Unterwegs im Irrawaddy-Delta:Zwischen Welle und Willkür

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Nach dem verheerenden Zyklon sind die Generäle in Birma mehr damit beschäftigt, ihre Macht zu sichern - die Menschen müssen sich selbst retten.

Stefan Klein, Irrawaddy-Delta

Htin Maung Swe hat es kommen sehen. Nicht in dieser Form, nicht in diesem Ausmaß, nicht mit dieser gewaltigen Zerstörungskraft, ansonsten aber, sagt der Astrologe, sei ihm und auch seinen Kollegen völlig klar gewesen, dass der 3. Mai kein guter Tag sein würde. Aberglaube ist in Birma weit verbreitet, und wer sich auf die Kunst versteht, die Sterne zu deuten und die Zukunft zu lesen, der hat ein einträgliches und angesehenes Geschäft.

"Ohne Genehmigung kommen sie nicht weiter": In dem Ort Bogaley ist die Reise für Journalisten zu Ende, dahinter beginnt jener Teil des Irrawaddy-Deltas, in dem die Welle quer durch das Labyrinth von Wasserwegen ihre tödliche Bahn gezogen hat und Menschen zurückgelassen hat wie diese Kinder, die vor den Trümmern ihres Hauses stehen. (Foto: Foto: Getty Images)

Vor einer wichtigen Entscheidung konsultiert man in aller Regel einen der vielen Wahrsager im Land, und Htin Maung Swe gehört zu denen, die besonders gern und häufig befragt werden. Werbung soll dies freilich nicht sein und kann es auch gar nicht, weil wir ihm nämlich vorsichtshalber einen anderen Namen verpasst haben, denn es ist nicht ganz ohne Brisanz, was er herausliest aus dem Wirbelsturm und den dadurch hervorgerufenen Schäden.

Anderswo in der Welt würden sie nach einer solchen Katastrophe sagen, die Götter seien böse und hätten dies durch Entfesselung der Naturgewalten zum Ausdruck gebracht. Aber Birma ist ein buddhistisches Land, da gehen die Gedanken und Erklärungsversuche ihre eigenen Wege. Htin Maung Swe sitzt hinter seinem Schreibtisch und wischt sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn.

Es ist ein heißer, schwüler Tag, seit der Schreckensnacht hat er keinen Strom mehr in der Wohnung und somit funktioniert auch die Klimaanlage nicht. Vor ihm liegt alles, was er so braucht in seinem Job, ein chinesischer Kompass, eine Lupe, ein Zirkel, Tarot-Karten und natürlich jede Menge Bücher. Aber zur Analyse dessen, was vor über einer Woche passiert ist in Birma, braucht er keine Hilfsmittel. Ob uns nicht aufgefallen sei, fragt er, dass in Rangun der Sturm vor allem die großen Bäume entwurzelt, die kleinen dagegen verschont habe?

Morast links und rechts

Verzeihung, Htin Maung Swe, wir wollen gerne von Bäumen erzählen und berichten, was deren Fall zu bedeuten hat - aber erst müssen wir uns den Menschen zuwenden. Denn da geht es um Fragen von Leben und Tod, es geht um die Frage, ob in einem Land wie Birma humanitäre Hilfe geleistet werden kann oder ob sie zerrieben zu werden droht in den politischen Machtspielen zwischen uneinsichtigen Generälen und nicht gerade sehr klug operierenden westlichen Politikern.

Es sind dies Fragen, zu deren Beantwortung man heraus muss aus der Metropole Rangun. Die hat zwar ebenfalls Prügel bekommen in der Sturmnacht des 3. Mai, aber eine Woche danach ist sie auf dem Weg der Besserung. Die meisten Straßen sind aufgeräumt, Strom und Wasser kehren nach und nach zurück, und auch die mit der Panik dramatisch gestiegenen Preise beruhigen sich wieder.

Südwestlich der Hauptstadt hingegen, dort, wo der Strom des Irrawaddy ein mächtiges, sehr fruchtbares Delta gebildet hat, kann von Besserung keine Rede sein. Das ist eigentlich die Reiskammer des Landes, doch in der Reiskammer wohnt jetzt der Tod. Noch weiß man wenig von dem, was er angerichtet hat. Von Zehntausenden von Toten ist die Rede, aber niemand weiß es genau.

