Türsteher:Du nicht!

Lesezeit: 3 min

Für viele Clubs ist nicht so wichtig, wer rein darf. Es zählt, wer draußen bleibt und heult. In Niedersachsen soll ein neues Gesetz verhindern, dass an der Disco-Tür die Hautfarbe entscheidet.

Von Oliver Klasen und Michael Neudecker

Der ehemalige Türsteher Klaus Gunschmann hat vor ein paar Jahren getan, was sich als ehemaliger Türsteher anbietet: Er hat ein Buch geschrieben. Er beschreibt darin, was er in 20 Jahren an der Tür der Münchner Nobeldisco P1 erlebt hat; verlockender Stoff für Verlage, weil ja kaum eine Frage in der (Nacht-)Gesellschaft so kontrovers diskutiert wird wie die Frage, wer reinkommt. Gunschmann hat damals einige Interviews gegeben, er sprach vom Prinzip "Mixed Salad", der Mischung aus Anzugträgern, Punks und denen, die er als "normale Nachtschwärmer" bezeichnete. Wichtiger sei sowieso die Frage, wer nicht reinkommt: "Gutes Marketing besteht nicht darin, einen vollen Laden zu haben, sondern heulende Leute draußen", sagte er. Dass es in dem Buch weniger um erwärmende Literatur geht, weiß man, wenn man den Titel gelesen hat: "Du kommst hier nicht rein! Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus".

Die härteste Tür Deutschlands, das ist eine Formulierung, die viel sagt über dieses Thema. Sie klingt nach Bewunderung und Abneigung zugleich, es ist nun mal so: Die Tür ist kein Ort der Gleichberechtigung, sondern ein Ort der Auslese; der letzte Ort der legitimierten Willkür.

Gewiss hat die Willkür ihre Einschränkungen, etwa die Hausordnung, allerdings ist die Frage, wer reinkommt, in Deutschland nicht umfassend gesetzlich geregelt. Das wiederum führte in der Vergangenheit häufiger zu unschönen Fällen, in denen es weniger um Clubmarketing und die heulenden Menschen draußen ging als vielmehr um die Frage der Hautfarbe. Willkür ermöglicht im schlimmsten Fall Rassismus, das ist die hässliche Seite der harten Türen. Die Sitzung des Landtages in Hannover befasste sich deshalb am Montag mit folgendem Tagesordnungspunkt: "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gaststättengesetzes". Bedeutet: Künftig sollen Clubs bestraft werden, deren Türsteher die Willkür missbrauchen. Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) hat den Entwurf eingebracht, in seiner Rede hat er den Vorstoß unter anderem damit begründet, dass es nicht hinnehmbar sei, dass Betroffene ausschließlich den Zivilrechtsweg beschreiten können. "Wir haben es in der Vergangenheit häufiger erlebt, dass Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Religion oder ethnischen Herkunft nicht eingelassen wurden", sagt Lies am Telefon, als die Sitzung zu Ende ist und die Änderung beschlossen, und das passe nicht zu dem Bild, das Deutschland gerade jetzt abgeben sollte. Das eines Landes, in dem es beim Einlass keine Probleme geben soll. Auf Bundesebene gibt es zwar längst ein Gesetz gegen Diskriminierung, das seit 2006 gültige Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet "Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft". Das Problem ist aber: Wer diskriminiert wird, muss selbst für Gerechtigkeit sorgen, indem er klagt. Das Prozessrisiko trägt er dabei alleine. In den vergangenen Jahren gab es einige solcher Gerichtsverfahren, erst vor wenigen Wochen verurteilte das Amtsgericht Hannover den Betreiber einer Disco zu einer Zahlung von 1000 Euro, weil er einen Anwalt wegen seiner dunklen Hautfarbe nicht eingelassen hatte. Die Zahl derer, die sich trauen, ihr Recht auf Einlass in einen Club einzuklagen, dürfte allerdings deutlich geringer sein als die Zahl derer, die tatsächlich abgewiesen werden, weil sie nicht deutsch aussehen. Insofern, sagt Minister Lies, haben sie in Niedersachsen nun ein wichtiges Werkzeug gegen den Alltagsrassismus im Nachtleben: Betreiber von Etablissements können von jetzt an mit bis zu 10 000 Euro Bußgeld belegt werden, sollte ein Besucher wegen seiner Hautfarbe oder Religion abgewiesen werden, und bei wiederholten Verstößen können die Kommunen sogar ein Gewerbeverbot aussprechen. Die Bußgelder werden von der öffentlichen Hand durchgesetzt, nicht mehr von Privatleuten, das ist der entscheidende Unterschied. Niedersachsen ist bereits das zweite Bundesland, das so eine Gesetzesänderung einbringt, vor zwei Wochen wurde in Bremen ein ähnliches Gesetz beschlossen. Wenn man in Niedersachsens Discos nachfragt, wie die Betreiber die Sache mit dem Bußgeld finden, landet man zum Beispiel bei Hendrik Teetz, der in Buxtehude das "Freudenhaus" und die "Garage" betreibt. Teetz sagt, bei ihm kämen "grundsätzlich alle Ausländer rein", er will keinesfalls klingen wie einer, der Diskriminierung zulässt. Andererseits sieht er in der Gesetzesänderung auch die Gefahr, dass "Leute, die aus anderen Gründen nicht reingelassen werden, das Gesetz nutzen, um einen Club in Verruf zu bringen und vor Gericht schnelles Geld zu verdienen". Drastischer formuliert die niedersächsische Vertretung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) die Angst des Türstehers vor dem Gesetzgeber: Sie lehnt die Gesetzesänderung ab, denn Diskriminierung sei ein gesellschaftliches Phänomen, das sich durch Einzelinitiativen nicht bekämpfen lasse. Stattdessen sei ein gesamtgesellschaftliches Engagement des Bundeslandes wünschenswert. Gesamtgesellschaftlich gesehen aber geht von der Einschränkung der Willkür an der Tür durchaus ein starkes Signal aus, das zumindest hofft nicht zuletzt Minister Olaf Lies. Das neue Gesetz, sagt er, "soll ein Druckmittel sein". Er will ja den Beamten nicht mehr Bußgeldverfahren aufhalsen, sondern dafür sorgen, dass sich die Türsteher künftig genauer überlegen, wen sie reinlassen und wen nicht.

© SZ vom 15.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: