Tragödie in Frankreich:Pilgerfahrt in den Tod

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Ein Bus mit polnischen Pilgern ist am Sonntag in den französischen Alpen in ein Tal gestürzt und ausgebrannt, weil der Fahrer eine verbotene Abkürzung nahm. 27 Insassen starben.

Nach dem Sturz in die Tiefe ging der Bus in Flammen auf. Dabei kamen 27 Menschen um, die anderen 23 Menschen wurden schwer verletzt, wie die Feuerwehr mitteilte. Sie korrigierte die Zahl der Businsassen am Abend von 51 auf 50. Etliche der Verletzten hätten nur wenig Überlebenschancen. "Die Opfer mit schweren Verbrennungen wurden mit Hubschraubern zu Spezialkliniken in Marseille und Lyon transportiert", hieß es von der Präfektur. Die Nationalstraße 85 wurde gesperrt, um die Rettungsarbeiten zu erleichtern.

Lebensgefährliche Strecke: Der schreckliche Unfall nähe Grenoble, bei dem mindestens 26 polnische Pilger umkamen, erinnert an frühere Unglücke. (Foto: Foto: AP)

Premierminister François Fillon eilte an den Unglücksort und sprach den Angehörigen der Todesopfer und den Überlebenden sein Mitgefühl aus. Auch Polens Staatspräsident Lech Kaczynski und sein französischer Amtskollege Nicholas Sakorzy wollten noch am Sonntag den Unglücksort aufsuchen und Verletzte im Krankenhaus besuchen.

Vor Ort bot sich den Rettern ein schreckliches Bild. "Überall liegen Leichen. Das ist wie das Ende der Welt. So etwas habe ich noch nie gesehen", sagte ein Augenzeuge dem Sender France-Info. Mehrere Opfer wurden von den Fluten der Romanche mitgerissen und konnten erst nach stundenlanger Suche geborgen werden.

Die polnischen Pilger kamen aus dem Wallfahrtsort Notre-Dame-de-la-Salette, rund 40 Kilometer südlich der französischen Alpenmetropole. Nahe der Ortschaft Vizille versagten nach Angaben der Feuerwehr vermutlich die Bremsen. Der Bus durchbrach nach einer 90-Grad-Kurve das Geländer einer Brücke über dem Tal der Romanche. Er stürzte 20 Meter tief ans Ufer des Gebirgsbachs, der nach den Regenfällen der vergangenen Tage zu einem reißenden Fluss angeschwollen ist, und ging in Flammen auf. "Offenbar haben die Bremsen versagt", erklärte die Präfektur.

Die Pilger im Alter zwischen 40 und 60 Jahren stammten dem polnischen Busunternehmen Orlando zufolge auf dem Umkreis von Stettin an der Oder. Der Bus sei erst vor drei Wochen einer technischen Überprüfung in Deutschland unterzogen worden, sagte Firmenchef Marcin Szklarski im polnischen Sender TVN24. Dabei hätten sich keine Mängel ergeben.

Die Abfahrt auf der Straße zwischen Grenoble und Gap hat schon seit langem den Ruf einer lebensgefährlichen Strecke. Bei drei Unglücken kamen hier in den 70er Jahren insgesamt 77 Menschen ums Leben. Der schlimmste Unfall ereignete sich im Juli 1973 auf der 7,2 Kilometer langen Todesabfahrt von Laffrey: 43 Belgier starben damals, als ein Bus mit über 100 Stundenkilometern die Straße entlangraste. Ein Überlebender berichtete später, der Fahrer habe noch "Ich kann nicht mehr bremsen!" gerufen, bevor das Fahrzeug die Leitplanke durchbrach und 20 Meter tief ins Tal stürzte.

Zwei Jahre später starben 29 Pilger auf der so genannten Route Napoléon: Der französische Kaiser hatte die Straße bei seiner Rückkehr von Elba als Marschroute genutzt. Auch bei einem Unglück von 1975 raste ein Bus mit überhöhter Geschwindigkeit die Abfahrt hinunter und stürzte 75 Meter tief in einen Garten. Die Nationalstraße 85 darf seitdem nur noch von Fahrzeugen mit elektronischen Bremssystemen befahren werden. Außerdem braucht man dafür eine Sondergenehmigung. Der polnische Unglücksbus war den Behörden zufolge ohne eine solche Genehmigung unterwegs.

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