Eine meterhohe Welle hat der Wirbelsturm in jener Nacht aufgepeitscht und vielleicht dreißig Kilometer ins flache Land getrieben, ähnlich wie 2004 beim Tsunami. Seither ist eine riesige Fläche Land unter Wasser und Schlamm, doch was und wer da alles begraben ist, weiß noch keiner. Man könnte mehr wissen, wenn die Regierung das Gebiet öffnen würde für ausländische Experten, die sich auskennen mit solchen Desastern, doch die sind nicht erwünscht. Auch ausländische Journalisten sind es nicht.

Morgens um 5.30 Uhr, im ersten Licht, fahren wir los. Manchmal muss man einfach losfahren und sehen, wie weit man kommt. In Birma um Erlaubnis fragen heißt, sich ein Nein einzuhandeln oder ewiges Warten. Die Straßen von Rangun sind noch leer, nur eine Gruppe barfüßiger Bettelmönche ist schon unterwegs. Um 6.30 Uhr die erste Straßensperre. Der Polizist will den Pass sehen, aber dann winkt er uns durch. Kurz danach taucht ein Schulgebäude auf mit einer Menschenmenge davor.

Voting, sagt der Fahrer, da werde gewählt. Stimmt ja, es ist der Tag des Referendums. Die Militärjunta lässt abstimmen über eine neue Verfassung, mit der sie ihrer Herrschaft ein etwas zivileres Gesicht geben will. So wichtig ist ihr dieser Etikettenwechsel, dass sie trotz des Notstands die Menschen zur Urne ruft und die Abstimmung lediglich in den am schlimmsten betroffenen Gebieten um zwei Wochen verschieben lässt.

Es folgen noch drei weitere Wahllokale, dann keines mehr. Es geht jetzt tiefer ins Delta hinein, und man sieht es. Aus dem Reiseprotokoll: 8 Uhr - flach zusammengepresste Hütten, wie eingestürzte Kartenhäuser. Morast links und rechts der Straße, Sumpf, Wasser. 8.25 Uhr - weggeknickte Bäume, umgefallene Strommasten, Hütten, zerrupft. 8.30 Uhr - eine große Buddhastatue, anscheinend unversehrt.

Dann kommt Kyaiklat, der erste größere Ort, die Holzhäuser alle schwer beschädigt. Nur die wenigen Steinhäuser sind einigermaßen intakt. Der Ort ist voller Menschen, die versuchen, ihre Unterkünfte irgendwie wieder zusammenzuklopfen, vor allem natürlich die Dächer, denn jetzt beginnt in Birma die Regenzeit. Wenn es irgendwo silbern glänzt zwischen all dem Rost, dann hat sich da einer ein neues Zinkblech besorgt und wenigstens schon mal ein Loch abgedichtet.

Durch ein Spalier, das aus hässlichen, an der Bruchstelle gesplitterten Baumstümpfen besteht, geht es weiter Richtung Süden. Der nächste Ort, Pyapon, sieht nicht besser aus. Wo Myo Oou Pya That, das größte Kloster der Stadt, stand, hockt jetzt eine Gruppe Mönche in einem Trümmerfeld. Geblieben ist ihnen nur ein einziger Raum, und selbst in dem mussten sie eine Plane aufspannen.

Nargis, der Wirbelsturm, hat manchmal schwere Hindernisse spielend leicht eingedrückt und gleich daneben eine leichte Beute, zum Beispiel eine kleine, zarte Brücke, unbeeinträchtigt stehen lassen. Aber er hat nicht unterschieden zwischen den Menschen und etwa die Frommen davonkommen lassen. Selbst dem letzten Raum der Mönche hat er noch heftig zugesetzt und ein klaffendes Loch in die Decke gerissen.

Die große Welle ist bis hierhin nicht gekommen. Wer in Pyopong während des Sturms sein Leben verloren hat, ist von herumwirbelnden Gegenständen getroffen oder unter zusammenbrechenden Häusern begraben worden. Oder er ist in einem kenternden Schiff ertrunken. Man sieht am Ausgang von Pyopong von einer Flussbrücke das Heck eines Schiffes aus dem Wasser ragen.

