Suizidmotiv: Lebensmüdigkeit:Schweizer Studie vergleicht Sterbehilfeorganisationen

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Zürich - In der Schweiz nehmen immer mehr nicht an einer tödlichen Krankheit leidende Menschen Hilfe zur Selbsttötung in Anspruch. Dabei lassen sich nach einem am Dienstag in Zürich veröffentlichten Forschungsbericht fast doppelt so viele Frauen wie Männer von den Sterbehilfeorganisationen "Exit Deutsche Schweiz" und "Dignitas" in den Tod begleiten.

Zu diesen Ergebnissen kommt ein vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstütztes Forschungsprojekt, das erstmals die Praktiken beider Organisationen verglich. Die Studie dokumentiert auch, dass sowohl Dignitas als auch Exit in Einzelfällen bei psychisch Kranken Suizidbeihilfe geleistet haben. Dies gilt unter Experten als umstritten, weil nur urteilsfähigen Personen Beihilfe geleistet werden darf. Die Studie untersuchte 274 Fälle, in denen Dignitas, und 147 Fälle, in denen Exit zwischen 2001 und 2004 Menschen in den Tod begleitete. Zusätzlich wurden die Daten mit einer älteren Studie über Exit verglichen. In der Schweiz ist jede Suizidbeihilfe melde- und prüfungspflichtig.

Der Vergleich zeigt den Wissenschaftlern zufolge deutliche Unterschiede zwischen Dignitas und Exit auf: Während Exit nur ausnahmsweise Suizidbeihilfe bei Ausländern leistet (etwa drei Prozent aller Fälle), stammen bei Dignitas 91 Prozent aller in den Tod begleiteten Menschen aus dem Ausland. Das Durchschnittsalter liegt bei Dignitas mit 65 Jahren deutlich unter jenem bei Exit mit 77 Jahren. "Dieser Unterschied könnte daher rühren, dass Sterbewillige aus dem Ausland genügend fit sein müssen, um in die Schweiz zu reisen", erklärt der Leiter der Studie, der Mediziner Georg Bosshard. Größer war bei Dignitas der Untersuchung zufolge der Anteil von Menschen mit einer tödlichen Krankheit: 79 Prozent der Dignitas-Patienten litten an unheilbaren Krankheiten wie Krebs, bei Exit waren es 67 Prozent. Die übrigen Patienten "waren meist alte Menschen mit mehreren Krankheiten, zum Beispiel rheumatische Beschwerden oder Schmerzsyndrome", sagt Mitautorin Susanne Fischer. Der Vergleich mit früheren Daten zeigt, dass diese Personengruppe bei Exit von 22 Prozent auf etwa ein Drittel gestiegen ist. Zugleich stieg auch das Durchschnittsalter von 69 auf 77 Jahre. "Lebensmüdigkeit und ein allgemein schlechter Gesundheitszustand haben also bei älteren Menschen aus der Schweiz als Motiv dafür an Bedeutung gewonnen, Suizidbeihilfe zu suchen", sagt Fischer.KNA

© SZ vom 05.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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