Terri Schiavo:Fast ein heiliger Krieg

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Die Todesdrohungen gegen Terri Schiavos Ehemann zeigen, wie maßlos und radikal die Debatte um die Sterbehilfe in den USA geführt wird.

Von Andrian Kreye

Als FBI-Beamte letztes Wochenende gegen 17 Uhr Ortszeit in dem Dorf Fairview nicht weit von den Great Smoky Mountains in North Carolina gemeinsam mit dem örtlichen Sheriff das Haus von Richard Alan Meywes umstellten, hatten sie lediglich eine E-Mail als Beweismittel für seine Verhaftung.

Eine Demonstrantin hält ein Kreuz mit Terris Namen und amerikanischen Flaggen hoch. (Foto: Foto: dpa)

In der kurzen Nachricht an mehrere Fernseh- und Radiostationen hatte der 37-jährige Arbeitslose bekannt gegeben, dass auf Terri Schiavos Ehemann Michael ein Kopfgeld von 250.000 Dollar ausgesetzt sei.

"So viel Schmerz wie möglich zufügen"

Die Verhaftung war ein weiterer Höhepunkt in der zunehmend radikaler werdenden Debatte um die Sterbehilfe für die im permanenten vegetativen Zustand dahindämmernde Terri Schiavo.

Der Text war deutlich: "Nach unseren Informationen wird jeder, der Michael Schiavo eliminiert und ihm dabei so viel Schmerz wie möglich zufügt, diese Summe in bar ausbezahlt bekommen." Weiter hieß es, dass für den Mord an dem Richter George Greer 50.000 Dollar ausgesetzt seien.

Greer hatte den Antrag der Familie Schindler abgelehnt, die Magensonde ihrer Tochter Terri Schiavo wieder einzusetzen. Dabei verwies der festgenommene Meywes auf den Mord an einem Richter in Georgia und die Ermordung der Familie einer Bundesrichterin in Chicago, die den Führer der rechtsradikalen Church of the Creator ins Gefängnis gebracht hatte.

Nicht nur wegen Meywes Drohungen wurden daraufhin Michael Schiavo, George Greer und auch Schiavos Anwalt George Felos rund um die Uhr von Leibwächtern geschützt.

Einen Tag vor Meywes Verhaftung hatte der 20-jährige Michael Mitchell aus Illinois eine Waffenhandlung in Seminole, Florida, überfallen, nur wenige Meilen von jenem Hospiz in Pinellas Park entfernt, vor dem zwei Wochen lang eine Menschenmenge für das Weiterleben von Terri Schiavo demonstrierte. Mitchell bedrohte den Ladenbesitzer mit einem Teppichmesser und rief, er werde "Terri retten".

In unzähligen anonymen E-Mails und Aufrufen auf rechtsgerichteten und rechtsradikalen Webseiten wurde gar mit Bombenanschlägen gedroht. Und auch dort wurde der Tod jener drei Männer gefordert, die von der christlichen Rechten als Protagonisten eines gottlosen und unbarmherzigen Rechtssystems ausgemacht worden waren, eines Rechtssystems, das die Ermordung einer Unschuldigen legitimiere.

Die Behörden taten gut daran, die Drohungen ernst zu nehmen, denn die Debatte um die 41-jährige Terri Schiavo hat der "Recht auf Leben"-Bewegung neuen Auftrieb gegeben, die solche Drohungen schon öfter in die Tat umgesetzt hat.

Keineswegs aufrechte Gläubige

Die Mitglieder dieser Bewegung sind keineswegs aufrechte Gläubige im Kampf um christliche Werte, als die sie sich gerne darstellen. Die "Recht auf Leben"-Bewegung versteht sich vielmehr als Speerspitze eines heiligen Krieges, der gegen "staatlich sanktionierten Massenmord durch Abtreibung und Sterbehilfe" kämpft.

Da ist jedes Mittel recht, schließlich lässt sich dieser Kampf mit so einigen Bibelzitaten rechtfertigen. Vers 24:11 aus der ersten salomonischen Spruchsammlung zum Beispiel, in dem es heißt: "Befrei' jene, die man zum Tod schleppt, die zur Hinrichtung wanken, rette sie doch."

Der Pastor Randall Terry dichtete diesen Vers zum Kampfruf seiner Organisation "Operation Rescue" um. Randall Terry ist wahrscheinlich der prominenteste Vertreter der so genannten "Right To Lifers". Seit den späten Achtzigerjahren belagerten er und seine Anhänger Frauenkliniken im ganzen Land.

