Umweltkatastrophe in China:Giftteppich treibt Richtung Russland

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Das mit Lösemittel verseuchte Wasser fließt auf die Millionenstadt Chabarowsk zu.

Knapp zwei Wochen nach der Explosion in einem chinesischen Chemiewerk nimmt die Umweltkatastrophe im Nordosten des asiatischen Landes immer größere Ausmaße an.

Chinas Regierung warnte Russland am Donnerstag vor dem 80 Kilometer langen Giftteppich in dem Fluss Songhua. Er mündet an der Grenze beider Staaten in den Amur.

Das mit etwa hundert Tonnen hochgiftigem Benzen und Nitrobenzen verunreinigte Wasser treibt auf die am Amur liegende russische Großstadt Chabarowsk zu.

Giftiges Leitungswasser

Die Giftfracht hatte am Donnerstag die chinesische Millionenstadt Harbin erreicht, wo die Versorgung mit Leitungswasser bereits am vergangenen Dienstag eingestellt worden war.

Bei einem weiteren Chemieunglück, das am Donnerstag bekannt wurde, trat in Chongqing in Südwestchina ebenfalls Benzen aus. Das Gift floss in einen Bach.

Bei der Explosion in dem Werk, in dem Arzneimittel-Vorprodukte hergestellt werden, kam ein Mensch ums Leben, drei Personen wurden verletzt. Die Behörden warnten vor Vergiftungen.

Zwei Schulen wurden geschlossen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete.

Russland zeigte sich wegen der drohenden Verschmutzung des Amur durch das verseuchte Wasser aus China äußerst besorgt. Der regionale Zivilschutz will von diesem Freitag an den Notstand im Gebiet von Chabarowsk ausrufen.

In der 600.000 Einwohner zählenden Grenzstadt, die etwa 700 Kilometer stromabwärts von Harbin liegt, kauften die Menschen wie in Harbin sämtliche Mineralwasser-Vorräte in den Geschäften auf.

Die chinesische Regierung sagte Russland zu, das Nachbarland per Hotline ständig über die Giftfracht zu informieren. Das verschmutzte Wasser soll am 1. Dezember Chabarowsk erreichen, berichtete die Agentur Itar-Tass.

Chinas Regierung erklärte dagegen, es werde noch zwei Wochen dauern. Auf russischer Seite entnehmen etwa 1,5 Millionen Menschen ihr Trinkwasser aus dem Amur.

"Die chinesische Seite widmet den Folgen und Schäden, die diese Verschmutzung für unseren russischen Nachbarn mit sich bringen kann, große Aufmerksamkeit", sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Donnerstag in Peking.

China verstärke daher die Kontrolle der Wasserqualität des verseuchten Flusses Songhua, "um den Schaden so gering wie möglich zu halten". Am Sonntag vor einer Woche hatten sich mehrere Explosionen in der "Petro China Jilin Petroleum and Chemical Company" ereignet.

Fünf Menschen starben, mindestens 70 Personen wurden verletzt. Mehr als 10.000 Menschen mussten nahe der Stadt Jilin ihre Häuser verlassen. Das ganze Ausmaß des Unfalls wurde zunächst nicht bekannt.

In der Vier-Millionen-Stadt Harbin mussten die Menschen am Donnerstag den zweiten Tag ohne Leitungswasser auskommen. Die Behörden bemühten sich, tonnenweise Trinkwasser aus Nachbarregionen in die Stadt zu schaffen.

Neue Brunnen wurden gebohrt, um mehr Grundwasser zu gewinnen. Der chinesischen Umweltbehörde zufolge überschritt die Konzentration von Benzen den zulässigen Grenzwert um den Faktor 30, der Anteil von Nitrobenzen war sogar gut 100 Mal höher als normal.

Lediglich 90 Prozent der Einwohner hätten genug Trinkwasser für drei Tage, berichtete Xinhua. Die Umweltschutzorganisation WWF zeigte sich besorgt über die Auswirkungen der Umweltverschmutzung auf die Menschen und das Ökosystem in der Region.

Es sei dringend notwendig, in China bessere Umweltschutzkontrollen sowie mehr Sicherheit in Industriebetrieben durchzusetzen.

© SZ vom 25. November 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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