Südostasien:Behörden rechnen mit 80.000 Toten

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Die Zahl der Opfer der Flutkatastrophe steigt und steigt. Allein in Indonesien sind offenbar 40.000 Menschen gestorben, in Sri Lanka 22.000. Die Gesamtzahl der Toten könnte nach Einschätzung des Roten Kreuzes sogar 100.000 übersteigen.

Auch drei Tage nach der Flutwelle steigt die Opferzahl unaufhörlich.

Helfer transportieren Opfer der Flutkatastrophe auf Thailand ab (Foto: Foto: AP)

Die Gesamtzahl der Todesopfer der Flutkatastrophe im Indischen Ozean könnte nach Einschätzung des Roten Kreuzes die 100.000 übersteigen. Wenn die Lage auf allen abgelegenen indischen Inseln überprüft worden sei, könnte diese Marke überschritten werden, sagte Rot-Kreuz-Koordinator Peter Rees in Genf.

In Indonesien rechnete die Regierung mit bis zu 40.000 Toten. Besonders dramatisch stellte sich die Lage auf der indonesischen Insel Sumatra dar, wo nach Angaben des Sozialministeriums bis zum Mittwochmorgen über 32.000 Tote registriert wurden.

Darin nicht eingerechnet sind die Todesopfer aus mehreren Bezirken an der Westküste, die nach Angaben des Militärkommandeurs der Provinz Aceh fast vollkommen verwüstet sind.

Die Überlebenden dort seien vollkommen isoliert, sagte Generalmajor Endang Suwarna. Allein in dem Küstenort Meulaboh kamen Schätzungen zufolge 10.000 Menschen ums Leben, das wäre ein Viertel der Stadtbevölkerung.

In Sri Lanka wurden fast 22.000 Tote gemeldet, nahezu 7000 in Indien. Von den 1574 bestätigten Todesopfern in Thailand sind fast ein Drittel Ausländer: Das Innenministerium sprach am Mittwoch von 473 Menschen aus 36 Ländern, darunter 54 Schweden, 49 Deutsche und 43 Briten. Am schwersten betroffen ist mit mindestens 950 Toten die Provinz Phong Nga, unweit der Urlauberinsel Phuket.

Bei 84 toten Touristen konnte die Nationalität bisher nicht geklärt werden. Mehrere tausend Urlauber werden noch vermisst. Der Polizeichef für den Bezirk Takua Pa, nördlich der Ferieninsel Phuket, teilte mit, dass allein in Khao Lak und zwei weiteren Orten mehr als 1500 offiziell noch nicht registrierte Tote geborgen worden seien.

"Es sieht nicht gut aus"

Der Vize-Polizeichef der indischen Inselgruppe Andamanen und Nikobaren, S. Vasudev Rao, sagte in der Hauptstadt Port Blair: "Es sieht nicht gut aus. Die Zahl der Toten steigt jeden Tag." Es könnten zwischen 6000 und 10.000 Tote sein. Die offizielle Opferzahl auf den Nikobaren liegt bislang bei 3000. Viele Inseln seien weiterhin überflutet.

Mehr als 100 Menschen sind auch im ostafrikanischen Staat Somalia nach Regierungsangaben von der Flutwelle getötet worden. 34 Tote wurden aus Birma gemeldet, 65 aus Malaysia.

Alle internationalen Hilfsorganisationen arbeiten unter Hochdruck daran, die Menschen vor allem mit sauberem Trinkwasser zu versorgen. Hunderttausende Kinder sind dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen zufolge obdachlos und von Krankheiten bedroht.

In Indien begannen Impfungen, um Epidemien zu vermeiden. Allein auf den indischen Nikobaren-Inseln rechnete die Polizei mit bis zu 10.000 Toten - jeder fünfte Bewohner ist tot oder wird vermisst.

Zahllose Menschen suchten zwischen Trümmern, in überfüllten Krankenhäusern und Leichenhallen verzweifelt nach ihren Angehörigen. In den Katastrophengebieten Sri Lankas werden nach Angaben der Hilfsorganisation World Vision Wasser und Nahrungsmittel knapp.

In all dem Grauen erlebten die Retter aber auch kleine Wunder: Ein 13-jähriges indisches Mädchen hat nach der Flutwelle zwei Tage lang auf einer schwimmenden Tür überlebt, bevor das Meer es an seiner ihrer Heimatinsel wieder an Land spülte.

"Überwältigend positiven" Hilfsbereitschaft

Papst Johannes Paul II. rief die internationale Gemeinschaft erneut zu Hilfen für die Opfer auf. Die Organisation des Internationalen Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds bat um Spenden in Höhe von 32 Millionen Euro. Die USA erhöhten ihren Beitrag zur Soforthilfe auf 35 Millionen Dollar (25 Millionen Euro).

Die Vereinten Nationen hatten zuvor von einer "überwältigend positiven" Hilfsbereitschaft berichtet. Bei der europäischen Nothilfeorganisation ECHO seien 30 Millionen Euro abrufbar, sagte EU- Nothilfekommissar Louis Michel. Die deutsche Soforthilfe beträgt laut Fischer nun 2 Millionen Euro.

Der Vorsitzende des Asien-Pazifik- Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Siemens-Chef Heinrich von Pierer, kündigte Unterstützung durch die deutsche Wirtschaft an.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte, die Zahl der Opfer könnte sich durch den Ausbruch von Seuchen und Hungersnöten verdoppeln. "Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass genau so viele Menschen an übertragbaren Krankheiten sterben werden wie auf Grund der Flutwelle, sagte der WHO-Experte David Nabarro am Dienstagabend in Genf.

Das UN-Büro für die Koordination humanitärer Angelegenheiten erklärte am Mittwoch, wegen des verschmutzten Wassers sei mit dem Ausbruch von Krankheiten schon in den nächsten Tagen zu rechnen.

Auch UN-Generalsekretär Kofi Annan erklärte, es sei mit zusätzlichen zehntausenden Toten zu rechnen.

Der Münchner Tropenmediziner Professor Thomas Löscher warnte allerdings vor "Horrorszenarien". "Von einer Verdopplung der gegenwärtigen Todeszahl durch Seuchenausbruch zu sprechen ist übertrieben und nicht adäquat", sagte Löscher. Die Seuchengefahr gehe von den Toten aus, die möglichst rasch beerdigt werden müssten. Dies sei den Hilfskräften vor Ort sehr bewusst und werde entsprechend umgesetzt.

Indonesische Soldaten begannen am Mittwoch mit der Aushebung der ersten Massengräber, um die Seuchengefahr zu bannen. Allein in der Provinzhauptstadt Banda Aceh schoben Bulldozer mehr als 1.000 Leichen zusammen.

Am Mittwoch trafen Flugzeuge aus Frankreich und Australien mit dringend benötigter Hilfe in Thailand ein. Auch in Sri Lanka landeten zahlreiche Hilfsflüge, darunter eine Wasseraufbereitungsanlage aus Deutschland. Für das gesamte Katastrophengebiet wurden bis Mittwoch über 100 Millionen Euro Soforthilfe zugesagt.

Die indische Regierung kündigte unterdessen den Aufbau eines Tsunami-Frühwarnsystems an. Zahlreiche Experten haben das Fehlen einer solchen Vorrichtung im Indischen Ozean kritisiert, die möglicherweise tausenden von Menschen das Leben hätte retten können.

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