Süffig und erotisch:Der Sound des Bieres

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Ein Psychoakustiker untersucht den Klang beim Einschenken - und gibt Brauern Tipps für die Gestaltung der Flaschenhälse

Von Martin Zips

Bayerisches Bier ließe sich künftig noch besser verkaufen, wenn es einen sympathischeren Klang hätte. Das meint jedenfalls der Psychoakustiker Friedrich Blutner, eine internationale Kapazität im Bereich des Sound-Designs.

"Je schroffer, je weniger fließend der Übergang vom Flaschenbauch zum Flaschenhals ist, desto harmonischer, süffiger und erotischer klingt das Bier beim Einschenken."

Seit Jahren beschäftigt sich der Akustiker mit der subjektiven Wirkung von Geräuschen. Neben dem Zischen von Bierflaschen untersucht der frühere Ingenieur des DDR-Kombinats Musikinstrumente und Kulturwaren auch das Geheimnis der Stradivari.

Ansonsten belauscht seine sächsische Firma Synotec im Auftrag von Wissenschaft und Industrie unter anderem Waschmaschinen, Autotüren oder Rasierer. Dieser Tage werden Knackwürste analysiert.

Tiefe, langsame Vibrati

Nach Meinung Blutners ist der Klang bayerischen Bieres zwar sympathischer als der von obergärigem Kölsch. "Würde es den Brauern jedoch gelingen, tiefe, langsame Vibrati zu erzeugen, wie sie beim tschechischen Pilsener zu hören sind, so könnte ihr Bier noch erfolgreicher werden."

2003 wurden knapp 23 Millionen Hektoliter bayerischen Bieres verkauft. Blutner betont jedoch: Viele nicht-bayerische Sorten verfügten meist wegen einer "scharfen Bruchkante am Flaschenhals" über einen noch affirmativeren Klang.

Im Gespräch mit der SZ warnte der Experte vor der Verwendung künstlicher Biergeräusche in der TV- oder Radiowerbung. "Das Schlimmste, was dem akustisch beworbenen Produkt passieren kann, ist, dass es nicht konsistent klingt."

Das Stammhirn würde in so einem Fall umgehend eine Alarmbotschaft ans Ohr senden - der Rezipient fühle sich verschaukelt. Zudem werde es nie gelingen, aus einem rein künstlich erzeugten Geräusch per Radio einen echten Klang zu machen.

Vorsichtig herausarbeiten

So denkt auch Timm Haberland, in dessen Gautinger Tonstudio "Just Audio" seit Jahren unter anderem Werbespots für Bier aufgenommen werden. "Für Erdinger haben wir vor drei Jahren einen ganzen Kasten geleert."

Das Original-Zischen der Flasche und das Schäumen beim Einschenken ist auch in der aktuellen Radio-Kampagne zu vernehmen. Die akustischen Eigenarten musste Tonspezialist Haberland, wie bei jedem anderen Bier, freilich sehr vorsichtig herausarbeiten.

"Zur Aufnahme verwendeten wir ein Neumann-Röhrenmikrofon. Später wurde der Klang eine Oktave runtergestimmt und mit Obertönen aufgefrischt."

Gelänge es den Brauern künftig auch außerhalb von Tonstudios, "mehr Wert auf Sound zu legen" - ähnlich wie bei Porsche, wo gut 80 Fahrzeug-Akustiker am guten Ton arbeiten - könnte das dem Bierabsatz nur nutzen, meint jetzt Psychoakustiker Friedrich Blutner.

© SZ vom 8.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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