Umfrage:Offline

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Die Deutschen pflegen ein seltsames Verhältnis zu ihren Mobilfunkgeräten. In einer Umfrage geben sie denn auch ganz andere Antworten als der Rest der Welt.

Von Sebastian Herrmann

Erinnert sich noch jemand an den SMS-Daumen? Es war eines der unzähligen Leiden, von denen die vielen engagierten Handy-Apokalyptiker kündeten. Permanent mit den Daumen auf den kleinen Tasten der einst so kleinen mobilen Fernsprechgeräte herumzudrücken, das muss doch unweigerlich zu einer Deformation des Daumens führen! Heute warnen die immer noch unzähligen Apokalyptiker hingegen vor Haltungsschäden, weil das Smartphone-Opfer stets so gekrümmt über dem Wischdisplay sitze; und das blaue Licht der Geräte raube den Schlaf, raunen andere und verweisen auf die Gefahren der Handysucht.

Eine Weltuntergangserzählung bleibt seit Anbeginn der Mobilfunkära sogar flatratemäßig erhalten: Rund um die Uhr erreichbar zu sein, das zermürbe doch das Gemüt und zerfasere die Seele! Da löse sich unweigerlich die Grenze zwischen Beruf und Privatleben auf. Und der technische Fortschritt verschlimmere das nur noch: Heute verstopfen E-Mails das Smartphone, während die Eltern der Kindergarten-Whatsapp-Gruppe mit Banalitäten ihre Zeit zu Brei chatten. Vom Smartphone versklavt, es ist das erfolgreichste Weltuntergangsnarrativ des Handywesens.

Mit besonderer Inbrunst glauben deutsche Mobilfunknutzer an diese Warnung. So lassen sich die Ergebnisse einer internationalen Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung interpretieren. 34 Prozent der Befragten aus Deutschland beteuerten, dass es nicht wichtig für sie sei, ständig erreichbar zu sein - in keinem anderen Land legten ebenso viele Teilnehmer so großen Wert darauf, ihr Handy auch mal zu ignorieren. Und nur 16 Prozent der Deutschen fanden es wichtig, immer und überall auf ihrem Handy erreichbar zu sein, in keinem anderen Land sagten das so wenige. Die Angst vor dem Smartphone ist wohl nirgendwo so ausgeprägt wie im Land der Technophobiker. Andererseits, vielleicht lassen sich pädagogische Konzepte wie das Handyfasten ja gewinnbringend aus Deutschland exportieren? Erfolg versprechen hier die Märkte in China und Russland, dort wollen 56 Prozent der Befragten immer und überall erreichbar sein. Vielleicht schickt man diesen ahnungslosen Menschen schnell mal eine Whatsapp, um sie endlich über Gefahren ihrer penetranten Verfügbarkeit aufzuklären.

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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