Fünfzig Menschen seien darin umgekommen, sagen die Mönche. In Pyopong werden wir zum zweiten Mal kontrolliert, und erneut lässt man uns passieren. Aus der Asphaltstraße wird nun eine Schotterstraße - oder soll man sie Reisstraße nennen? Überall am Straßenrand liegen Planen mit ungeschältem Reis. Den haben die Bauern unlängst in der kleinen Zwischenernte eingebracht, doch dann kamen Wirbelsturm und Regen, die Reisvorräte wurden nass, aber wenigstens ließen sie sich aus den Trümmern bergen, und so haben die Bauern sie hierher zur Straße geschafft und zum Trocknen ausgebreitet.

Natürlich zur Straße, wohin sonst? Ihre Stelzenhäuschen aus Bambus sind nicht mehr, das Land ist sumpfig und nass, die etwas erhöht liegende Straße aber ist trocken. An deren Rand stehen nun kleine, aus Palmblättern notdürftig zusammengefügte Unterschlüpfe, und davor liegt der Reis.

Es ist so ziemlich der letzte Besitz dieser Menschen, aber was ist das für ein Besitz? Feucht wie sie waren, haben die Körner angefangen zu keimen, jetzt in der Sonne werden sie spröde und hart. Verkaufen könne man so etwas nicht mehr, sagt der Bauer Nyi Nyi Lwil, der Reis tauge allenfalls noch als Viehfutter oder als Notration für ihn und seine Familie. Sonst nämlich hätten sie nichts zu essen. So ist das an dieser Straße im Delta: Menschen, die alles verloren haben und denen bis jetzt, mehr als eine Woche nach dem Sturm, keiner zu Hilfe gekommen ist. Eine Tragödie, und keiner, der sich kümmert?

Die Angst der Junta

Als Mitte der achtziger Jahre Äthiopien von einer verheerenden Hungersnot heimgesucht wurde, da schluckte das kommunistische Regime in Addis Abeba seinen Stolz und hieß die humanitäre Hilfsmaschinerie des eigentlich verhassten Westens willkommen. Als 2004 der Tsunami über die indonesische Provinz Aceh hereinbrach, da blickten die streng muslimischen Menschen voller Dankbarkeit zum Himmel, als schon nach wenigen Tagen die amerikanischen Helikopter auftauchten, in humanitärer Mission.

In Birma dagegen regiert eine Generalsclique, die sich selbst jetzt, da sie auf internationale Hilfe angewiesen ist und dies auch zugegeben hat, nicht dazu durchringen kann, das Tor weit aufzumachen für all die Helfer aus dem Westen. Die mögen Experten darin sein, in genau so einer Katastrophe Menschenleben zu retten und den Schaden möglichst in Grenzen zu halten - willkommen sind sie trotzdem nicht.

Im Westen sieht das Regime nur Gefahren für seine Herrschaft, es sieht in freiheitlichen Ideen eine Ansteckungsgefahr fürs Volk, und deshalb sollen, von touristischen Devisenbringern abgesehen, alle draußen bleiben, die diese Seuche einschleppen könnten. Wenn Paranoia geheilt oder wenigstens gemildert werden kann, dann hat man freilich in Europa und Amerika in diesen Tagen keinen wirklichen Beitrag dazu geleistet.

Fordert etwa der französische Außenminister Bernard Kouchner unter Berufung auf eine entsprechende UN-Klausel, in Birma gegen den Willen und unter Umgehung seiner Regierung Hilfe zu leisten, dann rührt es an die schlimmsten Ängste der Generäle. Oder George Bush. Der bietet Birma Amerikas Hilfe an und ermöglicht am gleichen Tag eine hohe Auszeichnung für Aung San Suu Kyi - die bei der Junta zutiefst verhasste und von ihr seit langem verfolgte Freiheitsheldin des Landes.

Das Angebot, von amerikanischen Kriegsschiffen aus Schnellbote mit Hilfsmaterial auf die Wasserwege des Deltas zu schicken, hat etwas albtraumhaftes für die Generäle, und so kommt es, dass sie bremsen und blockieren, wo sie nur können.

