Nach dem tragischen Unfalltod eines Schülers hat das Lübecker Landgericht zwei Polizisten wegen fahrlässiger Tötung zu Bewährungsstrafen verurteilt. Das Gericht sah es am Donnerstag als erwiesen an, dass die Beamten den 18-Jährigen im Dezember 2002 betrunken und hilflos auf einer Landstraße bei Lübeck (Schleswig-Holstein) sich selbst überlassen hatten, wo er eine Stunde später überfahren wurde.
Die Kammer verurteilte die Polizisten zu je neun Monaten Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Außerdem müssen sie jeweils 1000 Euro an einen Rettungsdienst zahlen. Die Staatsanwaltschaft, die wie die Verteidigung Freispruch gefordert hatte, kündigte Revision an.
Der Vorsitzende Richter Christian Singelmann hielt den 57 und 45 Jahre alten Beamten vor, sie hätten ihre Sorgfaltspflicht gravierend verletzt. Sie hätten die Desorientierung und Verwirrtheit des jungen Mannes bemerken "und daran denken müssen, dass ihm etwas zustößt bis hin zum Überfahren auf der schnurgeraden Straße", betonte das Gericht.
Die Polizisten hatten den 18 Jahre alten Gymnasiasten aus Lübeck in Groß Weeden (Kreis Herzogtum Lauenburg) aufgelesen, weil er dort nach einem Disco-Besuch Anwohner belästigt hatte. Statt ihn zu seinen Eltern nach Lübeck zu bringen, ihn auf die Wache mitzunehmen oder einen Rettungsdienst zu rufen, hätten die Polizisten ihn 8,5 Kilometer von Lübeck und 11 Kilometer von der Disco entfernt in ländlicher Gegend sich selbst überlassen, stellte das Gericht fest.
Sie hätten erkennen müssen, dass der 18-Jährige "allein auf der Landstraße zu Fuß keine Chance hatte". Der Schüler hatte nach Aussagen eines Gerichtsmediziners knapp zwei Promille Alkohol im Blut.
Zu Gunsten der Angeklagten nahm die Kammer an, dass sie die hilflose Lage des jungen Mannes nicht erkannt hätten. Damit entfalle auch der ursprüngliche Anklagevorwurf der Aussetzung. Die Behauptung der Beamten, der 18-Jährige habe ausdrücklich darum gebeten, abgesetzt zu werden, weil er sich vor den Nachbarn geschämt habe, von der Polizei nach Hause gebracht zu werden, stufte das Gericht als unglaubwürdig ein.
Die Eltern zeigten sich unter Tränen zufrieden mit dem Urteil. Sie hatten den Prozess erzwungen. "Unser Sohn würde noch leben, wenn sie sich richtig verhalten hätten", sagte der Vater mit Blick auf die Angeklagten. Die erst im Prozess geäußerte Entschuldigung der Beamten wollten die Eltern nicht akzeptieren.
Die Unfallfahrerin, die Anfang 2006 vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen worden war, konnte nicht mehr als Zeugin befragt werden. Sie war kurz vor Beginn des Prozesses gegen die Polizisten selbst bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
Welche weiteren Folgen ihre Verurteilung für die Polizisten hat, ist noch offen. Bisher waren sie nicht vom Dienst suspendiert. Wenn ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, wird das eingeleitete Disziplinarverfahren fortgesetzt. Bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ab zwölf Monaten wäre eine Entlassung aus dem Dienst zwingend gewesen.