Transrapid-Unglück:Vermutlich Versagen in der Leitstelle

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Nach der Katastrophe im Emsland fragt sich die Staatsanwaltschaft: Warum gaben die Mitarbeiter der Transrapid-Leitstelle grünes Licht? Befragen können sie diese noch nicht - sie stehen unter Schock. Unterdessen gedachten am Sonntag Hunderte der Toten.

Alles deutet darauf hin, dass die Mitarbeiter der Leitstelle dem Transrapid am Freitagmorgen um 9.53 Uhr freie Fahrt gaben, obwohl noch ein Reinigungsfahrzeug auf der Strecke stand. Menschliches Versagen hat also offenbar dazu geführt, dass 23 Menschen starben. Es gebe keine Hinweise auf einen technischen Defekt, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Osnabrück.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen wegen fahrlässiger Tötung in 23 Fällen. 10 Menschen hatten das Unglück am Freitag verletzt überlebt, sie sollen mittlerweile außer Lebensgefahr sein.

Der Transrapid war am Freitagmorgen auf der Teststrecke Emsland mit Tempo 200 gegen einen Arbeitswagen gestoßen.

Die zwei Mitarbeiter, die in der Leitstelle zur Unfallzeit Dienst hatten, sind noch nicht vernehmungsfähig, da sie unter Schock stehen. Sie würden auch noch nicht als Beschuldigte geführt. Bisher sei auch noch kein Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet worden, so die Staatsanwaltschaft.

Mitarbeiter hätten sich persönlich überzeugen müssen

Die beiden Mitarbeiter hätten sich gemäß der Vorschriften persönlich überzeugen müssen, dass der Werkstattwagen die Strecke verlassen hat.

Unter den Todesopfern sind zehn Mitarbeiter von RWE. Unter den Fahrgästen waren außerdem drei Zugführer und zwei technische Mitarbeiter, zwei US-Bürger, Altenpfleger aus Papenburg und zwei Auszubildende, die die Fahrt als Auszeichnung bekommen hatten.

Presseberichte, wonach sich zwei Beschäftigte in dem Werkstattwagen in letzter Sekunde mit einem Sprung von den hoch gelegenen Gleisen hätten retten können, dementierte die Staatsanwaltschaft. Die zwei Beschäftigten hätten überlebt, weil sie sich auf der vom Aufprall abgewandten Seite ihres Wagens befunden hätten.

Nach den bisherigen Erkenntnissen bekam der Werkstattwagen nicht wie üblich den Auftrag, in die Parkbucht zurückzukehren. "Der Wagen wurde laut Leitstandbuch bei Stütze 120 abgestellt. Eine weitere Eintragung findet sich nicht", sagte der Sprecher der Staatsanwalt.

Danach steht im Protokollbuch nur noch der Fahrauftrag für den Transrapid.

In der Region war die Bestürzung über den verheerenden Unfall groß. Hunderte Menschen gedachten am Sonntag in Lathen der Opfer. Am kommenden Mittwoch ist noch ein zentraler Gedenkgottesdienst geplant.

Papst Benedikt XVI. sprach den Hinterbliebenen in einem Telegramm an den Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode sein Beileid aus.

Verkehrsminister: "Erst mal die Lage sondieren"

Politiker und Behörden warnten derweil vor voreiligen Schlüssen über den Transrapid, so lange die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen seien. "Wir wollen jetzt erst mal die Lage sondieren", sagte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) vor Beginn der Krisensitzung in Berlin.

Neben der Frage nach neuen Erkenntnissen gehe es um die Unfallursache. Zu klären sei, "ob das Sicherheitskonzept in Ordnung war", und ob die Betreiber sich optimal daran gehalten hätten. Erst in einem weiteren Schritt sei zu klären, "ob es weitere Konsequenzen gibt", sagte Tiefensee.

Bei dem Gespräch ging es auch um den weiteren Fahrplan für das geplante Münchner Magnetschwebebahn-Projekt.

Auch eine chinesische Wirtschaftsdelegation besichtigte die Unglücksstelle.

Sie wolle sich persönlich ein Bild von dem Unglück machen und gegebenenfalls Konsequenzen für den Betrieb in Shanghai ziehen, hieß es. Der Transrapid wird von einem Konsortium aus ThyssenKrupp und dem Siemens-Konzern gebaut. In Shanghai ist seit Anfang 2004 die weltweit einzige kommerzielle Transrapid-Strecke in Betrieb.

Ob und wann der Betrieb auf der Teststrecke im Emsland wieder aufgenommen wird, ist derzeit völlig offen. Die Staatsanwaltschaft hat die komplette Unfallstelle abgesperrt.

Der zertrümmerte Transrapid stand am Sonntag noch immer auf den Stelzen hoch oben über dem Boden.

© sueddeutsche.de/dpa/AP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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