Hilfsgüter aus dem Ausland nimmt man zwar an, notfalls auch aus den USA, aber die Logistiker und all die anderen Spezialisten, die es braucht, um diese Güter schnellstmöglich dorthin zu schaffen, wo sie gebraucht werden, sollen draußen bleiben. Seit Donnerstag ist das offizielle Politik. Stattdessen will man die Verteilung selber organisieren - mit dem Militär und den paar Hilfsorganisationen im Land. Darunter sind auch internationale, die sich im Laufe vieler Jahre gegen alle Widerstände mühsam haben etablieren können. Aber selbst denen traut die Regierung nicht: Ins Krisengebiet des Deltas lässt sie nur die einheimischen Mitarbeiter, die Ausländer müssen in Rangun bleiben.

Was ein Großeinsatz sein müsste, ist unter diesen Umständen nur eine jämmerlich kleine und jedenfalls auf der Straße hinter Pyapon nicht sichtbare Operation. Einmal begegnet uns ein Konvoi von leeren Militärlastwagen, offenbar auf dem Rückweg nach Rangun. Aber wenn sie irgendwo Hilfsmaterial hingebracht haben, dann nicht hierhin zu den Obdachlosen am Straßenrand. Die sind auf sich allein gestellt und scheinen auch nichts anderes zu erwarten.

Wer den Staat immer nur als Belästigung oder als Bedrohung erlebt hat, der kann ihn sich als Nothelfer wahrscheinlich gar nicht vorstellen. Dann kommen zwei Lastwagen vom birmanischen Roten Kreuz, auch die fahren vorbei, aber die Fahrer werfen kleine Tütchen mit Milchpulver aus den Fenstern. Kinder stürzen sich darauf, so gierig, als ginge es um ihr Leben.

Ein Anruf, dann ist Schluss

Nach fünf Stunden Autofahrt erreichen wir den Ort Bogaley, fast schon mitten im Delta. Das heißt, wir erreichen nur den Stadtrand. Da ist die dritte Kontrolle, und da ist Schluss der Reise. Der Polizist ist unfreundlich, er winkt uns herrisch aus dem Auto heraus, studiert Pass und Visum und nimmt sämtliche Personalien auf. Dann greift er zum Telefonhörer.

Es ist der Vorgesetzte, mit dem er spricht. Lange dauert es nicht. Ok, sagt er zum Schluss, ok, ok, dann legt er auf und sagt streng, ohne Genehmigung kämen wir nicht weiter. Ausgerechnet hier: In Bogaley soll es viele Opfer gegeben haben, und dahinter beginnt jener Teil des Deltas, in dem die Welle quer durch das Labyrinth von Wasserwegen ihre tödliche Bahn gezogen hat. Es gab dort viele kleine Dörfer mit Menschen, die Reis angebaut, Krabben gezüchtet oder Salz gewonnen haben. Eine arme, aber geschäftige und produktive Region - und jetzt?

Die Antwort werden wir auf dieser Fahrt nicht mehr erhalten, aber es ist dieses Gebiet, auf das sich die größten Sorgen und Befürchtungen der Weltgemeinschaft richten. Hilfe ist hier erst recht noch keine angekommen. Wer überlebt hat, muss versuchen, aus der Schneise der Zerstörung wegzukommen und sich landeinwärts durchzuschlagen zu dem Ort Labutta.

Tausende sind dort bereits angekommen, für sie werden gerade Auffanglager eingerichtet. Aber was ist mit denen, die den Weg dorthin nicht schaffen? Die zu alt sind, zu schwach? Die verletzt sind oder krank? In Birma gibt es zurzeit nur wenig Gewissheiten, so viel allerdings scheint festzustehen: Von den auf mindestens eine Million geschätzten Hilfsbedürftigen wird derzeit nur ein dramatisch geringer Teil erreicht. Zehn Prozent heißt es, allenfalls fünfzehn.

Wieder zurück auf der Reisstraße. Tage ist es erst her, da haben die Bauern hier geerntet, das ist immer die beste Zeit des Jahres, wenn man etwas zu verkaufen und die Aussicht hat, die drückenden Schulden wenigstens etwas zu verringern. Birmas Landvolk ist hoch verschuldet, und ein Ausweg aus dieser Misere ist jetzt ferner denn je.

