Verbotene Pornographie:Der Skandal um die surfenden Seminaristen

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Auf Computern im St. Pöltener Priesterseminar fanden sich 40000 Pornodarstellungen, auch von Kindern. Nun geht es um das Amt des Bischofs Krenn.

Von Michael Frank

Sexuelle Fehltritte in einem Priesterseminar erschüttern die ostösterreichische Diözese St.Pölten. Es ist ein Gebräu aus pornographischen Streifzügen im Internet, sexuellen Beziehungen von Seminaristen mit Vorgesetzten, einem ungeklärten Selbstmord, Manipulationen bei Ermittlungen und der Uneinsichtigkeit der örtlichen Kirchenleitung.

Unangenehme Fragen: Bischof Krenn. (Foto: Foto: ap)

Das alles könnte Kurt Krenn, den streitbaren Ortsbischof, um sein Amt bringen. Nach Ansicht der österreichischen Bischofskonferenz ist Rom selbst zum Eingreifen aufgerufen, um größeren Schaden für die Gemeinde abzuwenden.

Verbotene Bilder...

Ein Computer im St. Pöltener Priesterseminar ist der Angelpunkt der Affäre. Schon vor Monaten hatte man entdeckt, dass auf diesem im Hause offen zugänglichen Gerät regelmäßig Streifzüge auf Porno-Websites unternommen wurden. Die Staatsanwaltschaft interessierte sich deshalb dafür, weil auch Sexfotos mit Kindern unter 14 heruntergeladen wurden. Der Besitz solcher Bilder ist in Österreich verboten, weil dahinter sexuelle Misshandlung anzunehmen ist.

Das Magazin Profil berichtet, eine Intervention Krenns bei höchsten Polizeidienststellen des Landes Niederösterreich habe dazu geführt, dass der Rechner erst von der falschen Stelle beschlagnahmt wurde, was beinahe dazu geführt habe, dass der Fall versickert. Auch wurde eine Fangschaltung verhindert, mit der Täter hätten dingfest gemacht werden sollen. So surften die Seminaristen weiter im virtuellen Sündenreich. Am Ende fanden sich auf sechs weiteren Rechnern 40000 Pornofotos aus dem Netz. Darunter wieder strafrechtlich relevante Fotos mit Kindern.

Nicht die Staatsanwaltschaft, aber die kirchliche und die weltliche Öffentlichkeit interessieren sich dafür, dass das Seminar oft als ein Dorado homosexueller Ausschweifungen geschildert wird. Das wäre egal, verhedderte sich die Kirche damit nicht in ihren eigenen altertümlichen, homosexuellenfeindlichen Postulaten. Krenn selbst, auch bei Bischöfen als reaktionär verschrien, nennt Homosexualität eine "Krankheit", die "nicht heilbar" sei, weshalb man die Befallenen vor Versuchung bewahren müsse.

Schilderungen solcher Art aus seinem Seminar wollte er nicht wahrhaben, bis ihn jetzt Profil mit einschlägigen Fotos konfrontierte: Das eine zeigt den Seminar-Regens, wie er einem der Probanden ans Gemächt fasst. Das andere seinen Stellvertreter beim Zungenkuss mit einem Studenten. Der Stellvertreter, wie sein Chef Deutscher, ist auch Rechtsberater und Assistent des Bischofs.

...ein Zungenkuss mit Studenten...

Er ist nun zurückgetreten, der Seminarleiter tat dies schon vor einer Woche. Gleichwohl weisen beide alle Vorwürfe zurück. Bischof Krenn, der lange eine Stellungnahme verweigert hat, glaubt ihnen: Er könne noch immer nichts Anrüchiges entdecken, das seien "Bubendummheiten".

In einer Außenstelle des Seminars soll es erotische Treffen gegeben haben, die den Argwohn der Landgemeinde erregten. Ein homosexuelles Seminaristenpaar soll gar vom Chef des Hauses getraut worden sein - alles Dinge, die eigentlich Privatsache der handelnden Personen wären, wäre da nicht die mittelalterliche Moralwelt des Bischofs Krenn, der auch die Vorwürfe gegen den verstorbenen Wiener Erzbischof Hermann Kardinal Groer wegen Missbrauchs von Abhängigen immer als Lügengespinst abtat.

Das macht die Sache zumindest zum kircheninternen Skandal. Der dem Motiv nach ungeklärte Selbstmord eines Seminaristen vor längerer Zeit wird in diese tieferen Zusammenhänge gebracht. Am Montag hat das Domkapitel Krenn in einer Krisensitzung gebeten, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Er lehnte ab.

...und ein ungeklärter Selbstmord

Ein Kirchenjurist befand, der Skandal sei die "letzte Ernte der verfehlten Bischofsernennungspolitik des Vatikans", die in den Achtzigern und Neunzigern fundamentalistische Kleriker an die Spitze der Bistümer Wien, Vorarlberg und Salzburg gebracht hatte. Krenn selbst war bei seiner Berufung schärfsten Protesten ausgesetzt. Er verzankte sich mit fast allen Amtsbrüdern.

Auch weil der Bischof mit der Geistlichenausbildung schon lange aus dem Reigen der Bistümer ausgeschieden war: Sein Seminar steht im Ruf, Kandidaten aufzunehmen, die jedes andere abweisen würde. Heute ist er schwer krank, doch hat seine Streitbarkeit nicht gelitten. Er brachte selbst höchste Würdenträger im Umkreis gegen sich auf, wie den Abt des ehrwürdigen Prämonstratenserstifts Geras, Joachim Angerer, der die Verfolgung fortschrittlicher Priester im Bistum geißelte.

Krenn, der sich langjähriger Frühstücksgemeinschaft mit Papst Johannes Paul II. rühmt, hat Angerer am Ende mit einer Intrige direkt in Rom zu Fall gebracht. Er machte auch nie Hehl aus seiner ideellen Nähe zu den autoritären Denkstrukturen Jörg Haiders. Komischen Ruhm erwarb er sich als Vergebungsterrorist: Wann immer ein Kritiker ihm Vorwürfe machte, entzog er sich der Antwort dadurch, dass er dem Gegenüber versicherte, er verzeihe ihm in christlicher Brüderlichkeit. Was, blieb meist unklar.

Der selbst hochkonservative Chef der Römischen Glaubenskongregation, Josef Kardinal Ratzinger, gilt als Krenns Gegner. Ratzinger, heißt es, plädiere dafür, dem St.Pöltener Poltergeist einen päpstlichen Koadjutor beizugeben, der an seiner statt die Bistumsgeschäfte führen und Krenn folgen soll. Ausgerechnet Österreichs fortschrittliche Katholiken beten nun, der Römische Kirchenmächtige möge diesmal Strenge walten lassen.

© SZ vom 13.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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