USA:Sprung in die Niagara-Fälle überlebt

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Völlig ruhig kletterte der vermutlich lebensmüde Mann über die Absperrung und sprang ins Wasser, berichten Augenzeugen. Über 60 Meter tiefer tauchte er wieder auf - lebend. Es ist das erste Mal, dass ein Mensch diesen Sturz ohne Hilfsmittel überlebt hat.

(SZ vom 22.10.2003) - Tosende Wassermassen, schäumende Gischt, schiere Felswände - die an der Grenze zwischen den USA und Kanada gelegenen Niagara-Fälle sind eines der beeindruckendsten und gleichzeitig bedrohlichsten Naturschauspiele der Welt.

Aber nicht nur Schaulustige ziehen die Wasserfälle an, sondern manchmal auch Abenteurer oder Selbstmörder, die auf besonders dramatische und spektakuläre Art und Weise aus dem Leben scheiden wollen.

Um einen Abenteurer oder einen Lebensmüden scheint es sich auch bei jenem Unbekannten gehandelt zu haben, der nun auf der kanadischen Seite von Niagara in den Wasserfall sprang - und den mehr als 60 Meter tiefen Sturz auf wundersame Weise überlebte.

"Er sah ganz ruhig aus, er glitt so schnell vorbei", berichtete die Augenzeugin Brenda McMullen einem lokalen Fernsehsender in der Stadt Buffalo. "Ich war total geschockt, als ich da einen Menschen vorbeikommen sah." Es ist das erste Mal überhaupt, dass ein Mensch einen solchen Sturz überlebt hat, der ohne Rettungsweste oder irgendein anderes Hilfsmittel ins Wasser gesprungen war.

Nur jeder zweite überlebte den Höllenritt

In den vergangenen hundert Jahren waren rund ein Dutzend Abenteurer mit Rettungswesten, in Fässern oder Schlauchbooten die tosenden Fälle hinabgerast. Nur jeder zweite überlebte den Höllenritt, die anderen kamen in den Wassermassen ums Leben, die mit einem Volumen von mehr als einer halben Million Liter in der Sekunde die Felswände hinabstürzen. Über die Zahl der Selbstmörder gibt es keine verlässlichen Angaben.

"Ich sah, wie er über der Kante im Wasser verschwand", berichtete Terry McMullen. Er fotografierte anschließend, wie der Unbekannte von der Polizei aus dem Wasser gefischt und in Handschellen abgeführt wurde. Nie hätte er gedacht, dass jemand den Sturz überleben könne. "Als wir unten ein Boot sahen, dachten wir, es wolle die Leiche bergen, wir dachten einfach, es müsse die Leiche sein. Wir dachten, er könne unmöglich noch am Leben sein."

Diedre Love, die mit ihrem Ehemann ihren ersten Hochzeitstag in Niagara Falls verbrachtete und den Vorfall beobachtete, erzählte: "Der Kerl sprang einfach in den Wasserfall rein. Ich sah, wie er hinunterstürzte. Er schrie nicht, gar nichts." Lynda Satelmajer, eine weitere Augenzeugin, erinnerte sich, dass der Mann mit einem Lächeln auf dem Gesicht ins Wasser ging. "Er wirkte zwar ein bisschen nervös, und zunächst hüpfte er so hin und her", erklärte die Kanadierin der Nachrichtenagentur AP. "Dann ging er dort hinüber, wo wir standen. Dann sprang er und rutschte auf seinem Rücken hinunter, bevor er über der Kante verschwand. Es war unheimlich. Er lächelte dabei."

In Handschellen abgeführt

Die Polizei, die den Mann aus dem Wasser zog und in Handschellen abführte, gab weder seine Identität noch ein mögliches Motiv bekannt. Die Niagara Park Police schloss jedoch einen kriminellen Hintergrund in einer ersten schriftlichen Erklärung aus. Der Mann schien keine schweren Verletzungen davongetragen zu haben, da er selbst gehen konnte und nicht auf einer Bahre in die Klinik gebracht werden musste, wo er behandelt wurde.

Soweit bekannt ist, hat bislang nur ein sieben Jahre alter Junge im Jahre 1960 einen Sturz in den kanadischen Fall überlebt. Das Kind war bei einem Unfall aus einem Boot gefallen, hatte aber eine Rettungsweste getragen. Noch nie hat jemand einen Sturz in den Wasserfall auf der amerikanischen Seite überlebt. Hier sind die Niagara-Fälle enger und felsiger, so dass ein Körper von den Klippen zerschmettert würde.

© Von Wolfgang Koydl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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