Die kleine Ernte ist schon verloren, und die nächste große wird man wohl ebenfalls abschreiben müssen. Dafür müsste nämlich jetzt bald gepflanzt werden, aber wie soll das gehen auf Anbauflächen, die von salzigem Meerwasser überspült worden sind? Wie soll das gehen, wenn man kein Saatgut hat und ohnehin erst mal mit dem Überleben beschäftigt ist? Birma hat sich bei aller Armut mit dem Grundnahrungsmittel Reis bislang aus eigener Kraft ernähren können, es hat sogar Reis exportiert. Doch jetzt drohen Engpässe, man kann es bereits ablesen an den um vierzig Prozent gestiegenen Reispreisen in Rangun.

Hinter Kyaiklat fängt es an zu regnen. Ein heftiger Schauer fegt über das Land, und wenn es so wäre wie es war, dann würde der Regen jetzt auf die Blechdächer der Häuser trommeln, und er würde klatschen gegen die geflochtenen Matten aus Kokosblättern, mit denen die Menschen auf dem Land ihre Stelzenhäuschen bedecken. Er würde den Reisbauern signalisieren, dass es bald Zeit ist zum Pflanzen, er würde die Menschen aufatmen lassen nach der heißen, trockenen Zeit. Nichts mehr davon.

Wer kein Dach hat über dem Kopf, für den ist der Regen Feind, und wo ein Loch in der Decke ist wie in dem Kloster Myo Oou Pya That, muss man froh sein, wenigstens eine Plane zu haben. Nur die Wasserbüffel stören sich nicht. Die stehen wie in Stein gehauen im Morast, das Fell schwarz glänzend vom Regen - das ewige Bild Asiens. Doch auch von denen dürften in der Flutwelle viele verreckt sein.

Als hätten sie alles im Griff

Zurück in Rangun, und ist es nicht schön, von so vielen überaus erfreulichen Bildern begrüßt zu werden, mit denen das New Light of Myanmar, die Staatszeitung, auch in seiner jüngsten Ausgabe wieder seine Seiten schmückt? Da sieht man adrette Generäle, die den Sturmopfern Hilfsgüter überreichen, und den Unterschriften kann man entnehmen, dass sie ihnen darüber hinaus auch Trost spenden und Mut zusprechen. Das sieht tatsächlich so aus, als läge ihnen das Wohl der Menschen am Herzen und als hätten sie alles im Griff.

Die Stadt verstärkt diesen trügerischen Eindruck noch. An den wüsten Verhau der ersten Tage, das Chaos aus entwurzelten Bäumen, erinnern nur noch die großen Haufen aus Geäst und welken Blättern am Straßenrand, sofern sie nicht schon auf Lastwagen verschwunden und weggekarrt worden sind.

Ach ja, die Bäume. Rangun war immer eine Stadt der großen, alten Bäume. Es waren diese knorrigen und von den Aufregungen um sie herum offenbar unberührten Methusaleme, die der Stadt Schatten und Flair gegeben haben. Doch jetzt fehlen viele von denen, der Sturm war dann doch eine Aufregung zu viel. Mag sein, dass sie in ihrer Größe dem Sturm ein besseres Angriffsziel geboten haben als die kleinen, dünnen Bäume, doch Htin Maung Swe, der Astrologe, hält sich mit solch nüchternen Überlegungen nicht auf.

Er sieht in dem Sturz der Riesen ein Zeichen, und diesem Zeichen, sagt er, könne man entnehmen, dass in Birma demnächst die Mächtigen stürzen werden. Der Wind des Wandels werde von Norden und von Osten kommen, so wie es auch in der Sturmnacht am stärksten aus diesen beiden Richtungen geblasen hätte. Norden? Osten? Da ist China. Ja, China, sagt Htin Maung Swe, von da werde der Wandel kommen.

Das mag man glauben oder auch nicht, aber Htin Maung Swe bietet sogar ein Datum an. So wie die Sterne stünden, kämen für den bevorstehenden Sturz entweder der 21. Juli oder der 31. August in Betracht.

© SZ vom 13.05.2008/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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