Tragödie:Tödliches Schamgefühl

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In Krefeld hat eine 13-Jährige ihr Baby sterben lassen und im Park abgelegt - von der Schwangerschaft will keiner etwas bemerkt haben.

Hans-Jörg Heims

Ein schlichtes Holzkreuz steht im Kaiser-Wilhelm-Park in Krefeld. Zwei Kerzen brennen davor und irgendjemand hat Blumen hingelegt. Spaziergänger bleiben stehen und schütteln den Kopf.

Ein Kreuz steht am Fundort einer Kinderleiche in Krefeld, die vor zehn Monaten entdeckt wurde. Nur wenige hundert Meter weiter wurde nun erneut eine Kinderleiche gefunden. (Foto: Foto: dpa)

Am Mittwoch vergangener Woche machte an dieser Stelle ein 46-jähriger Mann einen grausigen Fund. Aus einer Mülltüte ragten der Arm und der Kopf eines toten Säuglings.

Die Obduktion ergab, das neugeborene Mädchen war voll lebensfähig, jedoch "wegen fehlender Versorgung durch die Mutter" gestorben, wie die Polizei mitteilte.

Wie sich nun herausstellte, war die Mutter selbst noch ein Kind: gerade mal 13 Jahre alt. Während die Ermittler nach ihr suchten, ging das Mädchen in die Schule, so als sei nichts gewesen.

Es hatte niemand bemerkt, dass sie ein Kind erwartete, weder Mitschüler, Eltern ja noch nicht einmal ein Arzt, der das hochschwangere Mädchen Anfang März untersucht hatte.

Dass ihre Tochter zusehends dicker wurde, führte die Familie auf die Pubertät zurück. Sie wurde auf Diät gesetzt und sollte Sport treiben. Allein in der elterlichen Wohnung gebar das junge Mädchen schließlich das Kind und versteckte es. Zwei Tage später legte es die Leiche im Stadtpark ab.

Die 13-Jährige, die inzwischen psychologisch betreut wird, soll eine gute Schülerin sein und nach Angaben von Ermittlern wie ein "Engel aussehen". Das familiäre Umfeld wird als intakt und gut situiert beschrieben.

Und trotzdem verschwieg das Mädchen die Tragödie im heimischen Kinderzimmer. Selbst als am Montagabend die Polizei die 13-Jährige auf Grund eines Hinweises zu Hause aufsuchte und zu dem Babyfund befragte, leugnete sie das Geschehene.

Sie wollte sich sogar einem Speicheltest unterziehen. Einen Tag später jedoch ging sie in Begleitung ihrer Mutter zur Polizei. "Aus Scham", so Staatsanwalt Otto Notemann habe sie Schwangerschaft und Tod des Kindes verheimlicht.

Weil noch keine 14 Jahre alt, ist das Mädchen nicht strafmündig. Keine Angaben macht die Staatsanwaltschaft derzeit zum Alter des Kindsvaters. Gegen ihn wurde aber ein Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes eingeleitet.

Unklar ist noch, ob der behandelnde Arzt mit Konsequenzen rechnen muss. Nach allgemeiner Ansicht von Experten, hätte er beim Abtasten des Bauches die Schwangerschaft feststellen müssen.

Voraussichtlich an diesem Freitag soll das tote Baby beerdigt werden. Pfarrer Michael Haak will die bisher namenlose Kleine in Anlehnung an den Fundort der Leiche als Wilhelmina bestatten.

Erst vor einem Monat hatte der Fall einer Zwölfjährigen aus Hamburg für Aufsehen gesorgt, die einen Jungen zur Welt gebracht hatte. Die Zahl der Teenager-Schwangerschaften ist seit Mitte der neunziger Jahre angestiegen. 7000 Mädchen, die 18 oder jünger waren, brachten 2004 Kinder zur Welt. Vor zehn Jahren waren es noch 50 Prozent weniger.

© SZ vom 31.3.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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