend geriet eine Stiefschwester des Fünfjährigen in Verdacht, ihren kleinen Bruder erschlagen zu haben. Erst eineinhalb Jahre später brachten Ermittlungen in einem anderen Fall die Kriminalbeamten auf die Spur der mutmaßlichen Täter.

"Katastrophale Zustände"

Im Januar 2001 hatte ein Mann das Jugendamt alarmiert: Im Hause seiner Schwester, der heute 51-jährigen Christa W., herrschten katastrophale Zustände.

Christa W., die Wirtin der "Tosa-Klause", war schon 1993 vom Jugendamt mit der Betreuung von Andrea M., einer damals 28-jährigen, geistig zurückgebliebenen Frau beauftragt worden.

Andrea M. hatte schon zwei Kinder zur Adoption freigegeben; als sie 1995 wieder einen Sohn bekam, wurde Christa W. zur Pflegemutter und zum Vormund des Jungen bestellt.

Hinweise von Nachbarn, das Kind werde misshandelt, blieben folgenlos. Im Jugendamt gab es offenbar keine Zweifel an der Eignung der Frau als Pflegemutter.

Von 1997 bis 2000 war Christa W. sogar Schöffin für Jugendsachen am Saarbrücker Amtsgericht. Erst als ihr eigener Bruder Alarm schlug, reagierte die Behörde. Das Kind wurde der leiblichen und der Pflegemutter entzogen und in eine neue Pflegefamilie gegeben.

Dort berichtete es mehr als ein Jahr später seiner neuen Pflegemutter von schweren Fällen sexuellen Missbrauchs, an dem sowohl die beiden Frauen als auch mehrere Männer aus dem Kreis der Kneipengäste beteiligt gewesen seien.

Es erzählte auch, dass der verschwundene Pascal öfter in der Tosa-Klause gewesen sei. Jetzt wurden Christa W., Andrea M. und sechs Männer verhaftet.

Bei Durchsuchungen entdeckte die Polizei an die tausend Pornovideos. Während Christa W. bis heute ihre Unschuld beteuert, packte Andrea M. in den Vernehmungen aus.

Sie gestand den sexuellen Missbrauch ihres eigenen Sohnes, und gab später auch zu, dass Pascal im Nebenraum der Tosa-Klause wiederholt von mehreren Männern, die zur Kundschaft der Kneipe gehörten, missbraucht worden sei.

Zwanzig Mark

Dafür hätten sie jeweils zwanzig Mark bei der Wirtin entrichten müssen. Auch am Tag seines Verschwindens sei Pascal in der Tosa-Klause missbraucht worden.

Einer der Beschuldigten gab der Polizei den Hinweis, die Leiche des Kindes sei in der lothringischen Sandgrube Schoeneck vergraben worden. Dort wurde sie allerdings nicht gefunden.

In Saarbrücken sind jetzt 13 Männer und Frauen angeklagt, sechs von ihnen, darunter Christa W. wegen Mordes und schweren sexuellen Missbrauchs, die anderen wegen Beihilfe zu diesen Taten.

Vier der Angeklagten haben bisher Geständnisse abgelegt, Christa W. will nach Auskunft ihres Verteidigers vorerst keine Aussagen machen.

© SZ vom 20.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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