Überlingen-Prozess:Harte Vorwürfe, milde Strafen

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Ein Gericht hat vier Mitarbeiter der Schweizer Flugsicherung Skyguide wegen des Flugzeugunglücks von Überlingen schuldig gesprochen.

Gerd Zitzelsberger

Mit harten Vorwürfen an drei Manager aber milden Strafen ist am Dienstag das erste Strafverfahren zur Flugzeugkatastrophe von Überlingen zu Ende gegangen. Vor fünf Jahren waren 11.000 Meter über dem Bodensee eine deutsche Frachtmaschine und ein russisches Passagierflugzeug zusammengestoßen.

Abgestürzte Tupolew bei Überlingen: 71 Menschen kamen bei dem Unglück 2002 ums Leben. (Foto: Foto: ddp)

Alle 71 Insassen der beiden Jets waren ums Leben gekommen. Vor dem Schweizer Bezirksgericht Bülach bei Zürich fand der Prozess statt, weil für diesen Teil des deutschen Luftraums die Schweizer Flugsicherung Skyguide verantwortlich war und Deutschland die Zuständigkeit an den Nachbarn abgegeben hatte.

Drei der Angeklagten - sie waren im Sommer 2002 leitende Mitarbeiter des Flugkontrollzentrums Zürich - verurteilte das Gericht zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Außerdem müssen sie jeweils Gerichtsgebühren von 25.000 Franken übernehmen.

Die drei Manager hätten es nicht zulassen dürfen, dass nachts nur ein Lotse vor den Radarschirmen saß und der zweite diensthabende Lotse sich in einem Ruheraum aufs Ohr legen konnte, so das Gericht. Die Manager hätten einkalkulieren müssen, dass ein Lotse auch einmal unaufmerksam sei. Bereits vor dem Crash habe es meldepflichtige Vorfälle gegeben, an denen teils auch die Lotsen schuld gewesen seien.

In einem System mehrfacher Sicherheitseinrichtungen könne sich kein Teil darauf berufen, dass alle anderen Teile optimal funktionierten. Ein vierter Manager erhielt eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen auf Bewährung. Er war der verantwortliche Projektleiter für Modernisierungsarbeiten, durch die in der Unglücksnacht etwa das Radar nur teilweise verfügbar war.

Die anderen vier Angeklagten sprach das Gericht frei. Zu dieser Gruppe gehört auch der zweite Lotse. Entsprechend langjährigem Brauch hatte er sich schlafen gelegt. Der einzige Lotse, der tatsächlich an den Radarschirmen saß, wurde später von einem Opfer-Angehörigen getötet.

Nach Einschätzung der Richter führte allerdings nicht nur Leichtsinn zu der Katastrophe, sondern auch eine tragische technische Panne: Erfolglos hatte der Lotse in Zürich versucht, seine Kollegen in Karlsruhe anzurufen. Das Haupttelefon war wegen Wartungsarbeiten abgeschaltet, auch das Ersatztelefon defekt. Doch diese Störung wäre, so das Gericht, selbst bei zusätzlichen Tests vermutlich nicht zu erkennen gewesen.

© SZ vom 05.09.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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