Untergang des Öltankers "Prestige":Gericht hält Kapitän für unschuldig

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Der Untergang des Öltankers "Prestige" verursachte die größte Umweltkatastrophe in der spanischen Geschichte. 1600 Kilometer Küste wurden mit Ölschlamm verseucht, Tausende Tiere starben. Elf Jahre später hat ein Gericht nun im Prozess um das Unglück ein mildes Urteil gegenüber dem Hauptangeklagten gefällt.

Elf Jahre nach der schwersten Tanker-Katastrophe in der Geschichte Spaniens ist der Kapitän des Schiffes mit einem milden Urteil bestraft und von jeglicher Schuld an dem Unglück freigesprochen worden. Wie die spanische Zeitung El Mundo berichtet, wurde er lediglich wegen Befehlsverweigerung gegenüber den Behörden zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt. Das Gericht im galicischen La Coruña sprach auch den Maschinisten des Öltankers Prestige sowie den damaligen Chef der Hafenbehörde frei.

Das Unglück ereignete sich am 3. November 2002. Der unter der Flagge der Bahamas fahrende aber in liberianischem Besitz befindliche Öltanker Prestige befindet sich mit etwa 80.000 Tonnen Schweröl an Bord auf dem Weg nach Fernost, als das riesige Schiff vor der Nordwestküste Spaniens in einen Sturm gerät und leckschlägt. Um die eigenen Küsten vor einer Ölpest zu bewahren, verweigern die spanischen Behörden dem Schiff die Erlaubnis, einen Hafen des Landes anzulaufen.

Stattdessen wird die Prestige auf hohe See geschleppt, wo sie am 19. November zerbricht. Das Schweröl läuft aus und verklebt die Küsten Spaniens, Frankreichs und Portugals. Hunderttausende Seevögel und andere Tiere sterben, obwohl 300.000 Freiwillige aus ganz Europa gegen die Ölpest kämpfen. Bis heute sind mehr als 50.000 Liter Schweröl aus dem Wrack gesickert, das immer noch in mehr als 3500 Metern Tiefe vor sich hinrostet.

Für den Hauptangeklagten, den griechischen Kapitän Apostolos Mangouras, 78, hatte die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von zwölf Jahren wegen eines Umweltvergehens und Missachtung von Anweisungen der spanischen Behörden gefordert. Für den ebenfalls aus Griechenland stammenden Maschinisten Nikolaos Argiropoulos verlangte die Behörde neun und für den damaligen Chef der spanischen Hafenbehörde, José Luis López Sors, fünf Jahre Haft. Ein vierter Beschuldigter, der von den Philippinen stammende Erste Offizier des Tankers, ist flüchtig und konnte nicht vor Gericht gestellt werden.

Doch da alle Angeklagten mehr als 70 Jahre alt sind, musste ohnehin keiner von ihnen mit einer Gefängnisstrafe rechnen. Die Staatsanwaltschaft hatte sich in ihrem Schlussplädoyer sogar ausdrücklich dafür ausgesprochen, dass der Kapitän "nicht einen Tag" in Haft verbringen solle. Eine Verurteilung des Kapitäns sei vor allem deshalb notwendig, damit Entschädigungszahlungen beansprucht werden könnten, betonte die Behörde.

Die Urteile sind nach dieser Interpretation eher zweitrangig. Mit viel größerer Spannung wurde erwartet, wer nach Ansicht des Gerichts für den Schaden der Katastrophe aufkommen soll. Die Staatsanwaltschaft bezifferte die Schadenssumme auf insgesamt 4,3 Milliarden Euro. Dafür war bislang zu einem großen Teil der spanische Staat aufgekommen. Das Gericht soll entscheiden, inwieweit sich die Versicherung und die Reederei des Tankers an den Kosten beteiligen müssen.

Europaparlament und Umweltschützer halten der damaligen spanischen Regierung von Ministerpräsident José María Aznar vor, die Katastrophe verschlimmert zu haben. Es wurden aber keine spanischen Politiker und auch keine Eigentümer des Schiffes und keine Verantwortlichen der Reederei angeklagt. "Es ist offensichtlich, dass auf der Anklagebank Leute fehlen", sagte der Vorsitzende Richter Juan Luis Pía.

Das Verfahren vor der spanischen Justiz zog sich über Jahre hin. Mit dem jetzigen Urteil wird der Fall nicht abgeschlossen sein. Es ist abzusehen, dass eine oder mehrere Prozessparteien beim Obersten Gerichtshof gegen die Entscheidung des Gerichts Berufung einlegen werden.

© Süddeutsche.de/dpa/jst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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