Tierische Seltenheit:Rehweißchen und die edlen Retter

Lesezeit: 1 min

Damit sich sein Erbgut nicht fortpflanzt, wollen Jäger ein Albino-Kitz in Sachsen abschießen - nun kämpfen Naturschützer für das Tier.

Katja Riedel

Ein Name war schnell gefunden: "Rehweißchen" tauften Tierfreunde das Albino-Kitz, das im sächsischen Oberlungwitz durchs Dickicht hüpft. Ein weißes Reh, allein unter braunen Artgenossen, inmitten medialer Sympathie. Die erbt Rehweißchen von dem weißen Elch "Albin" aus Norwegen und dem "Problem-Bären" Bruno, beide wie das weiße Kitz Wildtier-Exoten.

Ein Problem stellt das Reh, anders als der getötete Braunbär, weder für Mensch noch Natur dar. Allein sein Äußeres rückt das Tier ins Licht des Interesses: Haut und Fell des Bambis sind strahlend weiß. Der Grund dafür ist eine Stoffwechselstörung der Pigmentzellen, die für dunkle Farben zuständig sind.

Hervorgerufen wird Albinismus durch eine Mutation, eine spontane Veränderung der Erbinformation, die bei jedem Lebewesen auftreten kann - ob Mensch oder Tier. Wie es mit Rehweißchen weitergeht, ist derzeit ungewiss - der Präsident des sächsischen Jagdverbandes, Günter Giese, forderte seinen Abschuss, um zu verhindern, dass das Erbgut sich im Bestand fortpflanzt. Nach Expertenmeinung ist es unwahrscheinlich, dass die Nachkommen des Rehs weiß wären.

In anderen Kulturen heilige Tiere

Das sächsische Umweltministerium will das seltene Tier indes leben lassen. Der Mensch sei schuld, dass er solch seltene Launen der Natur überhaupt zu sehen bekomme, sagt Thomas Hildebrand, Forschungsgruppenleiter am Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung.

Unter normalen Bedingungen würde das weiße Reh Opfer natürlicher Feinde wie Bär oder Wolf - und der Bestand so selektiert. "Seit 500 Jahren wählt aber der Mensch aus, wer stirbt und wer nicht."

Das weiße Reh sollte eingefangen und in einem Wildpark untergebracht werden, fordert Hildebrand. In Freiheit habe es kaum eine Chance zu überleben, würde bald an Hautkrebs sterben. Oder, weil viele Albinos sehr schlecht sehen, vor ein Auto laufen.

In Zoos können Albinos länger überleben, weil Pfleger sie vor zu starker Sonne schützen. Und weil hier nur Gesehenwerden zählt. Für Zoobesucher sind Albinos die Stars im Gehege. In anderen Kulturen werden Albino-Tiere gar als Heilige verehrt.

In Birma und Thailand leben weiße Elefanten wegen ihrer mythischen Symbolkraft in Tempeln. Die berühmten Weißen Tiger von Siegfried und Roy sind indes keine natürliche Mutation, sondern eine etwa 100 Jahre alte Züchtung; daher bilden sie keine Pigmente.

© SZ vom 3.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: