Urteil des BGH:Kannibalen-Film darf doch gezeigt werden

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Niederlage für Armin Meiwes vor dem Bundesgerichtshof: Die Produktionsfirma Atlantic Streamline darf den Film "Rohtenburg" ausstrahlen.

Rund acht Jahre nach dem Kannibalismus-Fall von Rotenburg hat sich ein Gericht erneut mit der Tat beschäftigt: Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied nun, dass der Film, der eng an den realen Kannibalen von Rotenburg angelehnt ist, doch ausgestrahlt werden darf. Der BGH begründete die Entscheidung damit, dass die grundgesetzlich garantierte Kunst- und Filmfreiheit über dem Persönlichkeitsrecht des Mörders Armin Meiwes steht.

Armin Meiwes 2006 im Oberlandesgericht Frankfurt: Wieder beschäftigt seine Tat ein Gericht. (Foto: Foto: AP)

Zwar könne der Film den Kläger als Person erheblich belasten, weil er die Tat auf stark emotionalisierende Weise erneut in Erinnerung rufe. Nach Abwägung zwischen seinen Rechten und der Kunst- und Filmfreiheit müsse das Persönlichkeitsrecht jedoch zurückstehen, entschied der BGH.

Am Ende des jahrelangen Rechtsstreits steht damit ein Sieg der Produktionsfirma des Horrorfilms "Rohtenburg", der US-Firma Atlantic Streamline des Deutschen Marco Weber. In dem Film, dessen Kinostart Meiwes im Jahr 2006 mit einer einstweiligen Verfügung verhindert hatte, spielt der Schauspieler Thomas Kretschmann einen Kannibalen.

Der reale Kannibale von Rotenburg, Armin Meiwes, hatte versucht, eine Veröffentlichung des Films zu stoppen, weil er darin eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts sah. Meiwes war in zwei Instanzen mit seiner Klage gegen den Film erfolgreich, der eigentlich bereits im März 2006 in den Kinos starten sollte.

Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte erklärt, der Film zeige eine "nahezu detailgetreue Wiedergabe" der Lebensgeschichte Meiwes und des Tatablaufs. Obwohl der reale "Kannibale von Rotenburg" mit seiner beispiellosen Tat ein großes Medieninteresse hervorgerufen habe, bedeute dies nicht, dass er sich zum Gegenstand eines Horrorfilms machen lassen müsse, so das Gericht.

2002 gestand Meiwes, am 10. März 2001 in einem "Schlachtraum" seines Hauses einen Ingenieur entmannt und getötet zu haben. Daraufhin zerteilte er die Leiche und portionierte sie in Beuteln. Die Tat nahm er mit einer Videokamera auf, später aß er das Fleisch.

Umstrittene mediale Vermarktung

Wenige Tage nach der Tat suchte Meiwes im Netz nach weiteren "Schlachtopfern", worauf sich 204 Interessenten meldeten. Das brachte das Bundeskriminalamt auf Meiwes' Spur. Am 10. Dezember 2002 wurde er festgenommen. Das Gericht verurteilte Meiwes daraufhin zu lebenslanger Haft wegen Mordes und Störung der Totenruhe.

Nach Überzeugung des Gerichts hatte Meiwes aus sexuellen Motiven gehandelt. Zwei psychiatrische Gutachter hatten Meiwes in dem Prozess eine schwere seelische Störung attestiert, ihn aber für voll schuldfähig erklärt. Der Staatsanwalt sprach in seinem Plädoyer von einem "Kopf-Kino", für das Meiwes mit seiner Bluttat einen "Top-Film" habe produzieren wollen, um sich damit später zu befriedigen.

Die Öffentlichkeit hat im Lauf der Prozesse so ziemlich alle Details der Nacht von Rotenburg mitbekommen. Meiwes' Tat ist darüber hinaus in Büchern mehrmals detailgetreu nochmals aufbereitet worden, die Tat hat Theaterstücke inspiriert, Bands haben das Grauen musikalisch verarbeitet. Auch ein Film ist bereits erschienen - "Cannibal - Aus dem Tagebuch des Kannibalen" heißt dieser. Darin wird die Tat detailgetreu nachgezeichnet.

Meiwes hatte in Zusammenhang mit der medialen Vermarktung seiner Geschichte mehrere Klagen angekündigt: Unter anderem wollte er auch gegen die Rockband Rammstein, die in dem Lied "Mein Teil" Bezug auf den Fall nahmen, vorgehen. Meiwes hat die Rechte an seinem Fall im September 2004 an die Produktionsfirma Stampfwerk verkauft. Für eine TV-Dokumentation über sein Leben hat er sich sogar vor dem Frankfurter Oberlandesgericht das Recht erstritten, Interviews im Gefängnis geben zu dürfen.

© sueddeutsche.de/dpa/hai/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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