1992 wurde er zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt, weil er versucht hatte, dem damaligen Präsidentschaftskandidaten Bill Clinton vor dem Parteitag der Demokraten einen Fötus in die Hand zu drücken. Als allerdings James Kopp, einer seiner radikalsten Anhänger, 1998 einen Frauenarzt in Buffalo, New York, ermordete, und auch mehrere Brandanschläge auf Frauenkliniken Attentätern aus dem Dunstkreis der Organisation angekreidet wurden, war es still um den streitbaren Pastor geworden.

Terry trennte sich von seiner Organisation und zog sich zurück. Im Streit um die Sterbehilfe für Schiavo sah er jetzt eine Chance für ein Comeback. Er reiste nach Pinellas Park und bot Terri Schiavos Eltern seine Hilfe an.

Kulturkampf in den Medien

Als Veteran der Bewegung hatte er genug Erfahrung, wie man einen Kulturkampf in den Medien präsentiert. Und seine Taktik hatte Erfolg. Dabei wirkt der radikale Abtreibungsgegner durchaus sympathisch.

Sein jungenhaftes Gesicht und der dichte blonde Haarschopf, seine leidenschaftliche und trotzdem souveräne Art zu sprechen sowie sein hemdsärmeliges Auftreten eignen sich perfekt fürs Fernsehen. Gleich nach seinem Auftauchen bezeichneten ihn CNN und Fox News auch nur noch als "Sprecher der Familie". Seine radikale Vergangenheit wurde mit keinem Wort erwähnt.

Auch der Hintergrund der anderen selbst ernannten Sprecher für Terri Schiavo blieb im Dunkeln. Vater Frank Pavone beispielsweise, der seine Organisation "Priests for Life" angeblich mit dem Segen des New Yorker Kardinals O'Connor gründete.

Oder der Reverend Patrick Mahoney, der eine Gruppe namens Christian Defense Coalition leitet, die schon in ihrem Namen andeutet, dass sie hier einen Bürgerkrieg für das Fortbestehen des Christentums führt. Mahoney gab freizügig die Privatadresse Michael Schiavos an Aktivisten weiter, damit diese vor dessen Haus demonstrieren konnten.

Die Rhetorik der Radikalen bekam in diesen Tagen Unterstützung auf höchster Bundesebene. Tom DeLay, der Mehrheitsfraktionsführer der Republikaner im Kongress, bezeichnete die Entfernung von Terri Schiavos Magensonde als "medizinischen Terrorismus" und drohte: "Die Zeit wird kommen, da die Männer, die für dies verantwortlich sind, für ihre Taten geradestehen müssen."

Der ehemalige Präsidentschaftskandidat für die Republikaner und Führer der christlichen Rechten, Pat Robertson, bezeichnete den Fall Schiavo als "richterlichen Mord" und meinte, es sei doch ganz offensichtlich, dass Michael Schiavo Terri ermorden wolle.

Apotheker verweigern Verhütungsmittel

Der Einfluss christlicher Fundamentalisten ist nicht zu unterschätzen. Laut New York Times fühlen sich 31 Prozent aller amerikanischen Lehrer unter Druck gesetzt, neben der Evolutionslehre auch die Schöpfung als mögliche Entstehungsgeschichte des Planeten Erde zu unterrichten.

Die Washington Post berichtete neulich, dass sich viele strenggläubige Apotheker inzwischen weigern, Verhütungsmittel oder die Pille danach auszugeben. Rechtsexperten befürchten, dass der Fall Terri Schiavo die Schleusen für eine Flut von Gesetzen geöffnet hat, die auf christlich-fundamentalistischen Werten aufbauen.

"Schlacht verloren, Krieg nicht vorbei", verkündete die selbst gemalte Tafel eines Demonstranten gleich nach dem Tod Terri Schiavos am Donnerstag vor dem Hospiz. Auch Randall Terry verkündete in einem Interview mit CNN, der Kampf gehe weiter. "Mit der Hölle werden wir dafür bezahlen", drohte er der Fernsehnation.

Für Schiavo, seinen Anwalt und Richter Greer ist Rhetorik dieser Art eine ganz direkte Bedrohung. Selbst Michael Schiavos Schwägerin wurde in Philadelphia auf offener Straße mit dem Tode bedroht. Schiavo will seine Frau nun an einem geheimen Ort begraben.

© SZ vom 2.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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