Urteil:Lebenslange Haft für die Eltern von Jessica

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Das Gericht hat die 36-jährige Mutter und den 50 Jahre alten Vater des verhungerten Mädchens des Mordes durch Unterlassen und der Misshandlung Schutzbefohlener schuldig gesprochen.

Die Eltern der verhungerten Jessica sind vom Hamburger Landgericht zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Die 36-jährige Mutter und der 50 Jahre alte Vater seien des Mordes durch Unterlassen und der Misshandlung Schutzbefohlener schuldig, sagte der Vorsitzende Richter Gerhard Schaberg.

Die siebenjährige Jessica war Anfang März tot in der elterlichen Hochhauswohnung in Hamburg gefunden worden, wo sie verhungert war.

Das Gericht folgte damit der Forderung von Staatsanwalt Bernd Mauruschat. Die Verteidiger hatten maximal 15 Jahre Haft wegen Körperverletzung mit Todesfolge gefordert.

Jessica hatte in einem verwahrlosten, dunklen und kalten Zimmer einer Hochauswohnung unbemerkt von Nachbarn und Behörden ein kaum vorstellbares Martyrium erlitten. Das Mädchen war an Erbrochenem erstickt. Sie wog nur noch 9,6 Kilogramm.

Laut Anklage hatten die Eltern Jessica über Jahre "gröblichst vernachlässigt, so dass diese sich weder körperlich noch geistig auch nur ansatzweise altersgerecht entwickeln konnte."

Der Staatsanwalt warf den Angeklagten vor, ihre Tochter vorsätzlich gequält und getötet zu haben. "Es kam ihnen darauf an, ihre Ruhe zu haben", sagte er.

Der Verteidiger der Mutter, Manfred Getzmann, hatte in seinem Plädoyer erklärt, er wollte "kein Verständnis für das erreichen, wofür es kein Verständnis gibt".

Als eine mögliche Erklärung für die Tat nannte er die schlimme Kindheit seiner Mandantin mit einer trinkenden Mutter, Schlägen, Hunger und Inzest.

Hirnschaden und Alkoholmissbrauch

Die Anwältin des Vaters machte in ihrem Schlussvortrag eine verminderte Schuldfähigkeit für den 50-Jährigen geltend. Er habe wegen eines Hirnschadens und Alkoholmissbrauchs eine extrem passive Persönlichkeit und als Folge daraus "das Ausmaß der Katastrophe nicht erkannt."

Aus Sicht einiger Experten ist der Fall Jessica "nur die Spitze des Eisberges". Die Leiden der Siebenjährigen seien ein "besonders extremes Beispiel von Vernachlässigung und Misshandlung", sagte der Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Hamburg-Eppendorf, Peter Riedesser.

In Deutschland würden jährlich hunderttausende Kinder Opfer von Schlägen, sexuellem Missbrauch und Verwahrlosung.

Riedesser fordert ein radikales Umdenken. Dafür sei der tragische Fall Jessica eine Chance. "Deutschland muss das kinderfreundlichste Land der Welt werden", sagte er. Die Gesellschaft müsse entschlossen handeln, um solche Fälle künftig zu verhindern: "Wir brauchen viel mehr Sensibilität".

Wichtig sei die Förderung der Eltern durch frühe Hilfe besonders bei Risikogruppen sowie des sozialen Zusammenhalts in der Nachbarschaft. Auch die Einbeziehung der Großeltern sei zur Unterstützung überforderter Eltern notwendig.

Um Risikofamilien müsse ein enges Netz von Hilfen, notfalls von sozialen Kontrollen geknüpft werden.

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