Urteil:Nachfahren der "Bounty"-Meuterer zu Haft verurteilt

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Wegen Vergewaltigung und sexueller Übergriffe müssen vier Männer für zwei bis sechs Jahre ins Gefängnis. Sie hatten sich Jahrzehnte lang an Mädchen auf der nur knapp 50 Bewohnern zählenden Pazifikinsel vergangen.

Das Verfahren richtete sich gegen sieben Männern. Damit stand etwa die Hälfte der männlichen Erwachsenen des winzigen Eilandes vor Gericht. Auf der zu Großbritannien gehörenden Insel, auf halbem Weg zwischen Neuseeland und Südamerika gelegen, leben 48 Menschen.

Britische Staatsanwälte hatten den Angeklagten mehr als 50 Missbrauchsfälle zur Last gelegt, von denen manche bis zu 40 Jahre zurückliegen. Die Ankläger hatten während des Verfahrens von einem Missbrauch über Jahrzehnte hinweg gesprochen. Sex mit Minderjährigen sei in der von Männern dominierten Gesellschaft üblich gewesen.

Frauen der Insel verteidigten die Angeklagten

Staatsanwältin Christine Gordon sagte, ein Täter habe ein Kind in der Kirche missbraucht und ein weiteres beim Fischen an der Küste. "Junge Mädchen waren für die Männer verfügbar, wann immer sie es wollten", sagte sie.

Die auf Pitcairn lebenden Frauen hatten ihre Männer verteidigt und insbesondere den Vorwurf des Missbrauchs von Minderjährigen zurückgewiesen. Einige erklärten, sie hätten zwar sehr früh Sex gehabt, dies sei aber freiwillig geschehen. Keines der Missbrauchsopfer lebt noch auf Pitcairn. Sie machten ihre Zeugenaussagen per Videoschaltung aus der neuseeländischen Stadt Auckland.

Pitcairns Bürgermeister Steve Christian erhielt wegen fünf Vergewaltigungen drei Jahre Gefängnis. Sein Sohn Randy wurde ebenfalls wegen Vergewaltigung und sexueller Übergriffe zu sechs Jahren verurteilt. Ein weiterer Inselbewohner erhielt 5 Jahre Haft.

Buch löste Verfahren aus

Der älteste Angeklagte, der 78-jährige Len Brown, wurde wegen zweifacher Vergewaltigung zu zwei Jahren Haft verurteilt, die er in Hausarrest absitzen darf. Sein Sohn Dave wurde wegen neun Fällen von sexueller Belästigung zu 400 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Ein sechster Angeklagter wurde mit 300 Stunden gemeinnütziger Arbeit belegt. Ein siebter Mann wurde freigesprochen.

Die Verteidigung legte bereits Berufung ein, da sie die britische Rechtshoheit anzweifelt. Bis darüber entschieden ist, müssen die Männer ihre Strafen nicht antreten. Der Prozess fand nach britischem Recht statt, weil die 35 Quadratkilometer große Insel politisch gesehen zu den britischen Außengebieten gehört und somit unter der Verwaltung Londons steht.

Das Verfahren war durch das Buch einer britischen Journalistin ausgelöst worden. Darin heißt es, die Inselbewohner hätten untereinander Beziehungen entwickelt, "die anderswo als unzulässig angesehen würden", weil ihnen westliche Moralvorstellungen fehlten. So hätten sich Frauen einen Mann geteilt oder hätten Kinder von mehreren Männern; Mädchen würden oft schon mit 15 ein Kind bekommen.

Die Einwohner von Pitcairn sind Nachfahren der Besatzung des britischen Schiffs "Bounty", die nach der Meuterei auf dem Schiff 1789 auf die Insel geflüchtet waren. Der verurteilte heutige Bürgermeister der Insel, Steve Christian, ist nach eigenen Angaben ein direkter Nachfahre von Fletcher Christian, dem Anführerder Meuterer, der sich mit acht weiteren Meuterern sowie 18 Männern und Frauen aus Tahiti auf die Insel geflohen war.

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