USA:Amoklauf trotz Sicherheitsmaßnahmen

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Beim schwersten Schul-Massaker seit dem Blutbad an der Columbine High School vor sechs Jahren hat ein Jugendlicher in Minnesota wahllos auf Lehrer, Mitschüler und Wachpersonal seiner Schule gefeuert und neun Menschen getötet. Dabei war das Gebäude stark gesichert.

Im US-Staat Minnesota hat ein Jugendlicher offenbar zunächst seine Großeltern und anschließend sieben Menschen an der Red Lake High School erschossen. Dann nahm er sich selbst das Leben.

Polizei und Feuerwehr haben die Schule gesperrt. (Foto: Foto: AP)

Es war das schwerste derartige Massaker seit dem Blutbad an der Columbine High School in Colorado vor sechs Jahren.

Wie viele Schulen in den USA war auch die Red Lake High School im Bundesstaat Minnesota schwer abgesichert.

Die Schüler mussten eine Schleuse mit Metalldetektoren passieren, innerhalb und außerhalb des Gebäudes waren überall Videokameras installiert, und drei Wachleute waren ständig im Dienst.

Doch dies alles nützte nichts.

Am Montagnachmittag fuhr ein schwer bewaffneter 15-Jähriger mit einem Pick-Up-Truck an der in einem Indianerreservat gelegenen Schule vor, erschoss am Eingang einen Wachmann und feuerte dann in dem Gebäude wild um sich.

Zehn Menschen starben bei dem Amoklauf, darunter der Täter, der sich am Ende selbst erschoss. Es war das schlimmste Blutbad an einer US-Schule seit dem Massaker von Columbine 1999.

Gegrinst und gewinkt

Szenen des Grauens und der Panik spielten sich eine halbe Stunde lang in dem Backsteingebäude ab: Lehrer und Schüler warfen sich in den Klassenzimmern auf den Boden und wählten verzweifelt die Notrufnummer der Polizei, während Schüsse und Schreie durch das Gebäude hallten.

Die Schülerin Sondra Hegstrom sagte der Lokalzeitung The Pioneer, der Schütze habe gegrinst und gewinkt, als er den Flur entlang ging. "Ich schaute ihm in die Augen, rannte ins Klassenzimmer und versteckte mich da." Ein Mädchen sei zu hören gewesen, das dem Täter sagte: "Nein, Jeff. Hör auf! Hör auf! Lass mich in Ruhe. Warum tust Du das?"

Nach einem anderen Augenzeugenbericht richtete der Killer seine Waffe auf einen Jungen, überlegte es sich dann anders, lächelte, winkte und erschoss jemand anderen.

Die Lehrerin Diane Schwanz berichtete, der Junge habe versucht, die Tür zu ihrem Klassenzimmer einzuschlagen. Sie habe sich auf den Boden geworfen und die Polizei angerufen. "Ich konnte es immer noch nicht richtig glauben." Ihren Schülern habe sie zugerufen: "Auf den Boden, unter die Bänke!"

Zuerst die Großeltern erschossen

Das Drama in dem rund 120 Kilometer südlich der kanadischen Grenze gelegenen Reservat hatte am frühen Nachmittag begonnen, als Jeffrey Weise seinen Großvater und dessen Lebensgefährtin in deren Haus in Red Lake erschoss.

Der Großvater arbeitete im Polizeidienst des Reservats. Der Schüler nahm drei Polizeiwaffen seines Großvaters an sich und fuhr damit zur Schule. Nachdem er den Wachmann erschossen hatte, lief Weise feuernd den Gang entlang und betrat dann ein Klassenzimmer.

Mit vier herbeigeeilten Polizisten lieferte er sich einen Schusswechsel, bevor er sich selbst tötete. Fünf seiner Mitschüler und eine Lehrerin starben, mehr als ein Dutzend weitere Menschen wurden verletzt.

Die Motive des Täters lagen zunächst im Dunkeln. Weises Vater hatte vor vier Jahren Selbstmord begangen. Seine Mutter lebt in einem Pflegeheim in rund 500 Kilometer entfernten Minneapolis, seit sie bei einem Autounfall einen schweren Gehirnschaden erlitt.

Ein Mitarbeiter der Schulverwaltung beschrieb Weise als einen für sein Alter ungewöhnlich hochgeschossenen Teenager, der mit Vorliebe einen dunklen Trenchcoat trug, sich sehr still verhielt und engeren Kontakt zu Mitschülern mied.

Wegen seiner Erscheinung sei Weise oft von seinen Mitschülern aufgezogen worden - "und er ist ausgerastet", sagten Verwandte des 15-Jährigen.

Pseudonymen "Todesengel"

Weise habe ständig "Zeugs in sein Notizbuch gezeichnet, das böse und dunkel war", verlautete aus Schulkreisen. Der 15-jährige Indianerjunge stand offenbar auch unter dem Einfluss rechtsextremistischen Gedankenguts. Laut Regionalpresse bekannte er im vergangenen Jahr in einem Online-Forum seine "Bewunderung für Adolf Hitler und seine Ideale und seinen Mut, es mit größeren Nationen aufzunehmen".

Unter den Pseudonymen "Todesengel" (auf Deutsch) und "NativeNazi" (Eingeborener Nazi) sprach Weise davon, dass er die "rassische Reinheit" seines Stamms bewahren und in seinem Reservat eine Neonazi-Gruppe starten wolle.

Das Red-Lake-Reservat mit seinen 5000 Bewohnern gehört dem Volk der Chippewa. Als "die dunkelste Stunde in der Geschichte unseres Stammes" bezeichnete der Leiter des Reservats, Floyd Jourdain, das Blutbad an der High School.

Die Bluttat vom Montag war die zweite tödliche Schießerei in einer Schule in Minnesota innerhalb von 18 Monaten. An der Rocori High School in Cold Spring erschoss ein 15-Jähriger im September 2003 zwei Mitschüler.

Der Amoklauf weckt auch Erinnerung an den Amoklauf von Robert Steinhäuser am 26. April 2002. Der 19-Jährige tötete 16 Menschen und sich selbst. Unter den Toten waren zwölf Lehrer, die Schulsekretärin, zwei Schüler und ein Polizist.

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